Jazz:Steve Swallow und John Scofield

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(Foto: ECM)

Von Thomas Steinfeld

Der Jazz bildet eine Ausnahme unter den Künsten: Er besitzt eine starke Tradition. Aber eine Vorstellung von Generationen, in mehr oder minder strenger Folge, ist ihm fremd. Gewiss, es gibt die Gründergestalten, John Coltrane, Charlie Parker, Thelonious Monk. Zugleich aber kennen alle Musiker den Katalog der tausend Songs, aus denen sich das Repertoire im Wesentlichen zusammensetzt. Gespielt werden diese und alle anderen Lieder von den Achtzigjährigen und von den Dreißigjährigen. Den einen hört man die Erfahrung an, den anderen die Neugier. Selten aber liegen die Lebensalter musikalisch so weit auseinander, dass man von einem deutlich unterschiedenen Habitus oder gar einem Stil reden könnte, so wie das in den anderen Künsten oft der Fall ist.

Als der Bassist Steve Swallow in den Sechzigern am Berklee College in Boston lehrte, gehörte der Gitarrist John Scofield dort zu den Studenten. Im Lauf der Jahre sind sie einander, in unterschiedlichen Ensembles, unzählige Male begegnet. Beinahe ebenso oft muss John Scofield, Jahrgang 1951, Kompositionen des Bassisten, Jahrgang 1940, gespielt haben, auch wenn davon bislang wenig auf Alben zu hören war. Das ändert sich nun mit den "Swallow Tales" (ECM Records), mit neun Songs, die an nur einem Nachmittag aufgenommen wurden, bei denen Bill Stewart, Jahrgang 1966, am Schlagzeug sitzt. Die Vertrautheit hört man den Einspielungen, meist in einem moderaten Medium-Swing-Tempo gehalten, deutlich an: Es geht auf dem Album zu wie auf einer Jam-Session und mit einer Sicherheit, die auch kleine Pointen nicht auslässt.

Eine Komposition mit dem Titel "Awful Coffee" mag das schönste Stück auf dem Album sein, gehalten in Es-Dur und zunächst in einer absteigende Akkordfolge, die an "Autumn Leaves" erinnert. Das Schema mit den 32 Takten ist zwar traditionell, aber hier ist es in vier jeweils verschiedene Teile gegliedert, die offenbar einen fast unendlichen Reichtum an Variationen in sich tragen. Und wenn die Komposition am Schluss doch wieder in Thema, Schema und Grundtonart zielt, so endet es doch nicht mit einem Es, sondern mit einem Es. Der letzte Schluck des schrecklichen Kaffees scheint dann doch weggeschüttet worden zu sein

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