Der Mann hat unverkennbar Spaß an seinem Job, selbst wenn er nach einem langen Sitzungstag im Senat noch ins Theater muss. Bei der Eröffnung des Theatertreffens im Mai seufzt Joe Chialo schicksalsergeben, als er erfährt, dass die Vorstellung gut vier Stunden dauern wird und dass der Regisseur Ulrich Rasche ziemlich anstrengendes Theater macht. Aber dann wippt er mit dem Oberkörper im Rhythmus der Bühnenmusik und reckt beim Schlussapplaus begeistert die Arme in die Höhe, als wäre er noch in seinem früheren Job als Manager in der Musikindustrie und würde gerade eine seiner Bands feiern. Seit gut einem Jahr ist Chialo Berlins Senator für kulturelle Angelegenheiten, der Herr über einen Etat von rund einer Milliarde Euro und damit zumindest auf dem Papier einer der einflussreichsten Kulturpolitiker des Landes. Es ist das erste politische Amt des Quereinsteigers, und dass er sich mit Popmusik besser auskennt als mit Theater oder Museen und bis vor Kurzem nichts mit den Finessen öffentlicher Haushaltsplanung zu tun hatte, merkt man manchmal immer noch. Aber auch nach 13 Monaten im Amt gelingt es Chialo, sich den Charme des neugierigen und begeisterungsfähigen Quereinsteigers zu bewahren. Es ist schwer, den verbindlichen und offenen Mann nicht sympathisch zu finden. Das muss man als Politiker erst mal schaffen: Wissenslücken nicht zu kaschieren, sondern offen zuzugeben und daraus auch noch Sympathiepunkte zu machen.
Joe Chialo im Porträt:Ganz cool nach oben stolpern
Lesezeit: 6 Min.
Seine Antisemitismusklausel ist krachend gescheitert. Wieso der Berliner Kultursenator Joe Chialo trotzdem der nächste Staatsminister für Kultur werden könnte.
Von Peter Laudenbach
Lesen Sie mehr zum Thema