Jugend drängt nach Hollywood:Wir können nur willig

Na, lange nichts mehr aus Hollywood gehört? Das liegt vielleicht daran, dass dort die verlässlichen Kräfte allmählich in Rente gehen und neue noch nicht nachgewachsen sind. Oder weil Erfolgsregisseure nur noch Dokumentarfilme drehen und sich die Youngsters in B-Movies verschleissen. So oder so - so geht es kaum weiter.

SUSAN VAHABZADEH

Der Traum eines jeden Filmproduzenten sieht ungefähr so aus: Man holt einen 26-Jährigen nach Hollywood, und mit seinem ersten Film spielt der seinen Etat locker wieder ein, holt neun Oscarnominierungen und hinterlässt ein Meisterwerk, das Hollywoods Ästhetik stark verändert und auch ein halbes Jahrhundert später immer noch im Fernsehen und auf DVD weiterlebt.

Jugend drängt nach Hollywood: Jugendlicher Übermut siegt über Feingefühl und Geschmacksfragen: Ankündigungsplakat für "Dawn of the Dead"

Jugendlicher Übermut siegt über Feingefühl und Geschmacksfragen: Ankündigungsplakat für "Dawn of the Dead"

So ist es 1941 geschehen mit Orson Welles' Erstling "Citizen Kane". Aber ganz so glorreich hat sich die Geschichte nie wiederholt. Denn erstens war Welles schon berühmt, als er zum Kino kam - nachdem er 1938 die halbe Nation in Panik versetzt hatte, weil sie seine Radio-Inszenierung des "Kriegs der Welten" für eine Livereportage vom Angriff der Außerirdischen hielt.

Zweitens war er ein Genie, und sowas ist eher selten. Und drittens hat er den Hollywoodianern in den Jahrzehnten darauf ein Kuckucksei nach dem anderen ins Nest gelegt, so dass dort bald niemand mehr ihm seine Filme finanzieren wollte.

Der Traum von der Entdeckung eines Regie-Genies ist trotzdem nicht totzukriegen, und im Moment wird er in der amerikanischen Filmindustrie öfter geträumt als je zuvor.

Denn Hollywood ist in der Kostenkrise: Die Publikumszahlen bleiben zwar stabil, im letzten Jahr gab es sogar eine geringe Steigerung - aber bei steigenden Budgets und explodierenden Marketing-Etats reicht das nicht. Also muss ein Gegenmittel her, und im Moment gelten junge Nachwuchsfilmemacher als das Wundermittel.

Beim Branchenblatt Variety hat man nachgezählt, wer neu ist im Filmgeschäft und kam insgesamt auf 15 Regiedebüts bei den Filmen, die diesen Sommer im US-Kino angelaufen sind - das ist ein Drittel mehr, als vor ein paar Jahren.

Irgendeine Form von Erfahrung, als Drehbuchautor oder in der Werbung, muss natürlich jeder haben, bevor er einen zweistelligen Millionenbetrag für einen Film ausgeben darf.

Aber weder Zack Snyder, Regisseur von "Dawn of the Dead", noch Rawson Marshall Thurber, Regisseur der Ben-Stiller-Komödie "Voll auf die Nüsse" gemacht hat, haben vorher je einen Film gedreht.

Wir können nur willig

Dazu kommen eine ganze Reihe von Zweitversuchen: der Franzose Pitof beispielsweise, der "Catwoman" gemacht hat, oder John Lee Hancock, dessen "The Alamo" im April in den USA lief. Ein weiterer Franzose, Yann Samuell, dessen Film "Jeux d'enfants" gerade bei uns angelaufen ist, hat aus den USA achtzig Angebote bekommen - und wird im nächsten Jahr seinen zweiten Film wirklich dort drehen.

Die Studios wollen fresh faces, junge Regisseure, die ihnen das Kino neu erfinden - der Gedanke, das unabhängige Kino zu vereinnahmen und seinen Einfallsreichtum und seine Flexibilität mit knappen Budgets für den Mainstream zu nutzen. Die junge Generation gilt aber nicht nur, wie in jeder Branche, einfach als kreativ - sie bietet den Studios einen Weg aus der permanenten Kostenexplosion, der wirklich funktionieren könnte.

Die bisherigen Versuche haben die Durchschnittskosten nicht senken können. Die Wunder der digitalen Nachbearbeitung haben neue Möglichkeiten eröffnet - aber billiger sind sie nicht.

Und es wird zwar zunehmend außerhalb der USA gedreht, um die US-Gewerkschaften zu umgehen, in Australien oder Europa - wie etwa bei den neuen "Star Wars"-Episoden, "Der letzte Samurai" oder "Troja". Aber dennoch kostet ein Hollywood-Film inzwischen, statistisch gesehen, knapp hundert Millionen Dollar.

Junge Regisseure sind nicht so verwöhnt, vielleicht auch nicht immer so mutig, einen ganzen Drehtag ins Warten aufs richtige Licht zu investieren. Engagiert werden sie von den Studios in der Hoffnung, weniger Geld auszugeben - und sich im Zweifelsfall vom Studio mehr in die Arbeit hineinreden zu lassen als jemand, der schon fünf Blockbuster gemacht hat.

Und sie bekommen niedrigere Gagen. Das von der Regisseursgewerkschaft DGA ausgehandelte Minimum beträgt 168000 Dollar pro Film.

Das klingt vielleicht nach viel Geld, muss dann aber für zwei Jahre Arbeit reichen. Und nur mal zum Vergleich: Peter Jackson hat für die "Herr der Ringe"-Trilogie immerhin 3,3 Millionen pro Film gekostet - und kann inzwischen 20 Millionen pro Film verlangen.

Im Prinzip ist es immer eine gute Nachricht, wenn junge Regisseure eine Chance bekommen - und das galt schon so im früheren Studiosystem. Neu ist, dass man ihnen nun gleich Budgets in der Höhe des Staatsetats eines Drittweltlandes zur Verfügung stellt und dabei hofft, dass sie trotzdem ein paar Millionen sparen.

Bei einigen Filmen der letzten Monate wäre es freilich dann doch billiger gewesen, einen teuren Regie-Star zu engagieren: Pitofs "Catwoman" war ein Flop. "The Alamo" von John Lee Hancock soll fast hundert Millionen gekostet haben und hat nur ein Viertel davon eingebracht. "The Alamo" sollte eigentlich ein Riesenprojekt werden für Erfolgsregisseur Ron Howard ("A Beautiful Mind") - dann aber wurde die Produktion verkleinert, man wollte Kosten sparen, Howard sprang ab, der Grünschnabel Hancock wurde engagiert.

Den Studios kommen die "savvy veterans" abhanden, beklagt ein Produzent in Variety, die alten Hasen, auf die man sich verlassen kann.

Das liegt nicht nur daran, dass diese und ihre Wünsche zu teuer sind - sondern vor allem auch daran, dass sich das ganze System verändert hat. Im alten Studiosystem standen Regisseure unter Vertrag - und wenn der Studioboss fand, einer sei der richtige Mann für den Job, war Widerrede kaum möglich.

Heute gilt für die Regisseure dasselbe wie für die Stars: Die Gagen sind explodiert bei denen, die erfolgreich sind. Aber während Schauspieler auch dann noch im Rampenlicht stehen wollen, wenn sie das nicht mehr wegen des Geldes tun müssten, basteln Regisseure lieber jahrelang an den Filmen, die sie immer schon machen wollten.

James Cameron, mit "Terminator"-Filmen und "Aliens" ein zuverlässiger Erfolgsregisseur, muss seit "Titanic" nicht mehr arbeiten gehen. Von den 1, 8 Milliarden, die "Titanic" weltweit eingespielt hat, sollen 115 Millionen an ihn gegangen sein.

Seither macht er nur noch Dokumentarfilme, beispielsweise über den Untergang der Bismarck im Zweiten Weltkrieg.

Also wird der Studiobetrieb immer mehr zum Durchlauferhitzer, Karrieren enden, bevor sie richtig begonnen haben.

Es wurden eine Reihe von hoffnungsvollen Debütanten in den letzten Monaten auf die Reservebank zurückgeschickt: Marco Schnabel sollte die Komödie "Kicking and Screaming" drehen, wurde aber durch den Dylan-Sohn Jesse ersetzt, der mit "American Wedding" schon einen Kassenhit gemacht hat; Noam Murro, ein Wunderkind aus der Werbung, sollte "Ring 2" inszenieren, wurde aber wegen "kreativer Differenzen" gefeuert, wobei er Gerüchten zufolge auf Wunsch von Star Naomi Watts gehen musste.

Am weitesten ist Ted Griffin gekommen, der allerdings auch die meiste Hollywood-Erfahrung hat - als Autor: er hat das Drehbuch zu Soderberghs "Ocean's Eleven" geschrieben und an dem Buch zu Ridley Scotts "Matchstick Men" mitgearbeitet.

Für Soderberghs bei Warner Brothers angesiedelte Produktionsfirma hat er im August mit den Dreharbeiten zu einem bislang namenlosen Film begonnen, in dem Jennifer Aniston eine junge Frau spielt, die herausfindet, dass ihre Großmutter das Vorbild ist für die Mrs. Robinson aus der "Reifeprüfung".

Nach acht Drehtagen hat ihn Soderbergh gefeuert. In der vergangenen Woche gingen die Dreharbeiten weiter, es wurde flugs der Veteran Rob Reiner, "Harry und Sally" engagiert.

Während der Dreharbeiten gefeuert zu werden ist die größte vorstellbare Schande - weil es, aus finanziellen Erwägungen, fast nie passiert.

Es gibt auch ein paar Erfolgsgeschichten, im Horrorgenre beispielsweise.

Bei den Remakes "Dawn of the Dead" von Zack Synder und "Texas Chainsaw Massacre" von Marcus Nispel hat aber jugendlicher Übermut sicherlich eine größere Rolle gespielt als Geschmacksfragen und Feingefühl. Die Komödie "Voll auf die Nüsse" hat die finanziellen Erwartungen sogar weit übertroffen.

All diese Filme waren aber eher billig für Hollywood-Verhältnisse.

Am Ende ist es vielleicht nicht nur gut fürs Geschäft, wenn man klein anfängt - es ist auch die Art von Karriere, die besser zu verkraften ist. "Ich habe", hat Orson Welles gesagt, als er Hollywood schon den Rücken gekehrt hatte, "ganz oben angefangen und mich dann heruntergearbeitet."

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: