JFK-Witwe Jackie Kennedy in neuveröffentlichten Interviews:Klatsch aus Camelot

Welcher Ton herrschte im Weißen Haus während der Präsidentschaft John F. Kennedys? In Interviews, die erst jetzt freigegeben wurden, offenbart Kennedys trauernde Witwe Jacqueline pikante Details. Die Deutschen kommen dabei gar nicht gut weg.

Reymer Klüver, Washington

Es ist ein Zeitzeugenbericht der besonderen Art. Geschichte aus der Sicht der Frau des wenn nicht bedeutendsten, aber zweifellos schillerndsten Präsidenten der Vereinigten Staaten im vergangenen Jahrhundert: Jackie über Jack, die Erinnerungen Jacqueline Kennedys an ihre Ehe mit John F. Kennedy, vor allem an die kurzen Jahre im Weißen Haus von 1961 bis 1963.

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Ein Bild aus dem Jahr 1961 zeigt Jacqueline Kennedy Onassis, wie sie sich in einem Stuhl entspannt. Den greisen Bundeskanzler Konrad Adenauer habe ihr Mann John F. Kennedy nicht ausstehen können, verriet sie im Interview mit Arthur Schlesinger.

(Foto: AFP)

Die jetzt veröffentlichten Interviews ("Gespräche über ein Leben mit John F. Kennedy", Hoffmann und Campe, Hamburg, 2011. 416 Seiten, 24,99 Euro) waren Teil eines Oral-History-Projekts des Kennedy-Beraters und Harvard-Professors Arthur Schlesinger Jr., mit dem er JFKs Präsidentschaft dokumentieren wollte. Und die trauernde Witwe gab sie 1964 in dem Wissen, dass sie irgendwann in ferner Zukunft einmal der Nachwelt überliefert würden. Ihre Tochter Caroline hat sie nun aus Anlass des 50. Jahrestages des Regierungsantritts ihres Vaters freigegeben.

Die Gespräche waren schon damals Teil einer Inszenierung, mit der Jackie Kennedy die Sicht auf die Präsidentschaft ihres Mannes kurz nach seinem Tod formen wollte: die Legende des modernen Camelot, Kennedys Präsidentschaft als glückhafter Moment in der Geschichte der Nation.

Fast nebenbei beschreibt sie dabei das Geheimnis des charismatischen Präsidenten: "In Jack konnte jeder etwas von sich selbst wiederfinden. Vorher wurde Politik immer von unnahbaren alten Männern betrieben. Jack war noch jung."

Kein Schatten sollte auf ihren Mann fallen. So sagte sie, dass Kennedy "nie so gesund wie in den Jahren im Weißen Haus" war. Seine bekannten Schwächen, die Rückenschmerzen und Magenprobleme, wurden nicht erwähnt. Hinweise auf sein ausschweifendes außereheliches Liebesleben gab sie schon gar nicht.

"Wir haben uns nie richtig gestritten"

Unbekümmert erzählte sie, "dass Jack von den Frauen ganz klar verlangte, dass sie sich dem Mann unterordneten". Natürlich gab es auch mal "Kleinigkeiten, die nicht so schön waren", gesteht sie einmal während der achteinhalbstündigen Aufzeichnungen, "aber wir haben uns nie richtig gestritten".

Man erfährt dagegen wohldosierte Einzelheiten aus dem ersten Stock des Weißen Hauses, die ein glückliches Familienleben beschreiben. Etwa, dass der Präsident erst um Viertel nach acht aufzustehen pflegte, dass die Kinder dann ins elterliche Schlafzimmer stürmten und auf voller Lautstärke Zeichentrickfilme im Fernsehen schauten, während ihr Vater im Bett frühstückte, Morgenzeitungen und Lageberichte vor sich. Die Gummi-Enten von Caroline und John-John standen "in Reih und Glied" aufgereiht am Rande der präsidentiellen Badewanne.

Klima der Behaglichkeit

Mittags kam der Präsident zum Essen wieder nach oben und hielt dann Mittagsschlaf, exakt eine Dreiviertelstunde, im Pyjama. Meist blieb er dann bis acht Uhr abends im Oval Office. Wenn er, wie sie es ausdrückte "eine schlechte Phase hatte", bat er sie, ab und zu eine Party im Weißen Haus zu organisieren mit den "ganzen interessanten Leuten aus New York", die ihn "auf andere Gedanken brachten". Gäste aus der Washingtoner Politikerkaste hingegen hat sie "eher selten" gebeten. Die langweilten den Präsidenten.

Zugleich war er stets treusorgender Ehemann: "Wenn Jack merkte, dass ich erschöpft war, schickte er mich weg" - zur Erholung aufs Land, zu ihrer Schwester oder nach New York. Nur wenn sie ihn mit Fragen zum Tag bedrängte, wich er aus. Dann sagte er, sie solle doch McGeorge Bundy fragen, seinen Sicherheitsberater, "der erklärt es Dir".

Sie bekam dennoch vieles mit. Und sie hielt ihre persönliche Meinung über die damaligen Mächtigen der Welt auch nicht zurück. Sowjetführer Nikita Chruschtschow ist ein grober Klotz. Indiens Premier Nehru ein "langweiliger Hindu", seine Tochter Indira Gandhi nannte sie eine "echte Pute", eine von den Frauen, "die Angst vor Sex haben".

Besser weg kam General de Gaulle, auch wenn er ein Egomane gewesen sei und ihrem Mann mit seiner gallozentrischen Politik viel Ärger bereitet habe. Aber sie mochte Frankreich, außerdem rechnete sie es ihm hoch an, dass er zur Beerdigung nach Washington kam. Geradezu freundschaftlich verbunden war ihr Mann mit Großbritanniens Premier Harold Macmillan. Und auch Jackie verehrte den kauzigen alten Herrn.

Die Deutschen hingegen kamen gar nicht gut weg, weil sie ihrem Mann so viel Ärger bescherten: "Er hatte die Nase gestrichen voll von Adenauer und diesem ganzen Trara um Berlin." Den greisen Bundeskanzler konnte JFK nicht ausstehen. Ein "verbitterter alter Mann" sei er gewesen. In Passagen wie denen über die nervigen Deutschen hat man dann tatsächlich das Gefühl, noch etwas von dem Ton zu hören, der in Kennedys Weißem Haus herrschte.

Die Verhandlungen während und nach der Berlin-Krise brachten Kennedy, den "Ich-bin-ein-Berliner"-Präsidenten, gegen die Deutschen auf: "Was muss man denn noch tun, um den Deutschen zu zeigen, dass sie uns wichtig sind?", habe JFK geschimpft. Und dann fügte sie in ihren eigenen Worten hinzu: "Bei jeder Kleinigkeit tobte Adenauer und behauptete, wir würden abziehen, und der Botschafter kam angerannt. Jack regte sich wirklich auf über die Deutschen."

JFK hielt nicht viel von Lyndon B. Johnson

Wirkliche Enthüllungen sind diese Einblicke nicht. Auch nicht Jackie Kennedys Kommentare zu den wichtigsten Akteuren in den USA. Martin Luther King hielt Jackie für "ziemlich durchtrieben". Zwar habe JFK ihr gegenüber "niemals etwa gegen" King gesagt, doch sie ließ erkennen, dass er ihre Meinung geteilt hatte. "Nicht viel" hielt JFK von seinem Vorgänger Dwight D. Eisenhower, und von seinen Vize Lyndon B. Johnson schon gar nichts. FBI-Chef Hoover wollte er von Anfang an ebenso loswerden (was ihm nicht gelang) wie CIA-Chef Allen Dulles (was er durchsetzte).

Prinzipiell hielt sich Jackie Kennedy aus der Politik heraus: "Man wollte guter Dinge sein für Jack, wenn er aus dem Büro kam", sagte sie, das sei ihre Art gewesen, ihm zu helfen, "indem ich ihn nicht belästigte, sondern ein Klima der Herzlichkeit, Behaglichkeit und Entspannung für ihn schuf".

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