Klaus Doldinger wird am 12. Mai achtzig Jahre alt. Da gibt es viel zu erzählen. Aus seiner Zeit als Jazz-Botschafter fürs Goethe-Institut, über seinen Aufstieg zum Star mit seiner Band Passport, über seine Kompositionen für Filme wie "Das Boot" und "Die unendliche Geschichte", seine Titelmelodie für den "Tatort". Mit Passport hat er jetzt rechtzeitig zu seinen Jubiläumskonzerten und der großen Deutschlandtour ein Album aufgenommen, das einfach "Doldinger" (Warner Music) heißt und für das sie live in seinem Studio in Icking noch mal Musik aus all den Jahren gespielt haben. Statt einem Interview - einfach mal das Album mit ihm durchhören. Und weil das fast chronologisch aufgebaut ist, passt das auch gut.
How it Started
Kurz nach Kriegsende waren wir in Bayern in Schrobenhausen bei einem Onkel. Da habe ich den Jazz kennengelernt. Im Gasthof hat eine Jazz-Combo von GIs geprobt - unglaublich! Als Kind war ich hingerissen. Ich konnte einfach nicht glauben, dass es so eine Art von Musik gibt oder Musiker, die so einen Spaß haben, zu spielen. Ich kannte Musik ja nur aus dem Zirkus. Und aus dem Volksempfänger. Aber dieser Swing, dass da eine Spannung aufgebaut wird, die auch eine Lebensfreude weckt, das kannte ich nicht. Dann sind wir von Schrobenhausen nach Düsseldorf. Da war ich von Ende 1945 bis 1968. Da gab es einen so genannten "Hot Club", im Hinterraum eines Musikgeschäfts, das es auch heute noch gibt: Musikhaus Jörgensen. Dort traf man sich alle zwei Wochen, um gemeinsam Schallplatten zu hören, denn damals konnte man nur ab und zu mal auf dem Schwarzmarkt eine Jazz-Platte erstehen.
Im "Hot Club" traf ich auch meine ersten Mitspieler wie Jürgen Buchholtz, mit dem ich dann 1953 die Dixieband The Feetwarmers gründete. Oder den Pianisten Ingfried Hoffmann, mit dem ich Ende der Fünfzigerjahre auch das Klaus Doldinger Quartett gegründet habe. Düsseldorf war eine Art Jazz-Zentrum. Dort lernte ich auch meine Frau kennen. Die verdiente als Fotomodell so viel, dass wir ganz gut leben konnten. Das war schon ein krasser Widerspruch zu den Bedingungen, unter denen ich aufgewachsen bin. Mein Vater war Postmeister. Wir lebten in einem Postamt in der ersten Etage. Am Anfang wohnten in der Dienstwohnung vier Familien. Man kann sich das heute gar nicht mehr vorstellen. Auf der gleichen Etage war eine Kantine, unten war der Schalterbetrieb.
Abracadabra
In dem Stück habe ich meine Erfahrungen mit der afrikanischen Musik verarbeitet. Durch das Goethe-Institut und das Auswärtige Amt haben wir schon in den Sechzigerjahren in Nordafrika gespielt, in Nahost, Fernost, Indien, Pakistan, Afghanistan, Kabul. Wir haben bei diesen Gelegenheiten immer versucht, mit einheimischen Musikern zu spielen und das gleich umzusetzen, haben Halbtonschritte gespielt, die es im Jazz und Blues gar nicht gibt. Solche Reisen sind heute nicht mehr denkbar. Gerade die Nahost-Erfahrungen - wir haben ja auch in Syrien gespielt, Damaskus, Aleppo. Wenn ich heute die Nachrichten sehe und höre, was die Menschen dort durchmachen müssen, Menschen, die wir als ganz normale Bürger kennen gelernt haben, macht mich das richtig schwermütig.
Jungle Song
Dass ich dem Dschungel irgendwann mal ein Lied widmen würde, war klar. Im Amazonas-Gebiet bin ich richtig im Dschungel versackt. All die Naturgeräusche - da kommt man auf ganz eigene Ideen. Das war auf der ersten Südamerika-Tour. Wir waren aber nicht nur in Brasilien, sondern auch in Ecuador, Argentinien, Kolumbien. Aber Brasilien hat mich am meisten angesprochen. Diese Schwermut in den Melodien. Ich habe da auch mit vielen musiziert. Mit Astrud Gilberto zum Beispiel.
Happy Landing
Überhaupt, mit wem alles man auf diesen Touren spielen konnte! Mit Max Roach und Abbey Lincoln zum Beispiel, die damals die "Freedom Suite" aufgenommen haben. Max Roach haben wir auf der ersten USA-Tour in Chicago in einem Club gehört. Er hat uns dann alle eingeladen, und am nächsten Morgen haben wir unseren Flug verpasst, weil wir uns so besoffen hatten. Als wir mit der nächsten Maschine in New York ankamen, fiel uns unser Produzent um den Hals und sagte, Kinder, dass ihr das überlebt habt! Es hatte am 16. Dezember 1960 einen Flugzeugabsturz über Brooklyn gegeben. Das wäre unsere Maschine gewesen.
Green Lagoon
Ich habe Sidney Bechet verehrt, der hat Sopransaxofon gespielt. Ich habe mir als Schüler in den Ferien im Fernmeldeamt Geld zusammenverdient, um mein erstes Sopransaxofon einem Zirkusclown abzukaufen, der das Ding loswerden wollte. Das erste richtig gute Sopran-Saxofon konnte ich mir überhaupt erst 1959 leisten. Damals spielten wir in Paris und sind zur Firma Selmer. Das habe ich heute noch.
Soul Town
Das habe ich mit Motherhood aufgenommen, der Band, die ich 1968 in München gegründet habe. Das war eher Soul, Rhythm and Blues. München hatte in Schwabing eine lebendige Jazz-Szene, die mir gut gefallen hat, alle waren so locker. 1968 war ja in mancher Beziehung eine Umbruchzeit. Es kam das Angebot von Atlantic Records, und daraus wurde dann Passport. Damals hatte ich einen Bus, in dem saß Udo Lindenberg immer auf dem Beifahrersitz und nuckelte an seinem Kirsch-Fläschchen, wir fuhren nach Prag, und er erzählte. Das war eine schöne, fast studentenmäßige Zeit.
Inner City Blues
Alte Marvin Gaye-Nummer. Die wollte Max Mutzke singen. Ich kannte das natürlich. Zwischen 1965 und 1970 habe ich elf Platten als Paul Nero aufgenommen - richtige Unterhaltungsmusik. Wir haben sogar mal eine Platte mit Westernmusik eingespielt. Das war alles sehr erfolgreich. Mir hat das aber auch Spaß gemacht. Ich habe auf diese Weise die Popmusik besser studieren können.
Ovation
Die Rhythmusgruppe spielt ja gerne Up-Tempo. Dieses Tempo ist heute nicht mehr angesagt, ist jetzt ja alles Mid-Tempo. Ich habe aber nie konzeptionell gedacht.
Will-O' The-Wisp
Das ist eines der typischen Stücke mit Curt Cress und Wolfgang Schmid. Was der Curt macht - das kann so kein anderer. Schlagzeuger haben mich immer besonders beeindruckt und dann auch meine Musik bestimmt - Kenny Clarke, Max Roach, Udo Lindenberg, Curt Cress.
Jadoo
Das war der Titelsong für irgendein Fernseh-Event bei RTL. Es gab immer den einen oder anderen Kritiker, der die Nase gerümpft hat über kommerzielle Projekte. Ich hatte damit eigentlich nie ein Problem. Mich hat das immer inspiriert, etwas zu komponieren, das die Leute aufhorchen lassen muss. Ich war als Werbekomponist auch immer gefragt - für die Seife "Fa" zum Beispiel. Oder "Persil".
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New Moon
Sasha haben wir öfters auf Konzerten begleitet. Ich mag den Soul in seiner Stimme. Durch meine Tätigkeit bei der GEMA hatte ich immer viel mit den Schlager-Leuten zu tun. Und vieles bringt einen dann auch auf anderer Wellenlänge zusammen.
Das muss nicht immer Bebop sein. Der Name war eine Erfindung von Michael Ende für "Die unendliche Geschichte". Zur Filmmusik kam ich eher zufällig. Klaus Lemke war der erste, 1967 mit seinem "Negresco"-Film. Über Peter Berling, der zur "Fassbinder-Family" gehörte, mit dem ich dann auch unweigerlich zu tun hatte, habe ich Volker Schlöndorff kennen gelernt. Für den habe ich wahnsinnig gerne gearbeitet. Und für Margarethe von Trotta, Hans Geißendörfer - das war Ende der Sechzigerjahre eine Szene für sich. Aber es waren trotz allem auch immer wieder Zufälligkeiten, warum wir zusammenkamen. Mit Wolfgang Petersen, zum Beispiel. Der war damals schon am herausragendsten. Aber seine Weltkarriere nach "Das Boot" war natürlich nicht absehbar, klar.
St. James Infirmary
Das ist eine Komposition aus New-Orleans, die mich immer schon bewegt hat. Da gibt es berühmte Aufnahmen von Louis Armstrong und so. Ein Achttaktiges Stück, simpler geht es kaum.
Helge Schneider hat das jetzt an der Hammondorgel ganz neu aufleben lassen.
Der Greis ist heiß
Das war eine Idee vom Udo Lindenberg. Der hat angerufen und gesagt, lass uns das machen. Ich habe mir das dann mal angehört. Und na klar, er wird 70, ich werde 80. Das passt doch irgendwie.