Josh Homme im Interview:"Das kann's noch nicht gewesen sein"

Joshua Michael _Josh_ Homme

Die aktuelle Popmusik verströme den Geruch der Verzweiflung, sagt Josh Homme; im Bild bei der Eröffnung der Ausstellung 'American Valhalla: The Art of Post Pop Depression' 2016 in Berlin.

(Foto: picture alliance / dpa)

Josh Homme hat Iggy Pop zu einem großen Alterswerk verholfen und einen Film darüber gedreht. Ein Gespräch über das Ende - von Touren, dem Leben und der Rockmusik.

Interview von Julian Dörr

Wie er da so sitzt, dieser mächtige, rothaarige Mann auf dem kleinen sanftblauen Sofa seines Hotelzimmers. Die schweren Stiefel wippen auf der Tischkante. Die Zigarette schwebt über dem zum Aschenbecher zweckentfremdeten Wasserglas. Josh Homme trägt einen Hauch amerikanische Wildromantik in dieses sehr ordentliche, sehr saubere Zimmer. Eine Romantik, die ja vor allem von der Abwesenheit der Zivilisation lebt. Josh Homme ist in einer kleinen Stadt in der südkalifornischen Wüste aufgewachsen, dort ist auch seine Band, die Queens of the Stone Age, entstanden, eine der wichtigsten Rockbands der vergangenen anderthalb Jahrzehnte. Und auch mit Iggy Pop war Josh Homme in der Wüste, im Studio in Joshua Tree in der kalifornischen Mojave Wüste, um dort 2015 dessen Altershauptwerk "Post Pop Depression" aufzunehmen. Über diese Sessions hat er einen Film gedreht. "American Valhalla" heißt der - die amerikanische Version des nordischen Jenseitsortes. Höchste Zeit also für ein Gespräch über die Endlichkeit.

SZ: Mr. Homme, Sie sind in der kalifornischen Stadt Palm Desert in Riverside County aufgewachsen, geographisch besteht die Region fast ausschließlich aus Wüste. Was sagen Sie denen, die ihnen mit Wüstenromantik kommen?

Josh Homme: Nun ja, das ist schon in Ordnung. Es gibt eine natürliche Romantik für etwas, das eigentlich so fremd, so lebensfeindlich ist. Für mich ist die Wüste aber einfach Heimat. Ich fühle mich dort sicher.

Vor ein paar Jahren haben Sie auch die Arctic Monkeys mit ins Studio in der Mojave Wüste genommen und so eine der besten jungen britischen Gitarrenbands in eine exzellente amerikanische Gitarrenband verwandelt. War daran auch die Wüste schuld?

Die Wahrheit ist, dass sie damals Demo-Aufnahmen hatten, die eigentlich schon sehr danach klangen. Das musste man nur noch aufnehmen.

Das Album, das sie mit Iggy Pop aufgenommen haben, heißt "Post-Pop-Depression. Was ist das eigentlich - und ist man auch in der Wüste nicht vor ihr sicher?

Tja, die hat wohl eher etwas mit dem Alter zu tun, fürchte ich. Früher kannte ich sie nicht. Ich habe immer daran geglaubt, dass ich etwas schaffe, das vorher nicht da gewesen ist. Ich glaubte zwar nicht, das Rad neu zu erfinden, war aber überzeugt davon, dass meins sehr gut rollt. Heute fühlt sich das Songschreiben eher an wie Bergbau. Ich muss mich sehr anstrengen und irrsinnig tief graben, um etwas zu Tage zu fördern. Es wäre schön, wenn es anders wäre. Das ist es aber leider nicht.

Das klingt wie eine Bestandsaufnahme der Rockmusik der Gegenwart.

Oder der Musik im Allgemeinen. Die Musikindustrie ist in Aufruhr. Es herrschen Angst und Panik. Aber der richtige Moment, um in Panik zu verfallen, ist - nie! Weil es nichts hilft. Es ist heute wichtiger denn je, man selbst zu sein. All dieses andere zusammengebaute Zeug in der Popmusik, hier ein Rap-Part, da dieser Part, da jener - daraus strömt doch der Geruch der Verzweiflung.

Aber finden Sie nicht auch, dass die wirklich innovative Popmusik heute nicht mehr aus dem Rock kommt, sondern in Hip-Hop und R'n'B entsteht?

Hm, Genres sind was für Leute, die im Plattenladen arbeiten.

Naja, kommen Sie, Rock hatte doch wirklich schon einmal bessere Zeiten, oder nicht?

Ich verstehe ja den Drang, danach zu fragen. Aber ich teile eben schon die Prämisse nicht, die vom Geschäft her gedacht ist. Der Kategorisierungswahn hat letztlich doch nur dazu geführt, dass viele Künstler sich in eine Marke, eine Brand, verwandeln mussten. Weil sie etwas verkaufen oder weil sie ihren Lebensstil erhalten wollen. Dabei gerät die Musik und ihre Kraft zwangsläufig aus dem Blick. Wenn ich von einer Brand rede, dann meine ich das heiße Eisen, mit dem ich dir ein Brandzeichen einbrenne. Das ist die einzige Marke, die mich interessiert.

Viele Interviews mit Ihnen enden damit, dass Sie von Ihrem Schwanengesang erzählen oder dem Wunsch, die Bühne mit einem großen Knall zu verlassen. Denken Sie oft an das Ende?

Als ich ein kleiner Junge war, bin ich fast gestorben. Seitdem denke ich: Ich werde nicht warten. Wenn ich ein Problem mit jemandem habe, dann spreche ich es an. Wenn ich eine Idee habe, dann gehe ich ihr nach. Weil: Das ist es. Sie sitzen jetzt hier mit mir. Ihr ganzes Leben ist auf diesen Moment zugelaufen. Wie werden Sie ihn nutzen? Was werden Sie sagen? Ich glaube an das Jetzt. Ich will das Jetzt erleben, weil es mehr nicht gibt. Und es könnte jede Sekunde vorbei sein.

Der intensivste Moment der Doku ist diese Szene nach dem Konzert in der Londoner Royal Albert Hall, in der Sie realisieren, dass Ihre gemeinsame Zeit mit Iggy und der Band bald vorbei sein wird.

Ich war alleine mit Dre (Anm. d. Red.: Andreas Neumann, der Co-Regisseur) in meiner Umkleidekabine. Später konnte ich mich nicht mehr daran erinnern, mit ihm geredet zu haben. So etwas ist mir noch nie zuvor in meinem Leben passiert. Es war so krass. Ich wusste, dass es vorbei ist. Und dann dachte ich mir: Das kann's noch nicht sein. Es war doch gerade noch da? Ich bin schon ein paar Mal fast gestorben. Diese Momente waren... Alles erscheint dir so normal, wenn es da ist. Und dann willst du nur noch zurück. Und du kannst nicht. Du kannst einfach nicht. Weil es so nicht läuft.

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