"Jürgen" von Heinz Strunk:Wenn der Loser-Voyeurismus nur noch vulgär wirkt

SZ-Magazin

Zurück zu alten Stoffen: Heinz Strunk.

(Foto: Axel Martens)

"Der Goldene Handschuh" war ein wirklich gutes Buch. Heinz Strunks neues Werk "Jürgen" ist es nicht. Ein Roman als schamloses Recycling.

Buchkritik von Till Briegleb

Kann es etwas anderes als ökonomische Zwänge geben, dass dieser Roman überhaupt erschienen ist? Die schnelle Rückkehr des Heinz Strunk zu den Pickelfressen ohne Schlag bei Frauen, deren Ausgehkultur sich auf Imbissbuden beschränkt und deren Sprache die Klugscheißerei ist? Nachdem Strunk vor einem Jahr mit "Der Goldene Handschuh" ein wirklich gutes Buch über den Frauenmörder Fritz Honka veröffentlicht hat, - ein Buch, in dem er mitfühlend und mit echtem Interesse für das Milieu verrohter Alkoholiker beschrieb, wie in den Siebzigern auf dem Kiez von St. Pauli das Gefühl der Wertlosigkeit in kranke Machtfantasien und serielle Gewalt umschlug, - kehrt er nun zurück zu dem Sujet, mit dem er berühmt wurde: dem frotzelnden Blick auf seine eigene missglückte Jugend und Vergangenheit.

Dreizehn Jahre nach der autobiografischen Befreiung von seinen Jugendtraumata in "Fleisch ist mein Gemüse" tritt Heinz Strunk mit "Jürgen" in das Stadium des schamlosen Recyclings ein. Die Geschichte von Jürgen Dose und Bernd Würmer, die Experten im theoretischen Kennenlernen von Frauen sind, allerdings ohne jeden praktischen Erfolg, ist eine literarische Wertstofftonne für die Reste alter Werke. Wieder lebt der Ich-Erzähler mit seiner kranken Mutter in einer Hamburger Stadtrand-Wohnung wie bei Strunks Roman-Debüt und wieder ist er Chronist des eigenen limitierten Selbstbewusstseins. Wieder sind die Schauplätze der ironischen Beschreibung von zwei "armen Willis" Jugendzimmer und Wohlfühlwinkel mit fettigem Essen, nur dass die ewig Pubertierenden diesmal über dreißig sind. Und als wäre das der Wiederholung noch nicht genug, kopiert Strunk ganze Passagen aus seiner Hörspielplatte "Trittschall im Kriechkeller" von 2005 ins neue Buch.

Der Loser-Voyeurismus wirkt ziemlich schnell nur vulgär und herablassend.

Aber selbst als Romandebüt eines unbekannten Autors wäre diese zäh sich wiederholende Verwertung von Single-Ratgeber-Texten in Dialogform, mit dem das unattraktive Leben eines Parkhauswächters und eines Telefonakquisiteurs auf 250 Seiten komödiantisch veredelt erscheinen soll, nicht neuerlich durchbruchsfähig.

Traurige Selbstbetrüger mit niedrigster Anziehungskraft bei hohem Herzinfarktrisiko werden nicht dadurch weniger bemitleidenswert, dass man sie als lebende Sprüchesammlung auftreten lässt. Und die Beschreibung von Chauvi-Gockeleien gerupfter Hähne im Kontrast zu den Jahrzehnten des Sehnens, die hinter ihnen liegen, zündet auch weit weniger Witze, als der Autor meint. Stattdessen wirkt der Loser-Voyeurismus ziemlich schnell nur vulgär und herablassend, auch wenn er in der Ich-Form erzählt wird.

Vermutlich ist die Existenz dieses Buchs nur der Befolgung des ziemlich schlechten Ratschlags zu verdanken, dem großen Erfolg des erwachsenen Romans "Der Goldene Handschuh", der nun von Fatih Akin verfilmt wird, schnell etwas Neues hinterherzuschieben. Doch dass aus einem mehrfach aufgewärmten Buchstaben-Fertiggericht aus der Kindskopf-Küche eine Humordelikatesse werden könnte, das war in etwa so realistisch wie die Versprechung eines Ratgebers in Liebesdingen, dass auch lahme Parkhauswächter unwiderstehlich sein können.

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