Süddeutsche Zeitung

Klage von Kameramann Jost Vacano:Bizarre Wendung im Rechtsstreit um "Das Boot"

Bavaria Film und Eurovideo erklären die gerichtliche Auseinandersetzung für beendet. Stimmt aber nicht, sagt der Kläger und Kameramann Jost Vacano.

Von Tobias Kniebe

Es klang wie das Ende einer langen und bitteren Fehde, als die Bavaria Film am Dienstagvormittag gemeinsam mit der Eurovideo Medien eine Pressemitteilung verschickte. Die Unternehmen, hieß es darin im Stakkatostil, "beenden gerichtliche Auseinandersetzung mit Jost Vacano zu ,Das Boot'". Sie hätten sich verpflichtet, "den von Jost Vacano vor dem Oberlandesgericht München im Zusammenhang mit der Produktion ,Das Boot' (1981) geltend gemachten Forderungen nachzukommen", teilten die Firmen mit. Sie seien bereit, Vacano eine zusätzliche Vergütung zu bezahlen: Etwa 270 000 Euro zuzüglich Zinsen und Umsatzsteuer die Bavaria, etwa 192 000 Euro zuzüglich Zinsen und Umsatzsteuer die Eurovideo. Medien berichten daraufhin weltweit, auch die SZ.

Bizarr allerdings, dass nach eigener Aussage weder der Kläger Jost Vacano noch sein Anwalt einer Beendigung des Verfahrens zugestimmt hatten. Beide versichern, dass es auch kein Angebot über die Zahlung der genannten Summen gab, das an eine außergerichtliche Einigung oder an eine einvernehmliche Beendigung des Verfahrens geknüpft worden sei.

Worum handelt es sich also juristisch gesehen? "Wir rätseln noch immer", sagt Anwalt Nikolaus Reber, der Vacano seit 14 Jahren in dem langwierigen Prozess vertritt. Das Gericht müsse jetzt entscheiden, ob das Schreiben etwa als Anerkenntnis der Beklagten zu werten sei. Von dem frohgemut verkündeten Ende der "gerichtlichen Auseinandersetzung" kann jedenfalls keine Rede sein. Kein Beklagter kann ein Verfahren einseitig für beendet erklären - beenden kann es ein rechtskräftiges Urteil oder eben ein Kläger, der seine Klage zurückzieht. Dazu hat Vacano, wie er der SZ versichert, nicht die geringste Absicht.

In einer anderen Klage will die Drehbuchautorin Anika Decker mehr Geld für ihre Zusammenarbeit mit Til Schweiger

Die Fehde geht also weiter. Was aber erhoffen die Bavaria Film und Eurovideo Medien sich von einer derartigen Irreführung? Das bleibt unklar, von beiden Firmen war dazu bislang kein Statement zu bekommen.

Das Oberlandesgericht München, an dem der Prozess nach einem Schlenker zum Bundesgerichtshof wieder gelandet ist, wird also weiter verhandeln müssen. Eine nächste Anhörung ist für Oktober geplant. Es kann sein, dass Vacano am Ende die jetzt genannten Summen zugesprochen werden, es könnte aber auch noch deutlich mehr werden. Das Geld ist für den berühmten Kameramann, der nach dem "Boot" mit Filmen wie "Robocop" und "Total Recall" in Hollywood Karriere machte, auch längst nicht mehr die Hauptmotivation. "Ich habe jetzt so viel Zeit und Kraft in diesem Prozess investiert, da geht es um grundsätzliche Dinge", sagt Vacano. "Also möchte ich am Schluss auch ein Urteil haben." Falls das Geld jetzt schon an ihn überwiesen würde, betrachtet er es "einfach als Anzahlung".

In den Rechtsstreit, der seit 2008 vor verschiedenen deutschen Gerichten ausgetragen wird, war auch die ARD involviert, die bereits letzten Juli mit Vacano zu einer Einigung kam. Zuletzt war das Oberlandesgericht München der Argumentation Vacanos gefolgt, sein ursprüngliches Honorar von nur 100 000 Euro sei angesichts des Welterfolgs, den die Bavaria mit dem "Boot" erzielte, viel zu niedrig gewesen, eine Nachhonorierung überfällig. Der Film erregte 1981 auch in Hollywood großes Aufsehen und ist bis heute in Fernsehwiederholungen und DVD-Auswertungen präsent.

"Die freiwillige Beendigung der juristischen Auseinandersetzung erfolgt in Anerkennung der einmaligen Leistungen von Jost Vacano bei der Produktion", schrieben Bavaria und Eurovideo in ihrer Mitteilung vom Dienstag, was ein bisschen wie Hohn klingt, wenn diese Anerkennung juristisch erzwungen werden musste, der Prozess unfreiwillig weitergeht und der Anerkannte nicht einmal mit im Boot ist. Hier könnte der Wunsch erkennbar sein, ein rechtskräftiges Urteil auf jeden Fall zu vermeiden. Beide Unternehmen fürchten, einen Präzedenzfall für Nachhonorierungen zu schaffen, durch den in Zukunft zahlreiche Festpreisverträge von Filmschaffenden neu verhandelt werden müssen.

Danach sieht es jetzt auch aus. In dem Grundsatzurteil des Bundesgerichtshofs, das Vacano im Jahr 2020 erstritten hat, spielte der sogenannte "Fairnessparagraf" des Urheberrechtsgesetzes von 2002 eine große Rolle, der Kreativen eine angemessene Beteiligung am Erfolg zusichert, wenn ihre Vergütung in einem "auffälligen Missverhältnis" zum Erlös eines Films steht. Ein weiterer Prozess, in dem es um ein viel zu geringes Honorar geht, wird derzeit zwischen dem Produzenten, Regisseur und Hauptdarsteller Til Schweiger und seiner Autorin Anika Decker um die Filme "Keinohrhasen" und "Zweiohrküken" ausgetragen. Auch hier folgte ein Berliner Gericht zuletzt Deckers Forderung, sie brauche Einsicht in die Gewinne des Films wegen möglicher Nachforderungen.

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