Jürgen Flimm zum 80. Geburtstag:"Willst du mein Käthchen werden?"

Der Theaterregisseur Juergen Flimm am Samstagmorgen 22 06 19 im Dortmunder Konzerthaus nach seiner

Jürgen Flimm leitete als Intendant etwa das Schauspiel Köln, die Salzburger Festspiele und bis 2018 die Staatsoper Unter den Linden

(Foto: Thomas Lohnes/imago images / epd)

Erinnerungen an große Besäufnisse und noch größere Inszenierungen mit dem Theaterregisseur Jürgen Flimm.

Gastbeitrag von Katharina Thalbach

Ich bin ganz schlecht im Anekdoten-Erzählen - im Gegensatz zu Flimm. Jürgen hat einen gigantischen Fundus von Geschichten und ist immer begierig auf neue gewesen. Deswegen haben die Proben bei ihm immer etwas später begonnen. Erst mal warm reden. Was da gequatscht wurde! Und gelacht! Meine Zuneigung zu ihm hat sich bis heute gehalten, seit ich ihn das erste Mal traf. Das wird 1978 gewesen sein, in der Schweiz an Silvester. Wir haben gefeiert, Thomas Brasch, Matthias Langhoff, Jürgen und ich. Es wurde ein großes Besäufnis. Jürgen war gerade zum ersten Mal zum Intendanten ernannt worden, am Schauspiel Köln und das "Käthchen von Heilbronn" sollte die Eröffnungspremiere werden.

Irgendwann fragte er mich, ob ich sein Käthchen werden wolle. Eine Traumrolle, zum ersten Mal Kleist in meinem Leben und Jürgen war mir sympathisch mit seiner rheinischen Frohnatur und seinem Enthusiasmus. Ich sagte Ja und kam in sein Köln. Das Käthchen wurde ein irrer Erfolg für Jürgen, für uns alle. Die herrliche Elisabeth Trissenaar spielte meinen bösen Gegenpart, Michael Rastl den Ritter. Ein großer schöner Mann, aber nicht sehr geschickt, er hat mir einen Zeh und zwei Rippen gebrochen. Ich musste mit verbundenen Augen und barfuß auf einem langen Steg durch den ganzen Zuschauerraum auf die Bühne zum Femegericht laufen. Links und rechts waren die Köpfe, jeder konnte meine nackten Füße bewundern. Wenn Jürgen mir da mal keinen legendären Auftritt ins westdeutsche Theaterleben gebaut hat!

Regisseur Jürgen Flimm in seiner Wohnung in Köln

Regisseur Jürgen Flimm in seiner Wohnung in Köln 1985, wo er am Schauspiel Intendant war.

(Foto: imago/Dieter Bauer)

Im Zuschauerraum stand ein riesiges Schiff, was mich sehr wunderte, denn dieses Kleist-Werk war für mich ein absolutes Binnenstück, Heilbronn liegt doch nicht am Meer. "Das ist die Kritikerfalle", hat Jürgen immer gesagt, da hab ich viel über das Theater im Westen verstanden.

Als ich meine erste eigene Inszenierung am Berliner Schillertheater machte, "Macbeth", da kam Jürgen zu einer Vorstellung. "Mädel, du kannst etwas, das Anfänger selten können: gute Übergänge machen", sagte er danach und machte mir etwas später das Angebot, am Thalia-Theater zu inszenieren, wo er inzwischen Intendant war: Brecht und Strindberg, eine Riesenchance.

Er hat mich auch als Schauspielerin an sein Haus in der Hansestadt geholt - für "Richard III." - und eine großartige Koproduktion realisiert zwischen Hamburg-Wien-Paris: Ich durfte "Mutter Courage" auf Deutsch und Französisch spielen, inszeniert von Jérôme Savary. Das waren für mich alles wunderbare künstlerische Möglichkeiten und tolle Zeiten. Irgendwann haben wir uns aus den Augen verloren. Er wurde der große Zampano an den großen Opern und Theatern und ich bin meine kleinen Wege gegangen.

Theaterstück 'Mord im Orientexpress'

Schauspielerin und Regisseurin Katharina Thalbach, 67, probt in Berlin gerade "Mord im Orientexpress."

(Foto: Bernd von Jutrczenka picture alliance/dpa)

Ich hab das Gefühl, Jürgen ist schon seit 150 Jahren auf der Welt, weil er so viel gemacht und bewegt hat, als Intendant und Regisseur landauf, landab und überall. Zuletzt habe ich ihn 2017 bei der Verabschiedung von Claus Peymann am Berliner Ensemble gesehen. Alt ist er geworden. "Ach Kathi", hat er gesagt und mich ganz süß angelächelt. Ein ehrliches Lächeln. Was wünscht man so jemandem zum 80. Geburtstag? Dass er 100 wird? Ach Jürgen, die Hauptsache ist eine gute Prostata.

Protokoll: Christiane Lutz

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