Jason Reitman:"Schauspielerinnen sind alle Mädchen"

Der Regisseur von "Up in the Air" spricht über George Clooney, Bonusmeilen und Akteure, die man noch ernst nehmen kann.

Interview: Anke Sterneborg

Jugendlich, respektlos, ein wenig subversiv, so kommt Jason Reitman, 32, Sohn des Regisseurs/Produzenten Ivan Reitman, daher. So sind auch seine Filme, "Thank You for Smoking" und "Juno". Der neue, "Up in the Air", ist für sechs Oscars nominiert.

Jason Reitman: "George Clooney ist unglaublich liebenswert": Regisseur Jason Reitman (rechts) mit seinem Filmstar.

"George Clooney ist unglaublich liebenswert": Regisseur Jason Reitman (rechts) mit seinem Filmstar.

(Foto: Foto: Filmverleih)

SZ: Das ist Ihr dritter Film mit schnellen, scharfzüngigen Dialogen: Was bedeuten Ihnen Sprache im Kino?

Jason Reitman: Worte sind alles für mich, und die Regisseure, die ich besonders liebe, gehen alle auf eigene Weise mit Sprache um. Man will die Schauspieler ja nicht mit Pedanterie piesacken - aber es kommt immer auf ganz bestimmte Untertöne an. Das war der beste Rat, den mir mein Vater je gab: Versuch nicht, es lustig zu machen oder dramatisch, denn am Set ist dein Barometer für Humor nicht verlässlich. Aber du wirst immer spüren, ob eine Szene ehrlich wirkt.

SZ: Sie hatten in diesem Film erstmals mit einem Superstar zu tun, George Clooney. Hat das Ihren Arbeitsstil verändert?

Reitman: Klar, es gibt jede Menge Filmstars, die mir das Leben schwermachen würden. Aber George Clooney ist unglaublich liebenswert, er dreht selbst unabhängige Filme, er denkt zugleich wie ein Regisseur und wie ein Schauspieler und tut alles, um den anderen die Arbeit leichter zu machen. Als er das Script gelesen hatte, sagte er "Das gefällt mir, ich will es machen. Und ich sehe die Ähnlichkeiten zwischen mir und dieser Figur und bin bereit, dem ins Auge zu sehen."

SZ: Als Sie mit diesem Projekt vor sechs Jahren begannen, sah die wirtschaftliche Lage noch anders aus. Hat Ihnen die plötzliche Nähe des Themas Kündigungen zur Realität Angst gemacht?

Reitman: Sicher nicht, das hätte mich höchstens noch angespornt. Da ist mir mehr Risiko lieber als weniger. Im Gegensatz zu Michael Moore will ich keine Filme machen, die alle Fragen beantworten, dem Zuschauer diktieren, was er denken soll. Ich habe viele Fragen, und meine Filme sind der Ort, an dem ich sie stelle.

SZ: Ihre Helden sind offenbar Alter Egos von Ihnen ... Als Filmregisseur dürfte auch Ihnen die anonyme Welt der Hotels und Flughäfen vertraut sein.

Reitman: Das geht noch weiter, ich bin obsessiver Vielflieger, ich zähle Meilen und sammle zielstrebig Bonuspunkte. Und wer denkt nicht manchmal, wie befreiend es wäre, alle Verantwortung abzugeben, in ein Flugzeug zu springen und irgendwo zu landen - aber verstehen Sie mich nicht falsch, ich bin bei meiner Familie geblieben, meine Frau und meine Tochter sind hier im Hotel ... Als Regisseur sehe ich etwas, auf das ich reagiere, das ich dann frei interpretiere. Hier hatte ich einen Roman, aber im Buch geht es lediglich um einen Mann, der Leute feuert und Flugmeilen sammelt - alles andere, die beiden Frauen, die Online-Kündigung, die Hochzeit, die Pappfiguren als Foto-Dummy, habe ich neu erfunden. Das große Vergnügen beim Regieführen besteht für mich darin, etwas zu nehmen, zu dem die Zuschauer eine vorgefasste Meinung haben, und es dann so zu verdrehen, dass es in einem ganz anderen Licht erscheint. Das ist der Unterschied zu meinem Vater - wären wir Musiker, würde er Ihren Lieblingssong nehmen und ihn besser spielen, als Sie ihn je hörten. Ich will einen Song nehmen, den Sie hassen, und ihn so gut spielen, dass Sie ihn mögen.

SZ: Ihre Figuren stehen mitten im Leben - richtige Erwachsene sind im Kino selten geworden.

Reitman: Wenn ich Vera und George anschaue, habe ich das Gefühl, dass sie Ausnahmen sind. Es gibt keine amerikanischen Männer mehr, das sind alles Jungs, und die Schauspielerinnen sind alle Mädchen, keine Frauen. Vera Farmiga ist einzigartig, sie hat Selbstbewusstsein und Schneid, es gibt keine andere amerikanische Schauspielerin, die das hätte spielen können, und das, obwohl sich in den letzten vierzig Jahren der feministischen Bewegung einiges getan hat. Ich will mehr Frauen, die bereit sind, mit den Männern in den Clinch zu gehen.

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