John Malkovich in Wien:Verführerische Distanz

Hollywoodstar John Malkovich steht mit "The Infernal Comedy" als Frauenmörder Jack Unterweger auf der Bühne. Ein Gespräch über Bosheit und Rosenkohl.

Susan Vahabzadeh

Wenn man hört, dass John Malkovich in Wien als Frauenmörder Jack Unterweger auf der Bühne stehen wird, klingt das nach einer naheliegenden Besetzung. In der Rolle des gefährlichen Verführers war er immer schon grandios. Und ein wenig schimmert sein Valmont aus den "Gefährlichen Liebschaften" durch, die Rolle, die ihn berühmt machte, wenn er bei der Probe im Ronacher in Schlabberjeans und einem zeltartigen Hemd der Sopranistin Aleksandra Zamojska am Hals herumfingert.

John Malkovich in Wien: Being Jack Unterweger: Hollywood-Star John Malkovich spielt in Wien den schreibenden Frauenmörder in "The Infernal "Comedy".

Being Jack Unterweger: Hollywood-Star John Malkovich spielt in Wien den schreibenden Frauenmörder in "The Infernal "Comedy".

(Foto: Screenshot: http://www.theinfernalcomedy.org/)

Michael Sturminger führt Regie und hat den Text geschrieben zum Stück "The Infernal Comedy", in dem Jack Unterweger, der sich 1994 umbrachte, nachdem er wegen neunfachen Mordes verurteilt worden war, aus seinem Leben berichtet. Zwei Sopranistinnen leiden stellvertretend für die Frauen in Unterwegers Leben.

Das Ronacher ist zwar eine Musicalbühne, aber dieses Label würde hier nicht passen. Die Sopranistinnen (Laura Aikin ist die zweite) singen zum Stück passende Arien von Gluck, Mozart und Vivaldi. Und auch Beethovens "Ah, perfido", worin es heißt: "Per lui vivea, voglio morir per lui!" - Ihm hab ich gelebt, für ihn will ich sterben.

Von der Schüchternheit zur kalten Arroganz

Malkovich ist, außerhalb der Rolle, ein ruhiger, fast ein bisschen schüchterner Typ, der von einer Sekunde auf die andere umschalten kann auf die kalte Arroganz, die Unterweger gehabt haben muss. Das Stück wird auf Englisch gespielt, natürlich, aber man kann sich schlecht vorstellen, dass jemand anderes als Malkovich aus Unterwegers gruseligem Dasein erzählt, wie er, als Literat und Journalist zu Prominenz und Wohlstand gekommen, die Wiener Schickeria narrte: "And there is a murdered hooker lying naked, face in the mud, somewhere in the Vienna woods, strangled with her own bra. "

Er trägt das mit einem leichten deutschem Akzent vor - und das ist eben die absolute Besonderheit von John Malkovich: dass er es fast beiläufig tut, ohne merklichen Aufwand. Obwohl man nicht mal sagen kann, dass er wirklich spielt, rieselt es einem doch eiskalt den Rücken herunter. Improvisation sagt er, sei für ihn enorm wichtig.

"Ich kann mich sowieso höchstens erinnern, was ich gestern Abend gegessen habe", scherzt er. Aber im Ernst: "Ich würde mich nicht für ein Stück engagieren, in dem kein Raum für Improvisation ist. Ein gutes Stück ist, obwohl der Text immer derselbe ist, jeden Abend anders. Wenn ein Text nicht lebt, erinnert er auch das Publikum nicht ans Leben."

Am Mittwochabend ist Premiere, bis Sonntag wird Malkovich im Ronacher spielen. Danach gibt es Gastspiele in Spanien, Frankreich und definitiv auch in Deutschland, obgleich Malkovich seine Bühnenauftritte immer auf seine Termine in Hollywood abstimmen muss. Was ihn lockte, obwohl er für fünf Drehtage in Los Angeles natürlich viel, viel mehr Geld bekommen würde?

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Die lebende und die tote Kunst

Die Musik, das Stück, diese seltsame Geschichte vom schreibenden Mörder, dem die Intellektuellen in den Achtzigern eine zweite Chance erstritten - Unterweger bedankte sich mit einer Serie von Prostituiertenmorden. "Ich habe ihn im Fernsehen gesehen", erinnert sich Malkovich kopfschüttelnd, "und was Unterweger da sagte, war offensichtlich eine Lüge, dabei hat er nicht mal eine Sprache gesprochen, die ich verstehe. Das fand ich spannend, dass Leute tatsächlich auf ihn hereingefallen sind. "

Keine falsche Sympathie für seine Figur also. Es gehe halt um eine Art von Story, die das Publikum liebt: "Wir interessieren uns für Geschichten von Erlösung und Rehabilitierung. Unsere Psyche braucht diese Hoffnung, dass man eine Schuld tilgen kann", sagt Malkovich. "Wir wollen das glauben, aus demselben Grund, aus dem manche Leute glauben wollen, O. J. Simpson sei unschuldig."

Frauen standen auf Unterweger, aber warum? Faszination des Grauens? "Helfersyndrom", bietet Malkovich an. "Er sah gut aus, und manche Menschen lieben die Gefahr. Es gibt ja auch Leute, die sagen, dass sie sich im Krieg ungeheuer lebendig gefühlt haben."

Being John Malkovich

John Malkovich, 1953 geboren, seit 1976 Mitglied des Steppenwolf Theatre in Chicago, ist kein Method Actor, der sich in seine Rollen hineinsteigert bis zur Verwechslung. Die Distanz, die er zu Unterweger hat, ist charakteristisch für ihn. Er verschwindet nicht hinter seinen Rollen, und er gehört nicht zu den Leuten, die keine Persönlichkeit mehr haben, wenn sie einem gegenüber sitzen. Bei Malkovich hat man den Eindruck, dass er ganz genau weiß, wer er ist - und es sich deshalb leisten kann, uneitel mit den Achseln zu zucken, wenn er erzählen soll, wie das war, als er Charlie Kaufmans Script zu "Being John Malkovich" auf den Tisch bekam.

Ein kluger Typ sei dieser Kaufman, und wenn er bereit gewesen wäre, Malkovich durch jemand anderen zu ersetzen, hätte er den Film gern produziert. Aber Kaufman bestand darauf, dass Teile des Films im Kopf von John Malkovich spielen. Einem John Malkovich, mit dem, der gerade vor einem sitzt, sich absolut nicht als identisch empfindet. Ob er sich beim Theater wohler fühlt als in Hollywood?

Bühnenschauspieler und Filmstar, sagt Malkovich, sind zwei unterschiedliche Berufe. "Das eine ist eine lebende Kunst und das andere ist eine tote . . . Die Bühne lebt, und das Kino spiegelt vor, es lebte. Was nicht heißt, dass ich das eine dem anderen vorziehe, es hat nur wenig miteinander zu tun."

Es ist schon klar, warum Malkovich der Versuchung nicht widerstehen kann, mit Musikstücken auf der Bühne herumzuexperimentieren: Er ist für alles Neue zu haben. Und er findet, er sei in einem Stadium seines Lebens angekommen, in dem es Zeit sei für klassische Musik - mit der er sich nicht obwohl, sondern weil es sie zu Hause gab, nie befasst hat. "Das war sozusagen die musikalische Entsprechung von Rosenkohl".

Der Fall Unterweger hat ihn von Anfang an interessiert, er wollte sogar selbst einen Film über ihn machen - aus dem nichts wurde: "Aber eine europäische Geschichte, die man auf Deutsch drehen müsste, zu finanzieren, kann eben sehr schwer sein. Und dann gab es auch noch einen ähnlichen Fall in den USA, Jack Abbott. Der war übrigens, im Gegensatz zu Jack Unterweger, ein richtig guter Autor."

Da ist sie wieder, diese charmante ironische Distanz zu Jack Unterweger. Schauspielkunst ist, wenn sie sich auf der Bühne verliert, als hätte es sie nie gegeben.

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