John Cleese zum 70.:Dumm gelaufen

Möge er seine Scheidung noch lange abbezahlen und so das Publikum mit seiner albernen Gangart beglücken müssen: Monty Pythons John Cleese ist der lustigste kluge Mann der Welt.

J. Schloemann

Der unbestrittene Meister der albernen Gangarten, der jetzt tatsächlich schon siebzig wird, ist der lustigste kluge Mann und der klügste Komiker der Welt. Doch zuletzt haben englische Kritiker John Cleese vorgeworfen, er zeige im Vergleich zu früher im Alter eine Tendenz zur Überakademisierung. Und warum?

John Cleese zum 70.: John Cleese in "Monty Python" - als Minister mit der unverwechselbaren Gangart.

John Cleese in "Monty Python" - als Minister mit der unverwechselbaren Gangart.

(Foto: Foto: oH)

Weil er immer wieder in Universitäten auftritt und schlau daherredet; weil er vor altklugen Ratschlägen für junge Leute und Wirtschaftsmanager, ihre Kreativität betreffend, nicht zurückscheut; und weil er angefangen hat, für das ultrakonservative Intelligenzblatt Spectator zu schreiben.

Aber diese Vorwürfe sind völlig daneben. Hatte doch der Komiker John Cleese seine Grundierung schon immer im englischen Akademikerhumor. Sein Sketch-Talent entdeckte er an der Universität Cambridge, wo er in den sechziger Jahren einen Magister der Rechte erwarb, "weil ich in der Verwendung von Wörtern einigermaßen genau bin", wie er selbst stolz sagt.

In dem satirischen Hobbytheater Footlights Dramatic Club in Cambridge fanden sich, in Ermanglung theoretischer und praktischer Theaterwissenschaften, die seltsamsten Begabungen aus unterschiedlichen Fakultäten zusammen. Hier lernte Cleese den Medizinstudenten Graham Chapman, seinen 1989 verstorbenen Ko-Autor, und den Englischstudenten Eric Idle kennen.

Und als John Cleese mit ihnen, einem Amerikaner sowie zwei Oxfordabsolventen bei der BBC "Monty Python's Flying Circus" bildete, entstand daraus - zuerst 1969 bis 1974 im englischen Fernsehen gesendet - ein Welterfolg von brillanten Studentenspäßen.

Deren typische Mischung nämlich aus kopfzersprengender Absurdität einerseits und der genialen Zweckentfremdung von Studieninhalten andererseits hat diese Serie zur Vollendung geführt - und damit gerade in ihrer unübersetzbaren englischen Skurrilität universell genießbar gemacht. So machten marodierende Trupps älterer Damen nordenglische Proletenstraßen mit ihren Handtaschen unsicher, so wurde man in der "Argument Clinic" nach Strich und Faden betrogen, und Hegel und Sokrates trafen sich auf den Fußballplatz.

John Cleese nun, der als Ältester der unerreichten Truppe als erster die Siebzig erreicht, hat in den Sketchen wie in den späteren Monty-Python-Kinofilmen vor allem den spießig-steifen, in seinen Körper und seine Konventionen eingezwängten, aber eben deswegen um Wendigkeit bemühten Engländer verkörpert. Es ist ja ein untilgbares Vorurteil, Engländer seien permanent witzig. In Wahrheit aber, und dafür steht besonders John Cleese, speist sich der beste englische Humor gerade aus den humorlosen Seiten der Engländer.

Aus diesem Kontrast haben Cleeses kleinere Autoritätspersonen ihre komischen Effekte erzielt - der Privatschul-Sexualkundelehrer im "Sinn des Lebens" ("Did we do vaginal juices last week?"), der unerschütterliche Kolonialkriegsoffizier, der Zenturio der römischen Besatzungsmacht im "Leben des Brian", der Schönheitschirurg, der "Arzt", der sofort die Leber haben will.

Und nicht zuletzt der Kunde im Käse- und Papageiengeschäft - denn natürlich ist der Kunde in der Handelsnation unbedingt zu den Autoritätspersonen zu zählen, und lustig wird es dadurch, dass der Kunde gerade nicht wie sonst König ist: Der Tod des Papageien muss umständlich reklamiert werden, und das Käsegeschäft im Mutterland der Warenvielfalt führt keine einzige Sorte Käse.

John Cleese wurde als Sohn eines Versicherungsvertreters und einer Akrobatin in Weston-super-Mare (das klingt schon wie eine der Käsesorten, die er im Käsesketch aufzählt) geboren. Aus den kleineren Verhältnissen hier und der Elitenausbildung dort, die er durch ein Begabtenstipendium erlangte, stammt sein untrügliches Sensorium für Klassengesellschaftswitze. Auch als Hotelier in seiner eigenen Serie "Fawlty Towers" (1975/79) karikierte er den Traum vom Aufstieg zu höherer Distinktion.

Spätestens mit seiner eigenen Schöpfung "Ein Fisch namens Wanda" (1988) wurde John Cleese zum Weltstar. Es folgten herrliche Nebenrollen bei James Bond oder Harry Potter - und seine diversen Nebentätigkeiten, teils seinen akademischen Interessen, teils der Geldnot geschuldet. Cleese muss nach seiner dritten Ehe hohe Summen an Unterhalt zahlen, seine jüngste Show hat den Untertitel "How to Finance Your Divorce". Möge er noch lange abbezahlen und so das Publikum mit seiner Klugheit und seiner albernen Gangart beglücken müssen.

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