"Jewish Monkeys":Bananen für den Frieden

Jewish Monkeys

Mit Dank an den Führer: Gael Zajdner, Roni Boiko und Jossi Reich von den Jewish Monkeys.

(Foto: PR)

Die "Jewish Monkeys" machen jüdische Volksmusik im Punk-Modus sind in ihren Texten gewollt politisch unkorrekt. Aber ihr Humor kennt Grenzen.

Von Julian Dörr

Zwei hagere Gestalten stehen in einem Kreuzberger Club. Der eine trägt eine getönte Sonnenbrille zum weißen Anzug, der andere reißt Judenwitze. Sie lachen laut, aber sie lachen allein. Es sind die späten Siebziger, David Bowie, der Anzugträger, und Iggy Pop, der Witzbold, leben im geteilten Berlin auf dem kreativen Höhepunkt ihrer Karrieren. Thomas Schwebel von der Band Fehlfarben erinnert sich an diese Nacht im legendären Punk-Club SO 36. Und an die versteinerten Mienen der deutschen Partygäste. Darf Iggy das?

Er darf. Zumindest wenn es nach Roni Boiko geht. Boiko ist Texter und einer von drei Sängern der Klezmer-Rock-Band Jewish Monkeys. Seine Texte treiben jedem Kämpfer für Political Correctness den Schweiß auf die Stirn. Es geht um behaarte Juden mit Ejakulationsproblemen, übergriffige Väter und Zwangsheirat. Juden machen Judenwitze. Homosexuelle machen Homosexuellenwitze. Ist es so einfach?

"Wir machen keine Witze über andere. Wir machen entweder Witze über alle oder über uns selbst", sagt Boiko. Und die finden sich zur Genüge auf "Mania Regressia" (Greedy for Best Music), der neuen Platte der Jewish Monkeys aus Tel Aviv. Roni Boiko, Jossi Reich und Gael Zaidner mischen jiddische Volkslieder mit eigenen Kreationen und ergänzen bekannte Songs um neue satirische Lyrics, die hin und wieder an der Grenze des Erträglichen entlangschrammen. Boiko und Reich sind in Frankfurt aufgewachsen, sie waren Nachbarskinder, sangen gemeinsam im Knabenchor der Synagoge. Das war in den Siebzigern. Heute lacht man über ihre Judenwitze in Deutschland lauter als in Tel Aviv. "Die dritte Generation ist lockerer und weniger traumatisiert als die beiden Generationen davor", sagt Reich.

Obwohl sie einen Großteil ihres Lebens in Deutschland verbrachten, fühlten sich Reich und Boiko nie vollends zugehörig. Die Suche nach Wurzeln und einer anderen Mentalität führte sie nach Israel - im Fall von Roni Boiko mit einem Zwischenstopp in New York.

Bis ins Klischee überzeichnet

Die Erfahrung von Heimatlosigkeit begründet für Boiko und Reich den jüdischen Humor. Im reichen Neurosengarten voll von Selbstironie, überfürsorglichen Müttern und Minderwertigkeitskomplexen pflücken die Jewish Monkeys die Blumen für ihr Klischeebouquet. Sie sind vulgär, sie provozieren, sie jagen ihre Hörer aus den gemütlichen Komfortzonen des Lebens.

Und sie bringen sie zum Tanzen. Denn die Klezmer-Kapelle auf der Überholspur ist vor allem eine phantastische Live-Band im Punk-Modus. Die Posaune feuert heiße Salven auf die Sänger, die Gitarre schubst die Band mit ihrem drängenden Offbeat in Richtung Ska. Noch stärker als auf ihrer neuen Platte überwältigen live Raserei und Tollheit die Tradition. Am Bühnenrand gerieren sich die Sänger Reich, Boiko und Zaidner währenddessen als moderne Widergänger der Marx Brothers. Auch ihre Bühnenfiguren sind bis ins Klischee überzeichnet.

Jossi Reich gibt den Clown, die überlange Krawatte schlackert mit den Knien um die Wette. Roni Boiko, den Reich nur Dr. Boiko nennt, ist der geschniegelte Intellektuelle, seine Hosenträger sitzen so perfekt wie sein Hut. Mit aufgeknöpftem Hemd mimt Zaidner sein Gegenstück, den blassen Verführer. Beinahe zwei Stunden lang hetzen, schunkeln und hüpften sie kürzlich bei ihrem Auftritt im Münchner Atomic Café durch ihre Songwelten. Man begegnet Jossl, dem verschmähten Juden, den seine Freundin für einen blonden Goy verließ. Oder dem Erzähler aus "Caravan Petrol", der seinen Solar-Energie-Fanatismus für das Geld und die Tochter des Ölscheichs aufgibt. Auf dem anarchischen Höhepunkt des Abends schicken Reich, Boiko und Zaidner das berühmte "Banana Boat" von Harry Belafonte in den Mittleren Osten, um der Region endlich den Frieden zu bringen.

Aber auch der Humor der Jewish Monkeys kennt Grenzen. Bei Rassismus und Gewalt sei Schluss, sagt Boiko. Trotzdem dankt Reich im Booklet zur CD dem Führer. Allen Sittenwächtern des Landes, die nun in Schnappatmung verfallen, sei ein Blick hinter das Booklet empfohlen. Dort haben die Jewish Monkeys ein verdrehtes Zitat der britischen Arctic Monkeys versteckt: "Whatever people say they are, that's what they're not." Und jetzt bitte lachen.

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