Die Aufarbeitung der DDR-Vergangenheit ist um eine Facette reicher: In Berlin hat ein Archiv für die Punkbewegung des untergegangenen Arbeiter- und Bauernstaates eröffnet. Der Gründer war selbst Teil der Szene. Wunsch und Wirklichkeit in der DDR: Ein Kompass für die Jugend war der Marxismus-Leninismus zwar in den Augen der Parteifunktionäre - die Jugendlichen selber fühlten sich zu Teil von ganz anderen Weltanschauungen angesprochen - etwa dem Punk. Einer dieser DDR-Punker war ... Bild: Punks in Ostberlin im Jahr 1981. Text: Paul Katzenberger/sueddeutsche.de/cat
... Michael Boehlke, der in seiner Clique als "Pankow" (links im Bild im Jahr 1983) bekannt war. Inzwischen ist der einstige DDR-Bürgerschreck 47 Jahre alt (rechts), doch die wilde Vergangenheit lässt ihn nicht los. Deswegen setzt er der DDR-Spielart dieser Jugendkultur nun ein Denkmal: Sein neu eröffnetes Archiv "Substitut" ist ...
... mit 5000 Fotos, Schmalspurfilmen, Musikmitschnitten, Dias und ... Im Bild: Punks in Ostberlin, 1983
... Stasiakten ein Gedenkort für die Fans dieses kleinen Freiraums in der DDR-Diktatur. Für Boehlke ist das Archiv auch ein Stück Vergangenheitsbewältigung - als Sänger der staatskritischen Band "Planlos" hatte er immer wieder Probleme mit dem DDR-Staatsapparat. Er wurde mehrmals festgenommen und verhört - seine damalige Freundin saß eineinhalb Jahre in Haft. Die Stasi hatte Aufzeichnungen von Liedtexten bei ihr gefunden; dies reichte als Beweismaterial für eine Inhaftierung aus. Boehlke hatte die Texte hingegen auswendig gelernt und alle Niederschriften vernichtet. Seine Punkzeit fand ein jähes Ende mit dem Antritt des Wehrdienstes in der Nationalen Volksarmee. Bereits 2005 ... Auszug aus der Stasiakte Michael Boehlkes.
...hatte der einstige "Pankow" die Ausstellung "ostPunk! too much future" auf die Beine gestellt, die als Wanderschau in Ostdeutschland auf reges Interesse stieß. Zuführungsfoto des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS), Ausstellung ostPunk, 2005.
Die Fotos und Filme dazu hatte er zuvor bei seinen alten Kumpanen aus der Szene eingesammelt. Zuführungsfoto des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS), Ausstellung ostPunk, 2005.
Der gleichnamige Dokumentarfilm (im Bild das Filmplakat) aus dem Jahr 2006 stieß bei Filmfestivals auf Interesse und war für den Schnitt-Preis des Kölner Forums "Film+" nominiert.
Die bei "Substitut" archivierten Bilder belegen die "subversive" Haltung der DDR-Punks gegenüber ihrem Staat. Die Wohnung des Punks in der Ostberliner Schliemannstraße wird mit aufgemalten Gitterstäben gekennzeichnet, oder ...
... die Symbole des Sozialismus und Kommunismus in einen völlig neuen Kontext gepackt.
Mit ihren Gesinnungsbrüdern im Westen hatten die DDR-Punks außerdem die Lust an der Provokation gemein, wie dieses Foto aus dem Ostberliner Alltag von 1982 belegt.