Wahlprogramm "Team Todenhöfer":Stammtisch für Abstinenzler

Team Todenhoefer Party Presents Policy Program

Auf Rachefeldzug? Jürgen Todenhöfer.

(Foto: Sean Gallup/Getty Images)

Wehe dem, der sich "Team Todenhöfer" in den Weg stellt. Zur Sprache des Wahlprogramms.

Gastbeitrag von Hans Hütt

Auch Texte haben eine Herkunftsgeschichte. Sie sind verwoben in Quellen und in Ausdrucksformen. Ihr Satzbau kann kompliziert oder raffiniert einfach gestrickt sein. Auf der Suche nach Mustern für den suggestiven Ton könnte man etwa auf einen berühmten Roman des französischen Autors Louis-Ferdinand Céline stoßen, der mit seinen Satzkaskaden zu einer "emotiven Metro" gefunden hatte, die im Untergrund vorwärts jagt und sich notfalls aus autosuggestiver Kraft, wo die Gleise enden, weiter durch das Gelände fräst. Célines Roman "Reise ans Ende der Nacht" ist ein Textmuster, an das der Tonfall des "Teams Todenhöfer" erinnert. Es gibt drei weitere, die man wohl erst suchen muss, aber man kann auch in Unkenntnis etwas adaptieren. Zum einen wäre das Loriots Bundestagsrede, dann "Die Rede" des Schweizer Autors Franz Hohler und schließlich Kurt Tucholskys "Rede eines älteren, aber leicht besoffenen Herrn". Die Hauptsache ist, dass der Text vorwärts jagt, und wenn sich ihm etwas in den Weg stellt (Logik, Sinn oder Vernunft), solche Hindernisse einfach umgangen werden.

Team Todi, so kann man die in Kauf genommene Koseform der neuen Formation abkürzen, fackelt nicht lange mit seinen Absichten. Die Menschheit, soweit sie in den derzeitigen Grenzen Deutschlands lebt, soll beglückt werden, dafür muss anderes weichen und zwar rambazamba.

Mehr zur Person

Hans Hütt, geboren 1953, ist Essayist und Redenschreiber. Zuletzt erschien von ihm im Dudenverlag sein Buch "Wilde Jahre, kühne Träume. Sprache im Wandel der Zeit". In loser Folge betrachtet Hütt die Sprache der Parteiprogramme zur Bundestagswahl im September.

Wehe dem, wer sich Team Todi in den Weg stellt: "Politik ohne Werte ist ein Nachtflug ohne Kompass"

Der Stil des Wahlprogramms findet eine weitere Nachbarschaft in dem Format von Aschermittwochsreden. In diesem Fall richtet er sich aber an Abstinenzler, die sich nicht sinnlos betrinken wollen, sondern lieber durch Unsinn berauschen lassen. Um sie zu entzücken, wird der Text am besten gebellt. Nur so wird kenntlich, dass hinter dem berauschenden Glücksversprechen eine namenlose Trostlosigkeit verborgen bleibt, die das Leben des Autors des Wahlprogramms überschattet, weil er nicht weniger vorhat, als die ganze Welt zu retten, wenn sie sich denn seinen Vorstellungen fügte. "Wir glauben, dass das Beste noch vor uns liegt. Wir wollen eine kompetentere, fairere, ehrlichere Politik. Wir wollen den Traum von einer besseren Welt realisieren."

So klingt gnadenloser Optimismus. Wehe dem, wer sich Team Todi in den Weg stellt. "Politik ohne Werte ist ein Nachtflug ohne Kompass. Wir werben für eine gewaltfreie, humanitäre Revolution. Eine Revolution der Menschlichkeit und des gesunden Menschenverstands."

Spätestens hier, wenn der gesunde Menschenverstand die Berufungsgrundlage für Team Todi ist, aus dem Weg zu räumen oder einzusperren, wer darüber nicht verfügt, könnte man an eine Feststellung Herbert Wehners erinnern, der über Todenhöfer sagte: "Dieser Mann ist reif für die Nervenheilanstalt." Team Todi hat einen Beinamen: es sei "die Gerechtigkeitspartei". Spräche man das Wort mit dem leise erhalten gebliebenen alemannischen Sound Todenhöfers aus, so hieße sie "die Gerächtigkeitspartei".

Hier vollzieht ein 80-jähriger Mann seine Rache an einer politischen Kultur, die ihn nur als wirren Außenseiter akzeptiert hatte. Wer wollte bestreiten, dass Todenhöfer viel von der Welt gesehen, manche Risiken auf sich genommen, tödliche Gefahren überlebt hat. Er hat einen Stil adaptiert, den man aus der politischen Kultur der arabischen Welt kennt: die umarmende Beleidigung, das Zuprosten, während unter dem Tisch die Knarren entsichert werden.

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