Süddeutsche Zeitung

Kulturpolitik:Christoph Stölzl ans Jüdische Museum Berlin berufen

Nach dem Rücktritt des Direktors Peter Schäfer soll nun der altgediente Museumsmann Stölzl als "Vertrauensperson" helfen.

Von Lothar Müller

Es ist nicht selten, dass in einer Krisensituation, wie sie im Jüdischen Museum Berlin nach dem Rücktritt des Direktors Peter Schäfer eingetreten ist, ein "elder statesman" zu Hilfe gerufen wird. Zu diesem Typus gehört, dass er auf wichtige Ämter zurückblickt, aber selbst nicht mehr um sie konkurriert. Der Stiftungsrat des Museums hat unter dem Vorsitz der Kulturstaatsministerin Monika Grütters mit Christoph Stölzl einen idealen Vertreter dieses Typus als "Vertrauensperson" benannt, die auf den vielen Baustellen des Museums ehrenamtlich tätig werden soll.

Der Auftrag, der damit verbunden ist, war leicht an der Art und Weise zu erkennen, in der die Staatsministerin die "wissenschaftliche und persönliche Integrität" des zurückgetretenen Direktors würdigte, ihm bescheinigte, "mehr richtig als falsch" gemacht zu haben, und explizit die Ausstellung "Welcome to Jerusalem" verteidigte, der Schäfers Kritiker vorgeworfen hatten, sie vernachlässige über Gebühr die jüdische Perspektive auf die Stadt. Mit dem Gründungsdirektor Michael Blumenthal teilt der Historiker Christoph Stölzl die Erfahrung in politischen Intrigen, zugleich ist er, anders als Peter Schäfer, der als Judaist von internationalem Renommée sein Amt antrat, ein ausgewiesener Museumsmann.

Es ist kein Zufall, dass die nun gefundene "Vertrauensperson" nicht einer der jüdischen Gemeinden oder Organisationen in Deutschland entstammt. Unübersehbar ist im Konflikt um Peter Schäfer, für den viele Wissenschaftlerkollegen und auch Museumsdirektoren öffentliche Erklärungen abgaben, hervorgetreten, wie scharf international wie national über Elementarbegriffe wie "Antisemitismus", "Antizionismus" und die programmatische Dimension des "Jüdischen" im Begriff "Jüdisches Museum Berlin" und die Versuche der Einflussnahme auf das Museum durch die israelische Regierung gestritten wird. Die "Vertrauensperson" wird etwas von einem Schlichter haben müssen.

Bis zum Antritt eines neuen Direktors oder einer neuen Direktorin übernimmt satzungsgemäß der geschäftsführende Direktor Martin Michaelis die Leitung des Museums. Eine vom Stiftungsrat eingesetzte Findungskommission soll bis Sommer 2020 die Nachfolge regeln. Der Kommission gehören neben der Kulturstaatsministerin Klaus Lederer an, Kultursenator und Vertreter des Landes Berlin, Michael Blumenthal, Raphael Gross, der Präsident des Deutschen Historischen Museums, Josef Schuster, der Präsident des Zentralrates der Juden, die Journalistin und Buchhändlerin Rachel Salamander sowie Eckart Köhne, Präsident des Deutschen Museumsbundes, und Stephan Steinlein, Chef des Bundespräsidialamtes.

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SZ vom 26.06.2019/luch
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