Süddeutsche Zeitung

Janosch zum 90.:Ist das Kunst?

An der Kunsthochschule lehnte man ihn ab, die ersten Bilderbücher verkauften sich kaum. Aber dann kam der Erfolg. Zum 90. Geburtstag von Janosch.

Von Roswitha Budeus-Budde

Janosch hat immer gern Widersprüchliches über sich selbst und seine Kunst verbreitet und sich dann über die Verwirrung der Fragenden gefreut. "Mein Lebenslauf ist veränderbar. Wenn ich gestern einen vorgab, dann gilt der auch." Das schreibt er 1998 in einem Text, erschienen unter dem Titel "Ich der Herr Janosch oder meine vorgeblichen Werke (oder die Freiheit auf die Spitze treiben)", der nun, zu seinem 90. Geburtstag, im Band "Janosch - Leben und Werk" im Merlin-Verlag erscheint.

Bei Auftritten und Interviews, die Janosch hasste, traf er immer wieder auf Fans. Die waren mit seinen Figuren, wie dem kleinen Tiger und dem kleinen Bären aus "Oh, wie schön ist Panama", aufgewachsen und vermuteten, dass die liebevoll absurden Gefühle und die heiteren, von burlesker Moral beeinflussten Stimmungen seiner Geschichten auch dem Autor zu eigen seien.

Janosch wurde 1931 als Horst Eckert in Hindenburg, heute Zabrze, im oberschlesischen Bergbaugebiet an der polnischen Grenze geboren. Vielleicht kommt man seinem Leben am nächsten, wenn man in seinem ersten Roman "Cholonek oder Der liebe Gott aus Lehm" - den er 1970 in München geschrieben hat - die Familiengeschichte und Kindheit seines Alter Egos Adolf verfolgt.

Adolf wächst in einer Gesellschaft auf, die geprägt ist von Armut, einem in seiner Brutalität fast tragikomischen täglichen Kampf ums Überleben und einem bigotten Katholizismus. Nach dem Krieg floh die Familie 1945 in den Westen, wo Janosch übrigens erst in einer Textilfabrik in Krefeld arbeitete und später eine Textilfachschule besuchte.

In München versuchte er 1955, an der Kunsthochschule zu studieren, wurde aber nach einem Probesemester nicht aufgenommen. Janosch kokettiert bis heute damit: "Ich bin ja von der Kunstakademie geflogen, bevor ich es hätte lernen können", sagte er einmal. "So habe ich mein ganzes Leben lang einfach nur gemalt, ohne zu wissen, ob das Kunst ist."

Woher er seine Geschichten nimmt? "Überwiegend tippe ich auf göttliche Intuition"

Nach der Ablehnung begann wieder ein Kampf ums Überleben. Er arbeitete als freier Textilzeichner und schrieb kleine Texte, auch für die Wochenendausgabe der Süddeutschen Zeitung. Als er 1971, inzwischen Kinderbuchillustrator, gefragt wurde, warum er für Kinder schreibe und wie es dazu gekommen sei, sagte er, das sei ganz einfach gewesen: "Durch Zufall. Ich saß einmal vor einem Café, und mein Freund Ege sagte: Mensch, mach doch mal ein Kinderbuch! Du sitzt hier immer so herum, das kannst du bestimmt. Das war vor elf Jahren, ich hatte keinen Beruf, hätte eigentlich (Kunst-)Maler werden wollen, was mir aber nicht gelungen war. Und lebte von Gelegenheitsarbeiten." Bis er in der Münchner Kunstszene den Verleger Georg Lentz traf, der mit ihm Bilderbücher machen wollte. 1960 erschien das erste: "Die Geschichte von Valek dem Pferd" unter dem Pseudonym Janosch.

Woher er seine Geschichten nehme? "Zum Teil sind es Kindheitserinnerungen, aber überwiegend tippe ich auf göttliche Intuition", sagt er der SZ. Wie viele Bilder seines inzwischen riesigen Werks erinnern seine Figuren, oft inspiriert von naiver Malerei, von Hundertwasser oder Henri Rousseau, an die Menschen und das Leben in seiner oberschlesischen Heimat. Auch wenn die Bilderbücher bei Lentz nicht sehr erfolgreich waren - Janosch behauptet, die 2000 Restexemplare seien immer noch nicht verkauft -, malte und zeichnete er weiter. Er schuf sich ein eigenes Bestiarium, eine eigene Welt im Kinderbuch, die oft, ironisch gefärbt, ein freundliches, friedliches Miteinander zeigt. Im Bilderbuch "Filipo und sein Wunderpinsel", das er 1965 zusammen mit Mischa Damjan schrieb, verzaubert er wie sein kindlicher Held mit Fantasie und viel bunter, kräftiger Ölfarbe seine Umgebung und bringt die Menschen erst zum Erstaunen und dann zur Einsicht. Man könnte Janosch auch einen Moralisten nennen.

In den nächsten Jahren arbeitete er ununterbrochen, und als der große Erfolg 1978 mit "Oh, wie schön ist Panama" eintrat, wurde er ein gefragter Künstler, der bei den Verlagen Beltz & Gelberg, Diogenes, Bitter, dtv und Dressler veröffentlichte. Auch wenn er für seine Verleger kein einfacher Partner war und sich oft betrogen fühlte.

Vor dem Exzess der Münchner Kunstszene floh Janosch nach Teneriffa

Manchmal gab Janosch auch Antworten auf die Frage, woher er denn wisse, was Kinder lesen wollen. Er schlug dann vor, sie selbst zu fragen. Jedenfalls sei es "nicht das, was sie lesen sollen", sagt er. "Fast grundsätzlich wird das, was sie lesen wollen (und auch lesen), der Trivialkinderliteratur zugerechnet. Wie der Kinderbuchautor damit zurechtkommt, wird seine Kunst sein." Große Ambitionen solle ein Künstler, der für Kinder arbeitet, seiner Ansicht nach nicht haben: "Da ist es besser, er sucht sich einen anderen Job. Nur einfache Gemüter werden hier einen Weg finden."

Als Janosch das exzessive Leben in der Münchner Kunstszene und der Alkoholkonsum immer mehr gesundheitlich zusetzten, entschloss er sich 1980 zum Rückzug in eine abgelegene einsame Gegend auf Teneriffa. Hier schreibt er weiter, bis heute über hundert Kinderbücher, produziert Serien fürs Fernsehen, malt Postkarten und ist sehr erfolgreich beim Vertrieb seiner Figuren als Merchandising-Produkte. Er hat sein Werk auch für Erwachsene erweitert, mit Druckgrafiken und Radierungen und mit seiner freien Malerei, die - oft von grotesker erotischer Faszination - an bäuerliche Votivbilder erinnert. Sie sind in vielen Ausstellungen zu sehen. Dazu hat er Romane veröffentlicht, über das Alter und das Leben auf den Kanarischen Inseln.

Ob er jetzt, mit 90 Jahren, immer noch seine unverschämt schönen Lügengeschichten erzählt, so wie der Nussknacker in "Lari Fari Mogelzahn"? Und sich keine Sorgen über das Alter macht, wie er einmal in einem Interview gesagt hat? "Das ist noch so weit weg, da mache ich mir doch jetzt noch keine Gedanken darüber - ich werde berichten, wenn es so weit ist." Oder lebt er weise, wie der Maulwurf in "Onkel Puschkin, guter Bär" der genau weiß, dass das Glück darin besteht, gar nichts zu wollen? "Junge, wenn du nichts brauchst, bist du der reichste Mann der Welt. Weil du dann alles hast, was du brauchst, und das ist nichts. Nichts bekommst du überall geschenkt. Es kostet ja nichts. Und nichts kann man dir auch nicht stehlen."

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