Jüdische Kulturtage:Antimärchen

Sondervorführung in München: Natalie Portmans Amos-Oz-Verfilmung

Von Eva-Elisabeth Fischer

Den elegischen Ton dieses Films gibt das Buch vor. Die Regisseurin und Drehbuchautorin findet kongeniale Bilder dazu. Das ist die in Jerusalem geborene Neta-Lee Hershlag, besser bekannt als Natalie Portman. Sie wählte für ihr Regie-Debüt den Lebensroman des ebenfalls aus Jerusalem stammenden Amos Klausner, der sich mit 15 Jahren bei seinem Umzug in den Kibbuz Amos Oz nannte und unter diesem Namen als Schriftsteller ebenso berühmt wurde wie Portman als Filmstar. Als Oz im Jahr 2001 "Eine Geschichte von Liebe und Finsternis" vollendete, war er 62. Knapp vor Schluss des 764-seitigen Romans schreibt er: "Achtunddreißig Jahre war meine Mutter bei ihrem Tod. In meinem heutigen Alter könnte ich schon ihr Vater sein."

Diesen Satz stellt Natalie Portman an den Anfang ihres Films. Es spricht ihn der Schauspieler Alex Peleg als alter, heute 77-jähriger Amos Oz, vor dessen innerem Auge die eigene Kindheit in Rückblenden vorüberzieht - gefilmt buchstäblich aus der Perspektive des Kindes, von unten. Anders als der Schriftsteller wirkt Peleg so, als sei ihm alle Lebensfreude abhanden gekommen. Er erzählt die Antimärchen zu ganz und gar nicht unbeschwerten Zeiten in einem angeblich gelobten Land.

Es ist ein kluger Schachzug Portmans, aus diesem ausschweifenden Erzählstrom, der die Familiensaga mit einem Stück Zeitgeschichte Israels verquickt, zwei wesentliche Motive herauszuschälen. Zum einen den Freitod der Mutter, der dem damals Zwölfjährigen Amos eine unheilbare Wunde schlug. Und in der Parallelhandlung, die sich auf die Geburtsstunde des Staates und die desillusionierenden Folgen konzentriert - auch auf einstmals hoffnungsfrohe Einwanderer wie die Klausners. Den Jubel aus Anlass des knappen Ja der UN-Vollversammlung zur Staatsgründung anno 1947 inszeniert Portman als markerschütternden Angstschrei des Vaters der Familie. Er hört sich an wie ein böses Omen, das sich ein Jahr später im Unabhängigkeitskrieg erfüllt. Da färbt ein Schuss auf die Nachbarin das Laken, das sie gerade aufhängt, rot, und ein Junge fällt, tödlich getroffen, vom Fahrrad. Die Realität hält Einzug in die Kellerwohnung der Klausners in Kerem Avraham, dem abgeschotteten Viertel der russischen Juden, die, belastet von den tausendfachen Toden durch die Schoah, physisch und kulturell Äonen entfernt waren vom Ideal des allenthalben propagierten neuen Juden.

Dort entgleitet Fania allmählich dem Leben. Natalie Portman spielt sie selbst, diese Frau, dies sich in ihren Migränen und Depressionen verliert, wovor sie auch der Sohn nicht retten kann. Dort wächst in Amos Klausner der Schriftsteller Amos Oz heran, lebenslang infiziert mit der Liebe zur Sprache und zum Erzählen durch die etymologischen Ausführungen seines Vaters und die verschlungenen Märchen seiner entrückten Mutter.

Der herzzerreißende, bildersatte Film ist einer Sondervorführung zur Eröffnung der Jüdischen Kulturtage zu sehen. Gast beim anschließenden Gespräch ist Fania Oz-Salzberger, die Tochter des Schriftstellers.

Jüdische Kulturtage: Hauptrolle für die Filmemacherin: Natalie Portman als Fania, Amos Oz' Mutter, die an der desillusionierenden Realität in ihrer neuen Heimat zerbricht.

Hauptrolle für die Filmemacherin: Natalie Portman als Fania, Amos Oz' Mutter, die an der desillusionierenden Realität in ihrer neuen Heimat zerbricht.

(Foto: Koch Films)

Eine Geschichte von Liebe und Finsternis, OmU, Donnerstag, 8. September, 20.45 Uhr, Filmtheater Sendlinger Tor, Sendlinger-Tor-Platz 11, 55 46 36

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