Süddeutsche Zeitung

Öffentliche Toiletten in Japan:Ist da wer?

Lesezeit: 1 min

In Tokios Stadtparks gibt es jetzt bunte, von Architekten entworfene öffentliche Toiletten. Das Besondere: Sie sind durchsichtig. Und ja, das ist Absicht.

Von Theresa Hein

Die öffentliche Sanitärkultur und wie sie gesehen wird sagt viel über eine Gesellschaft aus. Die öffentliche Toilette hat zum Beispiel in Deutschland keinen guten Ruf: Sie stinkt, sie ist hässlich, dreckig, meistens kein architektonisches Meisterwerk und Seife gibt es auch keine, wobei die Coronazeit das dankenswerterweise geändert haben dürfte - man kann freilich nicht sicher sein, denn in Viruszeiten ist die öffentliche Toilette vermutlich der letzte Ort, den man besucht. In Japan, wo das Klischee von der beheizbaren Klobrille und springbrunnenartigen Spülsystem bis heute vorherrscht, scheinen einige noch eine zusätzliche Angst zu haben: die Sorge, dass sich jemand in der öffentlichen Toilette versteckt hält um, sagen wir, den ahnungslos Erleichterung Suchenden, einen Schlag auf den Schädel zu verpassen.

Zumindest ist das eine der Begründungen, die die Macherinnen des Projekts "The Tokyo Toilet" für ihre 17 neu designten, durchsichtigen Toiletten im Tokioer Bezirk Shibuya anführen. Der Architekt und Pritzker-Preisträger Shigeru Ban wird auf der Website zu den von ihm designeten Toiletten zitiert: "Es gibt zwei Dinge, um die wir uns sorgen, wenn wir eine öffentliche Toilette betreten, vor allem solche in Parks. Das eine ist die Sauberkeit und das andere ist, ob nicht jemand drin ist." Wer bis hierhin noch nie einen Gedanken daran verschwendet hat, ob nicht vielleicht jemand Fremdes in einer öffentlichen Toilette wartet, tut es spätestens jetzt - und wird zumindest in Bans neuer Glas-Toilette von dieser Angst befreit.

Wer aus den richtigen Gründen die Toilette aufsucht, braucht sich in den durchsichtigen Toiletten auch nicht um die Privatsphäre zu sorgen. Denn die Außenwände färben sich blickdicht in der jeweiligen Farbe des Glases, sobald die Tür verschlossen ist. Nur Menschen, die die Toilette ernsthaft als Versteck nutzen wollen - wie jüngst ein AfD-Politiker, der sich angeblich in einer Zugtoilette verschanzte, um keinen Mund-Nasenschutz aufsetzen zu müssen - werden entlarvt, denn ein gutes Versteck ist ein Raum, der sichtbar macht, ob jemand darin ist, auf jeden Fall nicht.

Überzeugender für das Experiment mit den durchsichtigen Toilettenhäuschen scheint der erste Grund: die Sauberkeit. Und vielleicht noch, dass die Glaswürfel nachts strahlen wie "eine wunderschöne Laterne".

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.5006141
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.