Jugendprobleme:Liturgie der Leidenschaft

Christine Heppermann schreibt in freier Prosa über die Folgen einer ungewollten Schwangerschaft und mischt dazu religöse Momente.

Es sieht aus wie eine Gedichtsammlung, ist aber freie Prosa, ein Roman in kurzen Textpassagen, und in der aktuellen Jugendliteratur en vogue. Erfolgversprechend ist die Form außerdem, "Eins" von Sarah Crossan etwa, jene Geschichte über siamesische Zwillinge, war mehrfach für wichtige Preise nominiert. Die Vorteile solchen Erzählens liegen auf der Hand, Figuren lassen sich im Minutentakt in den Fokus rücken, Riesenthemen werden im Flug gesetzt, das Tempo: turbo, der Sound: staccato, der Ton: lyrisch, der Touch: experimentell, das Assoziations-Potential: hoch. Pointierung ist immanent. Schneller dichter dran ist fast nicht möglich.

Bei "Frag mich, wie es für mich war" der amerikanischen Autorin Christine Heppermann geht das so: Addie ist mit Craig zusammen, Craig ist ein Armleuchter mit viel Muskeln, aber wenig in der Birne, eine andere hat er nebenbei auch noch, Männer "sind doch alle Monster"! Zum Glück gibt es Nick. Der ist ganz anders, "Oh Gott, diese Grübchen" (einmal umblättern) "Aber verdammt ... dieser hier ist so süß." Nick ist so süß, dass Addie schwanger wird. Gerade mal 24 Seiten später, meist locker gedruckt, ist nach dem Wonnemonat Mai inzwischen Juni. Addie bricht die Schwangerschaft ab, ihre Eltern und Nick unterstützen sie dabei, sie verfolgt zunächst weiter, was ihr wichtig ist: Gedichte schreiben. Trainieren. Laufen.

Laufen ist schnell, könnte man sagen, und so ist es nur folgerichtig, dass Addie im Monatstakt durch ihre Geschichte heizt, als sei der Leibhaftige hinter ihr her. Der spielt im kirchlich-religiösen Umfeld tatsächlich mit: Addie geht auf eine katholische Mädchenschule, Jungs sind abwesend, aber angesagt, entsprechend hat es die "Andacht", die Addie am Sonntag mit Nick in der Sporthalle zelebriert, in sich: "Sein Mund eine lebhafte Liturgie / entlang meines Nackens. / Mein Verlangen ein heiliger Schmerz / ein Segen. Ich beuge mich zurück / bereit, die Kommunion / zu empfangen."

Das ist zumindest gegen verstaubte Konvention, Sex statt Beten kann nicht schaden, zumal die Autorin weitergeht. Sie setzt, was Addie erlebt, in Beziehung zu Maria. Eine kühne Provokation? Die unbefleckte Empfängnis als Pendant zur ungewollten? Maria als Leidensschwester? Eine Aktualisierung der berühmtesten Schwangeren-wider-Willen? Die versteht nur Bahnhof "Als der Heilige Geist zu ihr kam"- Und das geht so fort: Schoßgebete, Erinnerungsfetzen, Songtexte, Gedichte, Schulstunden - Steno, Not-Notizen, Kürzest Dialoge. Einfälle gibt es viele, manche davon sind witzig, ein paar gehen unter die Haut, die meisten verpuffen an der Oberfläche zwischen Banalität und aufgesetztem Eklat. Das ist ärgerlich, denn ungewollte Schwangerschaft, die Entscheidung zum Abbruch, Schuldgefühle, Absturz, Fehlstart, Neustart sind der Rede wert. Bedeutung durch Dramatik des Inhalts zu generieren oder durchs Skandalöse der Bezüge bloß zu behaupten, reicht da nicht. Dann erweist sich auch die experimentelle Form als Masche: en vogue, aber einfach zu einfach. (ab 14 Jahre)

Christine Heppermann: Frag mich, wie es für mich war. Aus dem Englischen von Kanut Kirches. Beltz & Gelberg, Weinheim 2018. 232 Seiten, 13,95 Euro.

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