Zum Tod von John Singleton:Einer, der das Alltagsamerika der schwarzen Jugend beleuchtete

John Singleton 2008 in Los Angeles

Das Kino sei sein "rite of passage", sagte John Singleton, sein Übergangsritus.

(Foto: AP)

Mit seinem Debütfilm "Boyz N the Hood" prägte John Singleton das amerikanische Kino der Neunzigerjahre - und bereitete den Weg für das New Black Cinema.

Nachruf von David Steinitz

Bei der Oscarverleihung 1992 konkurrierten Kinogiganten unter sich. In der Kategorie Beste Regie wurde Ridley Scott nominiert für "Thelma & Louise", Oliver Stone für "JFK - Tatort Dallas", Barry Levinson für sein Gangsterdrama "Bugsy" und Jonathan Demme für "Das Schweigen der Lämmer" - was für ein Jahrgang.

Zu diesen vier versierten Hollywoodveteranen hatte sich ein junger Filmhochschulabsolvent erfolgreich geschmuggelt, der gerade erst die Uni abgeschlossen und sein Spielfilmdebüt "Boyz N the Hood - Jungs im Viertel" gedreht hatte.

John Singleton war mit nur 24 Jahren der jüngste jemals bei den Oscars nominierte Regisseur. Vor allem aber war er - 1992! - der erste Afroamerikaner, der für die Beste Regie nominiert wurde.

Gewonnen hat schließlich zwar Jonathan Demme für "Das Schweigen der Lämmer". Aber der Einfluss, den Singleton mit "Boyz N the Hood" über eine Jugend im gefährlichen L.A.-Stadtviertel South Central auf das amerikanische Kino der Neunzigerjahre haben würde, sollte wesentlich größer sein.

Von der Uni weg zur Künstleragentur CAA

Singleton wurde 1968 in Los Angeles geboren, er wuchs abwechselnd beim Vater, einem Hypothekenmakler, und bei der Mutter, einer Industriekauffrau, auf. Nachdem er 1986 die Highschool abgeschlossen hatte, wurde er ins Drehbuchseminar der University of Southern California aufgenommen, eine der wichtigsten Filmhochschulen des Landes. Noch während des Studiums gewann er so viele Preise an der Uni, dass die Creative Artists Agency ihn unter Vertrag nahm, bevor es jemand anderes tun konnte. Die CAA gehört zu den "Big Four" der größten amerikanischen Künstleragenturen.

Und so kam es, dass Singleton bereits mit Anfang 20 ein Skript an Columbia Pictures verkaufen konnte und die Studiobosse dem Newcomer so sehr vertrauten, dass sie ihn gleich auch noch Regie führen ließen.

Das Endergebnis war einerseits ein typischer Debütfilm, weil Singleton darin eine nur sanft fiktionalisierte Version seiner eigenen Jugend erzählte. Andererseits zeigte "Boyz N the Hood" ein Alltagsamerika, das im Hollywoodkino bislang so gut wie totgeschwiegen worden war - das der schwarzen Jugend in den Hexenkesseln der Großstädte.

Singleton drehte nicht im Studio sondern nur an Originalschauplätzen. Das hatte er sich von seinen großen Vorbildern im europäischen Autorenkino, Vittorio De Sica und François Truffaut, abgeschaut, um der Geschichte Authentizität zu verleihen. Außerdem besetzte er mit Cuba Gooding Jr. und Ice Cube zwei der künftigen Stars des New Black Cinema. Zu dessen prägendsten Figuren wurde Singleton bald auch selbst. Seinen Ruf als Starregisseur bekräftigte er mit "Poetic Justice" (1993, mit Janet Jackson in der Hauptrolle) und "Higher Learning - Die Rebellen" (1995).

Diese Power wollten sich viele Produzenten auch fürs Blockbusterkino zunutze machen, weshalb Singleton in den Nullerjahren ein paar Budgetstufen nach oben versetzt wurde. Mit Samuel L. Jackson drehte er 2000 ein Remake von "Shaft", der Ikone des Blaxploitation-Kinos der Siebziger, und mit Mark Wahlberg den Thriller "Vier Brüder" (2005).

Was für ein geschicktes Gespür für Montage und Timing er in diesen Actionfilmen hatte, zeigte sich auch 2011 in "Abduction - Atemlos", wo man ihm den "Twilight"-Schauspieler Taylor Lautner aufs Auge gedrückt hatte. Singleton brachte das Kunststück fertig, einen ausgezeichneten Actionfilm um seinen miserablen Hauptdarsteller herum zu inszenieren, ohne dass es dem Zuschauer allzu negativ auffiel.

Das Kino, sagte er gerne, sei sein "rite of passage", sein Übergangsritus. Am 17. April erlitt er einen Schlaganfall und wurde in einem Krankenhaus in Los Angeles behandelt. Einige Tage später entschloss sich die Familie, die lebenserhaltenden Maßnahmen zu beenden. Am Montag ist John Singleton im Alter von 51 Jahren gestorben.

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