Jude Law, 37, gehört zu den Top-Schauspielern der Filmbranche. Im Kino stratet in Kürze das Werk "Sherlock Holmes" mit ihm in der Hauptrolle. Wir dokumentieren Auszüge aus einem Intervew im Wochenend-Teil der "Süddeutschen Zeitung".
SZ: Was sehen Sie, wenn Sie diesen Mann betrachten, der alt und gebückt im Dunkeln sitzt, die Hände zum Gebet gefaltet?
Law: Ich denke, es wird interessant, alt zu werden. Es birgt eine Menge Möglichkeiten.
SZ: Was man weiß: Menschen, die verheiratet sind, leben länger, wenn auch nicht bekannt ist, mit wie viel Begeisterung. Außerdem ist es wichtig, immer ein Ziel vor Augen zu haben. Behauptet der Gerontologe Robert Butler.
Law: Ich mache es andersherum, ich versuche, nicht zu viel zu planen. Und: Es ist wichtig, so sehr man im Augenblick versinken möchte, diesen Augenblick im nächsten Moment ziehen zu lassen. Ich versuche seit vielen Jahren, so hart ich kann, im Hier und Jetzt zu leben, und zerbreche mir so wenig wie möglich den Kopf über die Vergangenheit oder die Zukunft.
SZ: In dem Film "Der talentierte Mr. Ripley" ermordet der Titelheld seinen reichen Freund, den Sie damals spielten. Ripley handelte aus Habgier und Neid. Man könnte aber auch sagen: Weil er Angst vor einer banalen Zukunft hatte.
Law: So oder so, für mich hält die Zukunft nichts Beängstigendes bereit. Im Gegenteil, ich freue mich fast darauf. Aber ich versuche immer, mir keine Vorstellung von mir in einem bestimmten Zustand oder an einem bestimmten Ort zu machen. Eine Sache allerdings sollte man betreiben, und das wäre, fit zu bleiben.
SZ: Wie langweilig und vernünftig. Und Sie gehörten mal zur glamourösen Londoner Primrose-Hill-Szene rund um Kate Moss, berühmt für Liebschaften, Partys, auch Drogenmissbrauch . . .
Law: Langweilig? Finde ich gar nicht. Das heißt ja nicht, dass man sein Leben nicht genießen darf. Dann sage ich es eben so platt: Es geht um die Balance.
SZ: Wie wäre es mit dem anderen Ansatz: mit den schlechten Gewohnheiten wieder anzufangen, sobald man richtig alt ist?
Law: Einverstanden. Aber so weit muss man erst mal kommen. Ich hoffe doch, dass das hohe Alter eine Zeit der Reflexion sein wird, wie bei Murillos Mönch. Es steckt eine Menge Nachdenklichkeit in diesem Bild; er sieht sich dieses kleine Kruzifix an, hat all dieses Wissen angesammelt. Ich denke, das ist ganz essentiell für ein gutes Leben und ein gesundes hohes Alter: So viel wie möglich an Wissen angesammelt zu haben.
SZ: Komisch, dass bei solch rosigen Aussichten kein Mensch alt werden will...
Law: Nochmal: Ich habe keine Angst davor.
SZ: Der Tod eines Stars kommt noch früher als der eines Normalsterblichen: Zu dem Zeitpunkt, wenn er nicht mehr gefragt ist. Werden Sie es es mit Gleichmut ertragen, wenn Sie es irgendwann nicht mehr auf den Titel eines Magazins schaffen?
Law: Die Zeit, wenn man auf einmal auf der Bildfläche erscheint, das neue Gesicht ist, und wenn sich alles um einen dreht - diese Zeit hatte ich damals mit Mitte 20.
SZ: Ein Riesenspaß?
Law: Nein, ich fand sie ziemlich hart.
SZ: So schlimm? Hart sogar, ja?
Law: Mein Ziel war immer, als guter Schauspieler anerkannt zu werden, nur hat das damals einfach niemanden interessiert, weil die Gesellschaft sich nur für das äußere Erscheinungsbild erwärmen wollte. Und dass man von dieser Gesellschaft für sein Aussehen verehrt und gefeiert wird, anstatt für das, was man tut - das ist ihr großer Makel.
SZ: Sie gehen auf die Vierzig zu. Ist das ein kritisches Hollywood-Herzensbrecher-Alter?
Law: Sie meinen wegen der Versessenheit der Leute auf Jugend? Im Ernst, wenn ich mich jetzt umschaue, und endlich andere das Parkett betreten, fühle ich große Erleichterung. Ich liebe meine Vierziger jetzt schon. Leute wie Robert Pattinson müssen nun den Adonis spielen. Für mich war das immer eine Fessel, eine Beschränkung.
SZ: Sehen Sie sich Tizians Adonis an. Er ist sterblich - und Venus, seine Geliebte, nicht.
Law: Und überhaupt sterben Männer eher als Frauen.
SZ: Mönche dagegen haben fast dieselbe Lebenserwartung wie Nonnen, nach der sogenannten Klosterstudie jedenfalls. Wären Sie manchmal lieber eine Frau?
Law: Auf keinen Fall. Vor allem nicht in meinem Beruf. Schauspielerin zu sein, ist das Schlimmste, was es gibt.
SZ: Aber was, wenn sich im Alter keine Weisheit einstellen mag, und auch die Lust abnimmt, noch etwas zu riskieren?
Law: Das wäre bitter. Ich versuche, Risiken nicht aus dem Weg zu gehen, auch wenn sie mir Angst machen. Aber ich fühle mich lebendig, wenn ich Angst habe.
SZ: Weil es noch eine Grenze zu überschreiten gibt. Warum brauchen wir zum Lebendigfühlen dieses Gefühl von stetiger Herausforderung und neuen Aufgaben?
Law: Die Frage ist doch eher, warum wachsen wir als Menschheit nicht wirklich daran? Dabei befinden wir uns gerade in einer sehr interessanten Zeit in der Geschichte der Menschheit, jedenfalls im Westen.
SZ: Wenn der Tod also in Wahrheit nicht so schlimm ist: Was ist schlimm am Alter?
Law: Inkontinenz ist demütigend.
SZ: Und was ist wirklich toll?
Law: Dass man ein Nickerchen halten kann, wann man will. Und dass man endlich sagen kann, was man wirklich möchte.
Lesen Sie mehr über Jude Laws Eitelkeiten und seinen aktuellen Film "Sherlock Holmes" in der SZ am Wochenende (23./24.01.2010).
David Jude Law wurde am 29. Dezember 1972 in London geboren. Der Sohn eines Lehrerehepaars stand bereits mit zwölf Jahren auf der Bühne, verließ mit 17 Jahren die Schule, um bei einer TV-Soap mitzuspielen. Seine Rolle als Dickie Greenleaf in Anthony Minghellas "Der talentierte Mr. Ripley" brachte ihm 1999 eine Oscar-Nominierung als bester Nebendarsteller ein. 2004 folgte eine Nominierung als bester Hauptdarsteller für "Unterwegs nach Cold Mountain". Obwohl ihm das englische Publikum nach einer Affäre mit der Nanny seiner Kinder kurzfristig die Liebe entzog, zählt Jude Law heute zu den bestbezahlten Schauspielern der Welt. Mit der englischen Designerin Sadie Frost hat er drei Kinder, im letzten Jahr wurde er nach einer kurzen Affäre mit einem Model erneut Vater einer Tochter. Sein neuer Film "Sherlock Holmes" startet am 28. Januar.