Jugendabenteuer:Mades Sommer

Jutta Wilkes Roadmovie mit Stechmücken, eine wilde Geschichte um ein dickes Mädchen und zwei besondere Jungen.

Von Hilde Elisabeth Menzel

Jugendbücher, die als Roadmovie daherkommen, sind nicht neu, doch seit dem sensationellen Erfolg von Wolfgang Herrndorfs "Tschick" erfreuen sich Geschichten von abenteuerlichen Fahrten minderjähriger Außenseiter in gestohlenen Autos großer Beliebtheit. Jutta Wilke bekennt sich in ihrer Feriengeschichte "Stechmückensommer" ganz offen zu ihrem Vorbild und lässt ihre Heldin Madeleine, alias Lore, von "Tschick" als ihrem Lieblingsbuch schwärmen.

"Eine Made ist weiß. Langweilig. Und dick. Und sie nennen mich Made. Mir ist das egal. Sie können mich nennen, wie sie wollen. Ich höre sowieso nicht hin. Eigentlich heiße ich Madeleine. Ich bin fast vierzehn". Mit diesen Zeilen beginnt Madeleines Bericht über den Sommer in Schweden, der so ganz anders endet als geplant.

Ihre Eltern haben sie dort in einem Feriencamp angemeldet, denn sie wollen auf einer Japanreise die Trauer um ihren kleinen Sohn, der vor einem Jahr tot zur Welt kam, bewältigen. Doch im Camp wird Madeleine gemobbt, ist todunglücklich und verkriecht sich bei einem Ausflug im Kleinbus der Gruppe. Der fährt plötzlich los, am Steuer ein Junge mit Irokesenschnitt und nicht älter als sie. Sie stellt ihn zur Rede, und er gibt zu, den Bus geklaut zu haben, um ans Nordkap zu fahren. Das Fahren habe ihm sein Opa beigebracht, der kürzlich an Krebs gestorben sei. Sie hätten gemeinsam die Fahrt ans Nordkap geplant, um dort an Mittsommernacht den Geburtstag des alten Mannes zu feiern. Der habe das aber nicht mehr erlebt, und er habe ihm versprochen, die Fahrt ohne ihn zu versuchen. Er nennt sich Julian, und Madeleine behauptet, Lore zu heißen. Als das Benzin zu Ende geht, beschließt Julian sich auf einem Campingplatz Geld zu klauen. Doch als sie ihre Fahrt fortsetzen wollen, haben sie einen neuen Mitfahrer. Er stellt sich als Vincent vor und erklärt ihnen vergnügt, dass er mitfahren werde. Er wisse auch, wo eine Tankstelle sei.

Mit der Figur des Downsyndrom-Jungen Vincent bringt die Autorin neben dem Thema Roadmovie noch einen neuen Akzent in die Handlung ein. Wie in Marie-Aude Murails wunderbarem Jugendroman "Simpel", ist auch hier der sechzehnjährige behinderte Junge mit seiner entwaffnenden Fröhlichkeit und seinem direkten Blick auf die Umwelt eine ungemein bereichernde literarische Figur, die den beiden hilft, sich aus ihren Verkrampfungen zu lösen und ihre Ängste zu verdrängen.

Doch natürlich holt sie die Realität sehr bald ein. Nach vielen Missgeschicken stranden sie in einer Ferienhütte an einem idyllischen See. Aber sie haben Glück, denn der Hausbesitzer entpuppt sich als ein sehr netter Schwede, der gut Deutsch kann und sich ihre ganze Geschichte anhört. Bevor er sie abliefert, feiert er mit ihnen gemeinsam Sommersonnwende und Opas Geburtstag, und so kann Julian seinen Auftrag doch noch erfüllen.

Jutta Wilke ist eine schöne und spannende Sommergeschichte gelungen. Madeleine alias Lore und ihre Freunde gehen gestärkt aus diesem gemeinsamen Abenteuer hervor und bleiben dem Leser mit ihren lebendigen und lustigen Dialogen noch lange im Gedächtnis. (ab 12 Jahre)

Jutta Wilke: Stechmückensommer. Knesebeck Verlag, München 2018. 240 Seiten, 15 Euro.

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