"JGA - Jasmin. Gina. Anna." im Kino:Frust der Partytiere

Lesezeit: 3 min

Wild entschlossen, Spaß zu haben: Teresa Rizos, Taneshia Abt und Luise Heyer (von links) sind die letzten Unerschrockenen eines Jungesellinnen-Abschieds. (Foto: Leonine Studios)

Das Erwachen beim Jungesellinnen-Abschied auf Ibiza kann ein böses sein: "JGA - Jasmin. Gina. Anna." von Alireza Golafshan.

Von Josef Grübl

Es kann kein Zufall sein, dass ausgerechnet dieser Tage der Exzess seine Renaissance erlebt. Die Menschen haben genug von Covid, Krieg und schlechten Nachrichten, sie wollen wieder ausgehen, aufdrehen, abstürzen. So wie die drei Freundinnen in der deutschen Kinokomödie "JGA - Jasmin. Gina. Anna.", deren Eskapismus-Programm aber einem höheren Zweck geschuldet ist: Eine ihrer Wegbegleiterinnen heiratet, deshalb veranstalten sie einen Junggesellinnenabschied (JGA) mit peinlichen Outfits, Penis-Ballons und einem Partywochenende auf einer Ferieninsel. Wer das übertrieben findet, war noch nie an einem Wochenende in den Fußgängerzonen von Hamburg, Köln oder München unterwegs, auch die Lieblingsreiseziele der Deutschen werden regelmäßig von kreischenden Schnapsverkäuferinnen oder grölenden Mutproben-Erfindern heimgesucht.

Die wichtigste Regel dabei: Der Exzess bleibt exklusiv, Männer und Frauen feiern getrennt voneinander. Daran hält sich auch die JGA-Organisatorin Jasmin (Luise Heyer), das Schicksal meint es trotzdem nicht gut mit ihr: Erst sagen fast alle anderen Teilnehmerinnen ab, dann die Braut, wegen Schwangerschaft. Am Ende einer verkorksten Disconacht sitzt Jasmin mit den letzten beiden Unerschrockenen, Gina (Taneshia Abt) und Anna (Teresa Rizos), in einer Dönerbude.

"Vielleicht hätten wir doch irgendetwas mit Spa machen sollen", sagt die eine. "Wir können die Flugtickets nicht stornieren", die andere. Also geht es ab nach Ibiza, doch auf der Partyinsel wird nach gutem alten Komödienrezept alles noch viel schlimmer. Als Jasmin zufällig auf ihren Exfreund Tim trifft, dem sie Jahre nach der Trennung immer noch hinterhertrauert, tut sich vor ihr ein Abgrund auf. Denn Tim ist ebenfalls mit einem JGA unterwegs, allerdings nicht als Teilnehmer, sondern als angehender Bräutigam.

YouTube

Die SZ-Redaktion hat diesen Artikel mit einem Inhalt von YouTube angereichert

Um Ihre Daten zu schützen, wurde er nicht ohne Ihre Zustimmung geladen.

Ich bin damit einverstanden, dass mir Inhalte von YouTube angezeigt werden. Damit werden personenbezogene Daten an den Betreiber des Portals zur Nutzungsanalyse übermittelt. Mehr Informationen und eine Widerrufsmöglichkeit finden Sie untersz.de/datenschutz.

Wer in den letzten Jahren und Jahrzehnten deutsche Urlaubs- und Partykomödien gesehen hat, darf spätestens an dieser Stelle das Schlimmste befürchten: Wird es so furchtbar wie in "Abschussfahrt"? So prollig wie in "Ballermann 6" Oder so unterirdisch wie in "Pura Vida Ibiza"? Saufgelage auf der Leinwand führen eher selten zu Partystimmung davor. Hier ist es zum Glück anders: Der Regisseur Alireza Golafshan setzt nicht nur auf Gags und Pointen, sondern sorgt dafür, dass man seine Heldinnen auch mit all ihren Stärken und Schwächen kennenlernt.

Man mag sie, muss sie aber nicht unbedingt lieben. "Character first" lautet die Devise, ähnlich wie bei den US-amerikanischen Regisseuren rund um den Komödienprofi Judd Apatow. Inhaltlich gibt es ebenfalls Parallelen: Im von Apatow produzierten Kinohit "Bridesmaids" aus dem Jahr 2011 geht es um eine Gruppe von Mittdreißigerinnen und ihre Hochzeitsvorbereitungen. Das ist ebenso lustig wie liebenswert, emotional wie entlarvend. Einen ähnlichen Ton schlägt auch Golafshan an, der 2019 mit seinem Spielfilmdebüt "Die Goldfische" auf sich aufmerksam machte.

Das Damen-Trio kriegt die besten Gags und bezauberndsten Momente

Ein US-Komödien-Abklatsch ist sein Film trotzdem nicht: Zum einen hat jeder Kulturkreis verschiedene Vorstellungen davon, wie man einen JGA zu begehen hat, was den Film deutscher macht als gedacht. Zum anderen hat der an der Münchner Filmhochschule ausgebildete Regisseur und Drehbuchautor ein gutes Gespür für Pointen, Timing und die notwendige Portion Absurdität. Er zeichnet ein Bild von all jenen Single-Frauen, die Angst vorm Alleinsein und der Unsichtbarkeit des Alters haben, sowie von verunsicherten Männern, die sich über ihr Jahresgehalt definieren. Und obwohl er die männliche, mit etwas gröberen Strichen gezeichnete JGA-Truppe mit komödienerfahrenen Schauspielern wie Axel Stein oder Dimitrij Schaad besetzt hat, stellt er sein groß aufspielendes Damen-Trio in den Mittelpunkt: Er schenkt ihnen die besten Gags und bezauberndsten Momente.

Newsletter abonnieren
:SZ Film-Newsletter

Interessante Neuerscheinungen aus Film, Streaming und Fernsehen - jeden Donnerstag in Ihrem Postfach. Kostenlos anmelden.

So etwa in der Stripper-Szene, die mit das Lustigste ist, was man seit langer Zeit im deutschen Kino gesehen hat: "Wir können jetzt seine Gefühle nicht verletzen", sagen die drei frisch in Ibiza angekommenen Freundinnen, als der im Internet bestellte Entkleidungskünstler bei ihnen antanzt. Er sieht zwar ganz anders aus als in der Online-Buchungsbestätigung, legt sich dafür aber umso mehr ins Zeug. Und das tagsüber an der Strandpromenade - die Hotelzimmerbuchung ging auch schief. Irgendwie überstehen Jasmin, Gina und Anna aber auch das, so wie sie überhaupt das ganze Ibiza-Wochenende und die anschließenden Hochzeitsfeierlichkeiten verkraften. Und als sie ihre Suche nach dem Glück längst aufgegeben haben, hat der Film noch eine Überraschung in der Hinterhand - natürlich fernab von allen Exzessen.

JGA - Jasmin. Gina. Anna. , D 2022 - Regie und Drehbuch: Alireza Golafshan. Kamera: Matthias Fleischer. Mit: Luise Heyer, Taneshia Abt, Teresa Rizos, Leonine Studios, 118 Minuten. Kinostart: 24. 03. 2022.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Neu in Kino & Streaming
:Welche Filme sich lohnen - und welche nicht

Ein Krankenwagen wird bei Actionjunkie Michael Bay zum Fluchtfahrzeug und ein Junggesellinnen-Abschied auf Ibiza nimmt unerwartete Wendungen. Die Starts der Woche in Kürze.

Von den SZ-Kritikern

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: