Jazz:Kraft und Herz

Gregory Porter drückt vertrautem Soul-Jazz seinen Stempel auf

Von Oliver Hochkeppel

Um als Jazz-Musiker die Philharmonie bis auf den letzten Platz zu füllen, muss man über besondere Qualitäten verfügen. Bei Gregory Porter ist es natürlich zunächst diese Wahnsinnsstimme, dieser geschmeidige Bariton, der einen sanft umtänzeln und umhüllen, einem aber auch ins Herz schneiden und die Kehle abschnüren, der schließlich voluminös direkt ins vegetative Nervensystem dringen und einen mitreißen kann. Ein Organ also, das den lyrischen Ausdruck eines Johnny Hartman mit dem Soul eines Marvin Gaye und der Sexyness eines Barry White vereint, ohne irgendjemanden zu kopieren.

Es kommt aber noch mehr dazu. Der hünenhafte, fast etwas tapsige Ex-Footballer hat nicht das Charisma eines Michael Bublé oder eines Jamie Cullum, aber er strahlt eine fest in sich ruhende Kraft aus und hat sich mit seinem Markenzeichen, der Ballonmütze, ein immer noch ungelüftetes Geheimnis erhalten - niemand weiß, wie der Mann abseits des Musikgeschäfts, etwa beim Shopping in Brooklyn aussieht.

Das entscheidende Geheimnis seines phänomenalen Erfolges ist aber wohl, dass er keine revolutionär neue Musik macht oder den Jazzgesang zu neuen Ufern führt, sondern dass er - auch bei dem Potpourri aus seinem bisherigen Werk in der Philharmonie - das Publikum mit Vertrautem und Bewährtem mitnimmt, dem er dann seinen Stempel aufdrückt. Ob bei eigenen Songs vom Uptempo-Reißer bis zur Ballade, ob bei Standards wie "Mona Lisa" oder in einem Gottesdienst-ähnlichen Teil mit Gospels wie "Wade In The Water", der Bezugsrahmen vom Motown-Soul bis zum Mainstream-Jazz wird nicht verlassen. Höchstens noch von der exzellenten, aufeinander eingeschworenen Band. Saxofonist Tivon Pennicott, Bassist Aaron James und vor allen Pianist Chip Crawford spielen Soli, die von denen, die sie hier bejubeln, sonst in den Clubs links liegen gelassen werden. Porter wirft sich erfreulicherweise auch da in die Schlacht: In ein paar Tagen co-moderiert er, wie schon 2015, die Echo Jazz-Gala.

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