Süddeutsche Zeitung

Jugendbuch:Eine Frisur pro Tag

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Zoran Drvenkar erzählt von einer Prinzessin, die sich in der ganzen Welt herumtreibt, um eine Freundin und sich selbst zu finden.

Von Michael Schmitt

Man wächst nicht, wenn man sich fürchtet. Passt als Warnung - oder als naseweiser Kommentar - derzeit in fast jedes Gespräch. Steht aber explizit im neuen Kinderbuch von Zoran Drvenkar, zusammen mit ein paar weiteren ähnlichen Sätzen, aber auch vielen abenteuerlichen Episoden, die die Grenzen eines bürgerlichen Kinderzimmers überschreiten. Und mit entsprechend zahlreichen Anlässen, den Umgang mit Furcht und Schrecken in den Griff zu bekommen. Zu den Abenteuern gleich mehr, erst mal zur Frage des Wachstums: Die Heldin des Romans ist elf Jahre alt und ein bisschen zu klein geraten, vor allem scheinen ihr ihre kurzen Beine zu missfallen. Mit ihrem hellen Kopf darf sie dagegen durchaus zufrieden sein. So wie sie von sich selbst erzählt und wie andere Stimmen im Roman von ihr berichten, sind Denken und Lernen für sie kein Problem, eher schon Langeweile, weil nichts sie auf Dauer beschäftigen kann. Diesen Kopf schmückt sie daher auch jeden Morgen mit einer neuen aufwendigen Frisur, das ist ein Ritual, aber vielleicht auch ein Halt in ihrem Kinderleben, eine Art von autosuggestiver Selbstbestätigung - "ich habe eine Frisur, also bin ich" - denn wer schnell denkt, hat meist auch bald ein Problem mit sich selbst, und dann kommen die Ängste. Mit denen kennen sich die jungen Charaktere in den Romanen von Zoran Drvenkar gut aus, meist werden sie damit in mehr oder weniger fantastischen Szenarien heimgesucht. So auch in diesem Fall: Das Mädchen heißt Pandekraska Pampernella, wird als Prinzessin mit König und Königin als Eltern vorgestellt, möchte aber selbst nicht so benannt werden, obwohl sie sich oft benimmt wie eine Prinzessin. Sie hat einen Stab von Helfern um sich, einen Bodyguard und einen Chronisten, der ihr umtriebiges Leben protokolliert, aber sie hat keine beste Freundin, und das ist das Motiv, das die Handlung in Gang bringt. Es geht um eine Suche, vorderhand nach einer anderen Person, die unabdingbar zum Leben eines Mädchens dazugehört, im Kern aber wohl eher nach dem angemessenen Bild der Heldin von sich selbst.

In einem Buch für junge Leserinnen wäre das an sich nichts Besonderes - aber in diesem Fall verläuft das eher nach der Devise "Lebe lieber ungewöhnlich". Ohne irgendeine Rücksicht auf Realismus schickt Zoran Drvenkar seine Heldin und ihren kleinen Hofstaat mit rasender Geschwindigkeit rund um die Welt, um geeignete Mädchen zu finden, die als "beste Freundin" neben einer so anspruchsvollen, neunmalklugen jungen Dame wie Pandekraska bestehen könnten. Das geht so flott, dass "Globalisierung und Beschleunigung" keine geeigneten Kategorien dafür sind, sondern eher vielleicht kindliche Allmachtsfantasien und Heldinnenträume. Zoran Drvenkar konfrontiert sie mit allen attraktiven Rollen, in denen jugendliche Vorbilder derzeit gerne zu Identifikationsfiguren gehypt werden können: Mit einer kindlichen Tierschützerin in einer entlegenen Wildnis, mit einer Heroine der Teenie-Popkultur, mit Kämpferinnen gegen Kinderarbeit und gesellschaftliche Ungerechtigkeit - aber auch mit einer Fünfzehnjährigen, die ganz anders ist, weil sie nämlich nur ihren Spaß sucht. Doch gerade dieses Mädchen ist zu alt, um einer Elfjährigen die passende Gesellschaft zu sein.

Mit jeder dieser Bekanntschaften und mit jeder der turbulenten Eskapaden geht für die Prinzessin eine meist schmerzliche Einsicht in eigene Schwächen oder mangelndes Engagement einher, insofern ist "Pandekraska Pampernella" ein Bildungsroman, angesiedelt an der Schwelle von der Kindheit zur Jugend. Aber dieser traditionelle Kern ist gut getarnt, durch Cliffhanger, die nicht aufgelöst werden und auf eine Fortsetzung verweisen, sowie durch Hinweise auf ein Identitätsproblem der Heldin, das sich nicht allein durch die Suche nach einer Freundin wird lösen lassen. Man darf gespannt sein. (ab 10 Jahre)

Zoran Drvenka r: Pandekraska Pampernella. Beltz & Gelberg 2021. 333 Seiten, 14,95 Euro.

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Quelle:
SZ vom 07.05.2021
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