Süddeutsche Zeitung

Streit um Jüdisches Museum:Kulturinstitutionen vertragen keine Einmischung

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Im Streit um den Rücktritt des Direktor des Jüdischen Museum Berlin, geht es um die Unabhängigkeit der Institution. Denn ein Haus, das sich nichts traut, ist tot.

Kommentar von Kia Vahland

Wozu sind in einer Demokratie Museen da, die sich mit historischen, kulturellen, religiösen Themen beschäftigen? Nicht dafür jedenfalls, diese oder jene Botschaft zu verkünden, und sei sie noch so gut und vernünftig. Museen sollen den Blick weiten, verschiedene Perspektiven eröffnen, Hintergründe erklären, welche sich den im Tagesgeschehen verhafteten Zeitgenossen ansonsten nicht gleich erschließen.

Um diese Offenheit und Unabhängigkeit fürchten die etwa 60 Vertreter von Museen, die sich nun hinter Peter Schäfer, den zurückgetretenen Chef des Jüdischen Museums in Berlin stellen. Zuvor unterstützten ihn führende jüdische Gelehrte, die an die Freiheit der Wissenschaft erinnern. Der Judaist in Berlin war unter Druck geraten, erst wegen einer Jerusalem-Ausstellung, die Israels Regierung missfiel, dann wegen eines unklar formulierten Tweets, der auf Kritik an der Anti-BDS-Entscheidung des Bundestages hinwies.

Niemand sollte Museumsdirektoren im Vorfeld maßregeln

Den israelfeindlichen BDS scharf abzulehnen, ist eine Sache, einem Museum Selbstzensur nahezulegen, eine andere. Wenn der Vorsitzende des Zentralrates der Juden warnt, das Haus sei "außer Kontrolle", geht das zu weit. Und wenn einige israelische Zeitungen dem Museum absprechen, sich noch "jüdisch" nennen zu können, ist das ein unnötiger Frontalangriff. Die Themenwahl und das Veranstaltungsprogramm der Institution liegen bei den Kuratoren; sie zu kritisieren, ist Sache des öffentlichen Diskurses. Niemand aber sollte Museumsdirektoren im Vorfeld kontrollieren und maßregeln.

In der Vergangenheit hat Kulturstaatsministerin Monika Grütters das Jüdische Museum gegen Einmischung von außen verteidigt, etwa als der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu sich über die Jerusalem-Ausstellung beschwerte, die verschiedene Bewohnergruppen in den Blick nahm. Dies hat nichts mit den deutsch-israelischen Beziehungen zu tun, nicht einmal damit, wie die Kulturstaatsministerin selbst die Ausstellung gefunden haben mag. Es geht schlicht um das Prinzip, dass Träger von Kulturinstitutionen - und das Jüdische Museum wird zu großen Teilen vom Bund getragen - sich heraushalten sollten aus der inhaltlichen Arbeit ihrer Wissenschaftler, Kuratoren und Direktoren. Denn ein Museum, das sich nichts traut, ist ein totes Haus.

Deswegen ist es nun entscheidend, dass Grütters bei dieser Haltung bleibt und ein künftiges Leitungsteam des Jüdischen Museums ermutigt, dem eigenen Themengespür zu folgen, unterschiedliche Gruppen ins Gespräch zu bringen, Fragen zu stellen statt alle Antworten immer schon zu wissen. Das Museum braucht kundige, sachorientierte Ausstellungen und Themenabende, die das Publikum anziehen, bilden, überraschen. Das ist Linie genug.

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