Süddeutsche Zeitung

Jonathan Meese in Bayreuth:Ein Hakenkreuz hätte noch Platz

Jonathan Meese wirft gerne mit Nazisymbolik um sich. Er tut das, um aufzufallen. Sein Engagement bei den Bayreuther Festspielen könnte in diesem Sinn der ganz große Auftritt werden - für ihn und die an Medienpräsenz nicht uninteressierte Familie Wagner.

Catrin Lorch

Die Provokation zeichnete sich einmal dadurch aus, dass sie unerwartet in die Realität einbrach. Mit einer Plötzlichkeit da war, als Geste, Symbol oder Satz, dem die Empörung lange kaum hinterherzukommen vermochte. Von dieser Qualität sind die Provokationen, um die es hier geht, nicht: Wer die Arbeit des Künstlers Jonathan Meese seit seinen ersten Auftritten vor anderthalb Jahrzehnten verfolgte, war selten überrascht.

Schon sein Auftritt im Frankfurter Kunstverein 1999 sockelte sich selbst auf einem Geröll auf, drumherum rankten Symbole und Runen; es wäre vielmehr unerwartet gewesen, hätte er nicht auch Vokabeln wie Erzschurke, Hitler oder Wagner platziert. Dass einer wie dieser schmale Junge irgendwann in Bayreuth den "Parsifal" auf die Bühne bringen wird - hier schien es schon angelegt zu sein.

Denn - so viel zur kunsthistorischen Einbettung - die Nazi-Ästhetik lieferte der Nachkriegskunst ihre Erfolgsmotive. Schon die Generation von Anselm Kiefer und Markus Lüpertz hat sie als Alleinstellungsmerkmal von Kunst made in Germany etablieren können. Vor allem auf dem internationalen Markt, der nach den triefdüsteren Bildern und Symbolen giert, die ihm da - möglichst unzerkaut - vorgesetzt werden. Wenn das Dritte Reich diesen noch einmal später Geborenen etwas hinterlassen hat, dann das Recht, sich als Erbe zu gebärden - als kritische Aufarbeitung, klar.

Bayreuth könnte in diesem Sinn der ganz große Auftritt werden. Die Medien fragen jetzt, ob es nicht ungerecht sei, dass ein Starsänger wegen eines Swastika-Tattoos gehen musste, wenn man Meese engagiert, und ob es Hakenkreuze geben wird. "Jetzt warten Sie doch erst mal ab", pariert Katharina Wagner, was aber nicht nur beruhigend klingen soll. Eigentlich sagt sie ja: Das werden vier tolle Jahre, ein Abonnement auf Medienpräsenz, wo immer jemand ein Hakenkreuz im Werk des Nachwuchs-Regisseurs zu erkennen vermag.

Runenschrift vor Wagners Büste

Und das Beste ist, dass man gar nicht abzuwarten braucht. Einerseits, weil dieses Œuvre seit Jahren immer nur die gleichen "Erz"-Vorsilben und "Diktatur"-Versatzstücke variiert. Andererseits, weil Meese sofort loslegt und auf seiner Internet-Seite (www.jonathanmeese.com) ein Motiv fürs Plakat oder Programmheft eingestellt hat, für das er runenschriftgerahmt vor Wagners Büste posiert.

Da wäre durchaus noch für ein Hakenkreuz Platz - das Foto darunter, es entstand bei einem "Öffentlichen Propaganda Gespräch" auf Einladung des Magazins Spiegel - zeigt denn auch, wie der Künstler zwischen zwei Moderatoren sitzend den rechten Arm zum Hitlergruß reckt. Ja, das kann man erwarten, dass das dann auch in Bayreuth geschieht. Aber sicher ist auch: Dieses medienverliebte Werk führt sich immer so auf, dass Interviews noch gedruckt, Ausstellungen nicht geschlossen und Performances nicht etwa polizeilich beendet werden, sondern sich vor Kameras, Sammlern und Kritikern provozierend entfalten. Auf Johnny Meese ist Verlass, er wird Bayreuth beliefern.

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Quelle:
SZ vom 11.08.2012/feko
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