Jeanne Moreau zum 80. Geburtstag:Die Musenkönigin

Die größten Regisseure folgen ihr und lassen sich belehren: Die unvergessliche Jeanne Moreau ist die Sphinx der Filmwelt. Heute wird sie 80 Jahre alt.

Fritz Göttler

Wenn sie geht, zittert ihr Fuß leicht auf dem Absatz des Schuhs. Ein Mangel an Stabilität, der beunruhigt. So sah es Luis Buñuel, auf den absolut Verlass ist, wenn es um das Mysterium Frau geht, im Kino und im Leben auch. Und darum, was die Männer zu seiner Gestaltung beizutragen haben, mit ihren Wünschen und Besessenheiten.

Jeanne Moreau zum 80. Geburtstag: Jeanne Moreau in einem ihrer letzten Filme "Diese Liebe".

Jeanne Moreau in einem ihrer letzten Filme "Diese Liebe".

(Foto: Foto: ddp)

"Sie ist eine wunderbare Schauspielerin", erklärt Buñuel, der mit ihr "Tagebuch einer Kammerzofe" drehte, nach dem Roman von Octave Mirbeau, "ich brauchte ihr nur zu folgen, fast ohne sie zu korrigieren. Über die Figur der Kammerzofe habe ich von ihr Dinge erfahren, die ich nie geahnt hatte."

Eine Frau, der man nur zu folgen braucht, eine Frau, die die Männer lehrt - das geht weit über den simplen Begriff einer Muse hinaus. Jeanne Moreau hat, als sie 2003 in die Academie des Beaux-Arts aufgenommen wurde, in ihrer Dankesrede sich als Sphinx vorgestellt und den versammelten Mitgliedern die entsprechenden Worte von Cocteaus "Höllenmaschine" entgegengeschleudert: "Ich rede, ich arbeite, ich wickle ab, ich knüpfe und löse und knüpfe erneut ..."

Der zitternde Gang der Kinobilder, das permanente Verbinden und Auseinanderdividieren, dieses Gefühl der Destabilisierung, das ist die Grundlage des Kinos, die elementare Situation des Menschen der Moderne. Jeanne Moreau hat das immer berücksichtigt bei ihrer Arbeit fürs Kino, mit großer Lust und manchmal auch mit Ironie.

Keine klassische Schönheit Als Klaus Michael Grüber in den Siebzigern seinen Faust vorbereitete, hat er ihr die Rolle der Helena angeboten, der schönsten Frau der Welt. Sie hat abgelehnt -sie hätte nur Sinn darin gesehen, den Mephisto zu spielen. Später haben die beiden dann, gemeinsam mit Hanns Zischler, Brochs "Erzählung der Magd Zerline" aus dem Roman "Die Schuldlosen" auf die Bühne gebracht und zum grandiosen Erfolg geführt, ein Spiel mit der Dialektik der Herr-Magd-Beziehung.

Als Schönheit hat Moreau nie gegolten, der Mund war verkniffen und patzig, der Blick immer am Rand der Verstörung. Das ist die Frau, die immer erst im Morgengrauen nach Hause kommt, hat Brigitte Desalm sie beschworen: "Nackt die Schultern, die Augenlider schwarz vom Begehren der Männer, das auf sie herabtaute, schwer von Verachtung die Mundwinkel und schlaff die Haltung, als habe das Bewohnen ihrer schönen Hülle ihre Kräfte wieder einmal aufgebraucht ..."

Der Wille zur Unabhängigkeit Man denkt an die Filme Ende der Fünfziger, Anfang der Sechziger, alle in härtestem Schwarzweiß und mit Echos von Miles Davis, europäischer film noir, mit seinen einsamen Promenaden durch die Nächte: "Fahrstuhl zum Schafott", "Die Liebenden", "La notte", "Eva". Die Gegenfigur, die Schwester im Geiste zu Audrey Hepburn in New York.

Lesen Sie auf der nächsten Seite, was Jeanne Moreau mit Orson Welles verband.

Die Musenkönigin

Sie hat sich damals fürs Kino entschieden, hat auf die Comédie Française verzichtet und ihren geliebten Racine, auf die Starkarriere, und hat sich der Nouvelle Vague zur Verfügung gestellt, zum Entsetzen ihres Vaters, ihres Agenten.

Es war nicht mehr die Jugend, die sie in diesen Filmen verkörperte, und die Reife, die sie hatte, verträgt sich exzellent mit der Altklugheit, mit der die jungen Filmemacher damals antraten - man erschrickt, beim Wiedersehen, wie schnell die drei Liebenden altern in "Jules und Jim", wie wenig Momente des Glücks es gibt, wie den zum Beispiel, da Moreau das Lied vom "Tourbillon", vom Wirbelwind singt.

Im zweiten Film für Truffaut spielt sie eine lebende Tote, Julie Kohler, die den Tod ihres Mannes rächen muss; von ihr bleibt am Ende ein rätselhaftes, sphinxähnliches Gemälde an der Wand.

Es geht eine gerade Linie von Julie Kohler über Buñuels Kammerzofe Celestine zu Loseys unberechenbarer "Eva". Femme fatale ist sie dennoch nie geworden, es gibt wohl Anzeichen für Selbstzerstörung, aber der Wille zur Unabhängigkeit war zu groß. Seitdem ich Duras zur Freundin habe, hat sie mal gesagt, weiß ich, was Freundschaft ist.

Orson Welles hat sie verehrt Sie hat in deren Film "Nathalie Granger" gespielt und dabei gelernt, was das bedeutet, Einsamkeit, die selbstgeschaffene, selbstgewählte Einsamkeit. Duras hätte ihr gern Rechte an Romanen gewährt, aber Moreau hat die Projekte nie hingekriegt, hat nur zweimal selbst Regie geführt. 2001 hat sie dann Duras gespielt, in dem Film "Cet amour-là".

Duras und Orson Welles, bei denen mochte sie sich geborgen fühlen. Orson hat sie verehrt und in drei phantastische literarische Welten mitgenommen, zu Shakespeare, in "Falstaff", zu Kafka, in "Der Prozess", zu Tania Blixen in "Une histoire immortelle".

Dann haben sie noch einen vierten Film gemacht, "The Deep", der nie vollendet wurde, der aber - das Münchner Filmmuseum hat eine aufregende Arbeitsfassung hergestellt - zum Abenteuerlichsten gehört, was das Kino zu bieten hat, ein Besessenheitsdrama auf zwei schwankenden Booten, Destabilisierung pur. Danach ist das Kino schnell sehr solide und selbstgewiss geworden.

Geduldig hat sich Moreau weiter den jungen Filmemachern zur Verfügung gestellt, von Wenders und Fassbinder bis Josée Dayan und Ozon, die sie für ihre eigenen Visionen brauchten. Die nicht mehr ihr folgen und von ihr lernen mochten.

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