Jimmy Page zum 70. Geburtstag:Der Prophet und seine Hymnen

Jimmy Page wird 70

Markenzeiche Haarmähne: Die Herren Page (rechts) und Plant im Juni 1995 in Schwalmstadt beim "Rock over Germany"-Festival.

(Foto: dpa)

Wenn schon nicht Gott, dann wenigstens sein Prophet: Mit "Stairway to Heaven" hat Jimmy Page eine dieser allgewaltigen Hymnen geschaffen, die wie Kirchenlieder nie vergehen. Nun wird das Vorbild aller Gitarrenquäler 70.

Von Willi Winkler

Keith Richards, Pete Townshend - wer zu gewissen Zeiten auch nur halbwegs bei Verstand war, konnte dagegen Led Zeppelin einfach nicht leiden. Dafür waren sie zu erfolgreich, zu exhibitionistisch, zu sehr von sich besoffen. Hmdamadamm, macht es, hmdammaadamm, und immer wieder das phallokratische "Whole Lotta Love".

Bubenmusik für die Disco in der Paartal-Alm, wenn es mit den Mädchen leider doch nichts wurde. Barock leider nun nicht mehr, sondern schlimmster Bombasto-Rock. Hinten verprügelte John Bonham sein Schlagzeug, Robert Plant schlenzte seine traumhaften Haare, die sich bis auf die - selbstverständlich - nackte Brust ringelten, und daneben ließ Jimmy Page den feuerfesten Stahl katzenjammern, eine ganze Platte lang und die ganze lange Bubenbier-nacht immer wieder.

Das Evangelium des Blues

Als Rockmusik vor allem aus langen Haaren, endlosen Soli und redlich gefüllten Hosen bestand, waren Led Zeppelin immer die Über-Erfüller. Die Legende weiß, dass Jimmy Page, der sonst vielleicht ein Tate-fähiger Maler geworden wäre, eines Nachts der Leibhaftige in Gestalt des recht weggesoffenen Robert Johnson erschien und ihn mit dem Auftrag in die Welt schickte, dieser das oft traurige und noch öfter begeisternde Evangelium des Blues zu bringen.

Jimmy willfahrte, spielte mit Eric Clapton und Jeff Beck bei den Yardbirds - und sprengte ab 1968 unter dem Namen Led Zeppelin alle Hallen. Die Konkurrenz zu Plant und Bonham ließ Page groß und größer werden: die geschundene Gibson erigierte, und so gab es die Irrsinnsläufe bei "In My Time of Dying", das drogige "Dazed and Confused", das Virtuosentum bei "Heartbreaker", die doppelhalsige "Green-sleeves"-Spiegelung "Stairway to Heaven". Es war ein langgezogenes Potenzgebrüll, oder wie wir Vollversteher heute sagen: Es war ein einziger Schrei nach Liebe.

Zwölf Jahre währte Led Zeppelin, dann spielte Page wieder als teuerster Sessionmusiker für andere, verehrte den Satanisten Aleister Crowley, jammte mit marokkanischen Musikern und fand immer wieder mit seinem Seelenbruder und Lieblingsfeind Robert Plant zusammen. Dass er damit Hunderttausende unschuldige junge Männer zum Gitarrespielen verleitet hat, muss er mit sich abmachen.

Geehrt mit präsidentiellem Kinnrucken

Vor gut einem Jahr wurden die Stammväter der Headbanger und Luftgitarristen im Kennedy-Center mit Fahnenvereinsbändern und präsidentiellem Kinnrucken geehrt. Robert Plant besah sich von der Tribüne aus die Choristinnen, die da unten alle aufgereiht waren, und überlegte, wie er sie trotz seiner vorgerückten Jahre doch noch alle haben könnte.

Bruder Jimmy brauchte das alles schon nicht mehr, sondern nickte staatsmännisch und weise, als die beiden Schwestern von der Band Heart sich andächtig in eben sein Stück hinein- klampften: "Stairway to Heaven". Er hat ja damit eine dieser komplett sinnfreien und allgewaltigen Hymnen geschaffen, die wie Kirchenlieder nie vergehen.

"Stairway to Heaven" beginnt mit einer supersimplen Tonleiter, gefolgt von trügerischem Blockflöten-Gesäusel, gefolgt von einem weltmüden Sänger, der den Himmel offen und natürlich eine Frau erblickt, gefolgt vom schweinerockigsten Solo der Rockmusik, also von Jimmy Page. Und Jimmy Page, das bestätigt ja auch Keith Richards, ist, wenn schon nicht Gott, so doch wenigstens sein Prophet. Nun wird dieser wahnsinnige Klettermaxe siebzig. Lass es jaulen, Jimmy!

Das schweinerockigste Solo der Rockmusik: Wenn Sie "Stairway to Heaven" nicht hören können, melden Sie sich bitte bei Spotify an.

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