Jim Jarmusch im Interview:Alles bestens, mit amerikanischem Gangsterehrenwort

Der amerikanische Regisseur über seinen neuen Film "Coffee and Cigarettes", das Abfackeln New Yorker Bars und was passiert, wenn Bill Murray doch mal eine Verabredung einhält. Interview: Andrian Kreye

Kaffee und Zigaretten, mehr braucht es nicht, um eine Kommunikation zu starten, um zwei Menschen - oder mehr - an einem Tisch miteinander ins Gespräch zu bringen. Seit 18 Jahren untersucht Jim Jarmusch diese Erscheinung in einem Langzeitversuch - einer Serie kleiner Szenen, die er neben seinen Kinofilmen dreht, mit den Schauspielern, die er zur Hand hat, Hollywood- und Rockstars wie Bill Murray, Iggy Pop, Cate Blanchett, Roberto Begnini ... In dem Film "Coffee and Cigarettes", der nächste Woche bei uns anläuft, sind die ersten Ergebnisse des Experiments gesammelt.

Jim Jarmusch im Interview: "Amerikaner lügen einen von vorne bis hinten an. Wenn dir Europäer oder Japaner ihr Wort geben, dann stehen sie dazu", sagt Jim Jarmusch.

"Amerikaner lügen einen von vorne bis hinten an. Wenn dir Europäer oder Japaner ihr Wort geben, dann stehen sie dazu", sagt Jim Jarmusch.

(Foto: Foto: AP)

SZ: So richtig erzählt wird ja wohl nicht in "Coffee and Cigarettes" ... Jim Jarmusch: Nun, meine Lieblingsform ist eben die Variation. Die findet man in so ziemlich allen Werken von Bach, in den Siebdrucken von Warhol, in der Literatur. Im Film ist das eher selten.

SZ: Warum haben Sie angefangen, die Szenen für diesen Film zu sammeln? Jarmusch: 1986 haben mich die Leute der Fernsehsendung "Saturday Night Live" gefragt, ob ich nicht einen Kurzfilm drehen wollte. Er sollte nur fünf Minuten lang und lustig sein. Ich wusste, dass Roberto Begnini in der Stadt sein würde, und da war noch Steven Wright - mit denen habe ich dann die erste Szene gedreht. Mein nächster Spielfilm war "Mystery Train", da waren Steve Buscemi und Cinque Lee mit mir in Memphis, und als Cinques Schwester Joie ihn besucht hat, habe ich schnell was für sie geschrieben. Das nächste Stück habe ich gemacht, als ich mit Tom Waits in Kalifornien ein Video drehte und erfuhr, dass mein Freund Iggy (Pop) in der Gegend sein würde. Und so ging das dann immer weiter.

SZ: Warum unterhalten sich Meg und Jack White von den White Stripes zum Beispiel über eine Tesla-Spule? Jarmusch: Weil ich mich schon lange für die Arbeit von Nikola Tesla interessiere. Jack und Meg kamen bei mir im East Village im Büro vorbei, und als Jack all meine Bücher über Tesla sah, war er sofort begeistert. Wir haben dann ein Video vorbereitet, in dem Jack White Tesla spielen sollte und Philip Seymour Hoffman Thomas Alva Edison. Das wäre allerdings alles viel zu teuer gewesen. (An dieser Stelle hält Jim Jarmusch einen ausführlichen Vortrag über Leben, Werk und Bedeutung des bulgarischen Physikers Nikola Tesla, der im 19. Jahrhundert als Assistent von Edison an Patenten gearbeitet haben soll, die Energie und Kommunikation zum kostenlosen Rohstoff für alle gemacht hätten, und außerdem Methoden für eine gerechte Güterverteilung zwischen den armen und reichen Teilen der Welt entwickelte.)

SZ: In der Antiglobalisierungsbewegung ist Tesla ja inzwischen eine mythische Figur. Jarmusch: Das stimmt, ich treffe mehr und mehr junge Leute, die Tesla kennen. Vor zehn Jahren kannte ihn kein Mensch. Die ganze Antiglobalisierungs- und Protestbewegung stimmt einen sowieso recht optimistisch. Irgendwie ist das der neue Underground. Es ist ja hart genug, in dieser Konzernwelt überhaupt noch einen Underground zu haben. Viel schwerer, als es in den Sechzigern und Siebzigern war. Wie soll man sich in so einer Konzernwelt noch ausdrücken?

SZ: Hier in New York kann man ja nicht mal mehr eine Zigarette zum Kaffee rauchen. Jarmusch: Die wollen eben alles kontrollieren hier. New York war früher so renitent. Wenn man den Leuten hier 1977 erzählt hätte, dass sie in einer Bar nicht rauchen könnten, hätten sie die verdammte Bar abgefackelt. Oder zumindest die Scheiben eingeworfen. Aber heute ist die Stadt eben eine riesengroße Immobilie.

Alles bestens, mit amerikanischem Gangsterehrenwort

SZ: Spielt diese Stadt für Ihre Arbeit noch eine Rolle? Jarmusch: Verstehen Sie mich nicht falsch - ich liebe diese Stadt immer noch. Früher hat mir die Stadt viel Energie gegeben. Aber je älter ich werde, desto mehr kostet sie mich an Energie. Die halbe Zeit lebe ich jetzt in den Catskill Mountains. Dort habe ich mir vor zwölf Jahren ein Häuschen mit etwas Land dabei gekauft. Das ist sehr ruhig und hübsch. Allerdings vermisse ich da oben die Kultur der Straße. Vor allem die schwarze Kultur. Ich bin schon seit den Siebzigern großer HipHop-Fan. Vor allem die Hardcoresachen mag ich, Public Enemy, Gang Starr, den Wu-Tang Clan.

SZ: Wie kam es zu der Szene mit dem Wu-Tang Clan und Bill Murray? Jarmusch: RZA hat die Musik für meinen Film "Ghost Dog" geschrieben, seither sind wir gut befreundet. Und mit Bill hatte ich an einem Projekt gearbeitet, das dann allerdings nichts wurde. Ich habe ihn angerufen und gefragt, ob er was mit RZA und GZA machen würde. Er meinte, klar, mit dem Wu-Tang Clan - sofort. Er hat nicht mal wissen wollen, was wir da machen, ich sollte ihm einfach am Abend vorher eine Nachricht hinterlassen ... Naja, Bill Murray ist eher dafür bekannt, dass er zu Verabredungen überhaupt nicht erscheint. Aber er kam dann wirklich nur eine Viertelstunde zu spät. Die Wu-Tangs waren auch total begeistert. Allerdings kennen Sie ja nur die für den Film montierte Version. Die haben da einfach drauflos gespielt. Das war sehr lustig, aber auch sehr konfus.

SZ: Wieviel in den Szenen im Film ist improvisiert? Jarmusch: Nicht viel. Ich habe meistens nach einem Drehbuch gedreht. Aber ich bin da nicht dogmatisch. Beim Schneiden macht einem der Film sowieso meistens klar, was er braucht und was nicht. Ich lerne da immer noch dazu. Einen Film zu drehen ist ein bisschen, als ob man in einen Steinbruch geht, um einen Marmorklotz zu holen, aus dem man ein Pferd meißeln will. Dann bringt man den Klotz zurück und er sieht gar nicht wie ein Pferd aus, sondern wie ein Elch. Das muss man zulassen. Bei "Mystery Train" hatte ich so eine Aufnahme mit einem Kran, der hat mich 20000 Dollar am Tag gekostet. Aber im Schneideraum hat das einfach nicht mehr zum Film gehört. Das hat richtig wehgetan.

SZ: Wenn Sie für ein großes Studio arbeiten würden, ginge so was nicht durch. Jarmusch: Nein. Das sind Control Freaks. Selbst die kleinen Läden wollen hier inzwischen das Drehbuch genehmigen, bestimmen, wer mitspielt, die Aufnahmen des Tages sehen. Ich lasse mir da nicht dreinreden, sonst würde ich wahrscheinlich aufhören, Filme zu machen.

SZ: Haben Sie die Szenen in "Coffee and Cigarettes" denn selbst finanziert? Jarmusch: Die meisten. Irgendwann habe ich dann eine französische und eine japanische Firma dazu gebracht, die Rechte vorab zu kaufen.

SZ: Sind Europa und Japan die besten Geldquellen für unabhängige Filme? Jarmusch: Das hat sich in den letzten Jahren ziemlich geändert. Ich drehe jetzt zum Beispiel einen Film mit Focus Features. Das ist erst das zweite Mal, dass ich mit amerikanischem Geld arbeite. Ich mag amerikanisches Geld nicht. Amerikaner lügen einen von vorne bis hinten an. Wenn dir Europäer oder Japaner ihr Wort geben, dann stehen sie dazu. Vor allem die Japaner. Wer da nicht zu seinem Wort steht, wird geächtet. Das ist ein Ehrgefühl, das man sonst eher von Gangstern kennt. Hier in Amerika habe ich zu jedem Gangster mehr Vertrauen, als zu einem Anwalt.

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