Janosch wird 80:Lari Fari Mogelzahn

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Er ist Deutschlands größter Kindheitsphilosoph, obwohl er Zeit seines Lebens gegen die eigene Jugend anschrieb. Janosch wird 80 - und erfindet sich ständig eine neue Biographie.

R. Budeus-Budde

Janosch liebt das Verwirrspiel. Seit dreißig Jahren liegt er nun in seiner Hängematte auf Teneriffa und erfindet immer wieder seine Biographie neu. Freut sich kindlich diebisch, wenn ihm die Öffentlichkeit glaubt und die Journalisten ihm auf den Leim gehen. Dabei meint jeder ihn doch zu kennen, denn Oh, wie schön ist Panama, die Geschichten vom kleinen Bär und dem kleinen Tiger gehören seit Generationen zu den modernen Klassikern der Kinderliteratur. Man muss, sagte er einmal, "Figuren erfinden, die man nur einmal erfinden muss, dann leben sie von alleine weiter".

Der Schlüssel für Janoschs literarisches Schaffen liegt in seiner Kindheit, gegen die er anschrieb, weil sie eines gewiss nicht war: eine freundliche Idylle. (Foto: dapd)

Mit den Jahren wird er einer seiner großen Figuren immer ähnlicher: dem Lari Fari Mogelzahn, der dem ehrlichen Löwen Hans Lügengeschichten erzählt. In diesem Sinne schuf Janosch ein Bestiarium - inzwischen umfasst sein Œuvre 200 Titel -, das auf eine raffiniert naive Art seine Helden in immer wieder neue phantastische Situationen verwickelt, die ganz nah an der kindlich-archaischen Erlebniswelt sind.

Der Schlüssel für sein literarisches Schaffen liegt in seiner Kindheit, gegen die er anschrieb, weil sie eines gewiss nicht war: eine freundliche Idylle. Bis sich die Welt für den im oberschlesischen Zabrze 1931 geborenen Horst Eckert aufhellte, bis aus ihm der Herr Janosch wurde, war eine schwierige Herkunft und Jugend zu überleben. Sie war geprägt durch Schläge, durch einen Vater, der ständig betrunken war, durch eine furchteinflößende christliche Erziehung.

In seinem autobiographischen Roman Cholonek oder der liebe Gott aus Lehm erzählt Janosch auf burleske Weise von Gewalt und Bigotterie und den politischen Veränderungen in dem kleinen deutsch-polnischen Dorf, aus dem er 1945 floh. Er erinnert sich, dass ihm nur ein einziges Buch damals geholfen hat, "der Robinson Crusoe", doch geblieben ist ihm die Wut auf seine katholische Erziehung. Und geblieben ist ihm auch ein Hang zu Selbstzerstörung, den er immer wieder mit seinen literarischen Figuren zu überwinden sucht und der sich bis heute in seiner hemmungslosen Kreativität und Geschäftstüchtigkeit austobt.

Nach der Flucht in den Westen verbrachte er eine kurze Zeit in Krefeld an der Textilfachschule und versuchte dann vergeblich, an der Kunstakademie in München angenommen zu werden. Seine Begegnung mit dem Verleger Georg Lentz 1960 brachte ihm dann den ersten Kinderbuchauftrag. Die Geschichte, vom Valek, dem Pferd blieb aber ebenso erfolglos wie das nächste Bilderbuch Der Josa mit der Zauberfidel.

Doch in den 1970er Jahren begann sich die Kinderliteratur durch die Plädoyers für antiautoritäre Erziehung zu verändern. Neue Verlage wie Beltz & Gelberg entstanden, und hier fand Janosch dann auch in Hans-Joachim Gelberg den Lektor, der sein Ausnahmetalent erkannte. Die Maus hat rote Strümpfe an hieß sein erster Sammelband.

Gelberg schwebte eine Art Wilhelm-Busch-Album vor: "Damals, in den 70er Jahren des vergangenen Jahrhunderts, wurden die Märchen der Brüder Grimm heiß diskutiert. Janosch erzählte 54 Märchen neu - ziemlich frech, widerborstig und zu Herzen gehend, eben janoschmäßig, also ganz anders. Schließlich, mit dem Riesenerfolg von Oh, wie schön ist Panama, ging es zügig weiter. Immer weiter."

Und es ging auch weiter mit dem Romanautor Janosch, der sich schließlich 1980 nach einem ziemlich exzessiven Leben sterbenskrank von München nach Teneriffa rettete. In seinen Romanen, etwa in Sacharin im Salat oder Sandstrand, verwandelt er seine Lebenserfahrung in federleichte, berührend komische Literatur. Als Literat ist Janosch auf eine weise Art unterhaltsam, die er im realen Leben vermissen lässt.

Muss man Janosch vor Janosch retten? Er wechselte später oft im Zwist die Verlage, fühlte sich zunehmend ausgenutzt und verfolgt von der Kinderbuchbranche, fühlte sich gar arm. Doch über seinen unsterblichen literarischen Figuren vergißt man sein Querulantentum leicht.

"Autoren und Dichter, die für Kinder schreiben, haben gefälligst jung zu bleiben", sagt Hans-Joachim Gelberg. "Sie werden trotzdem alt. Aber ihre Figuren, erfundene Geschöpfe aller Art, die altern nicht, bleiben von Generation zu Generation ewig jung. Jedes Kind kann Pippi Langstrumpf, Alice, Pu und Emil und all die anderen erleben wie eh und je. Das ist wirkliches Glück. Auch der kleine Bär und der kleine Tiger, auf ihrer großen Reise zum schönen Panama, gehören nun schon seit Generationen zum Kinderglück. Es sind Philosophen der Kindheit. Sie stellen die richtigen Fragen, abenteuern ein wenig durch die ganz große kleine Welt, die ja nur eine Insel ist, und finden nach Hause. Und dort ist alles wie neu."

© SZ vom 11.03.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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