James Last im Interview:"Banal, was heißt das schon?"

James Last

"Die Welt wäre besser, wenn die Menschen mehr Musik hörten", sagte James Last im SZ-Interview.

(Foto: dpa)

James Last war eine Ikone der leichten Musik. Im März noch sprach er mit der SZ über heimliche Jazz-Nächte und seinen Neuanfang nach einem Millionenbetrug.

Von Malte Conradi und Angelika Slavik

Wenn man sagen würde, James Last war so etwas wie der Dieter Bohlen der 60er-Jahre, wäre das natürlich ein unpassender Vergleich. Aber eine Hitmaschine, das war er schon. Viele hundert Alben hat der Bremer als Arrangeur und Produzent auf den Markt geworfen, der Geschmack der Massen ist seine Spezialität. Im Frühjahr dieses Jahres, kurz vor seinem 86. Geburtstag, ging er noch einmal auf Tournee - und wischte Fragen seiner Gesundheit weg: "Sagen Sie allen, es geht mir gut!" Nun ist der Musiker im Alter von 86 Jahren gestorben. Das Interview mit der Süddeutschen Zeitung vom 20. März 2015 wollen wir Ihnen jedoch nicht vorenthalten.

SZ: James Last, reden wir über Geld.

James Last: Mit mir? Das ist nicht gut, ich hab doch keins!

Ach kommen Sie, mit 80 Millionen verkauften Platten haben Sie kein Geld?

Ich bin ja ständig mit 40 Musikern auf Tournee. Insgesamt sind wir 100 Leute auf Reisen. Es wird immer schwieriger, die Kosten zu stemmen. Jeden Abend muss die große Bühne abgebaut, in der nächsten Stadt wieder aufgebaut werden. Deswegen macht es auch keiner mehr außer uns.

Schade eigentlich.

Klar ist das schade, aber so ist die Welt. Liegt ja nicht an mir. Heute gibt es für große Orchester keine Bühnen mehr, keine Aufnahmestudios und keine Engagements. Das wird jetzt alles digital gemacht.

Kriegen Sie nebenbei schon Rente?

Wie bitte? Rente? Ich bin Musiker!

Aber Sie konnten immer gut von der Musik leben, oder? Sie mussten niemals nebenbei arbeiten.

Was machen Sie denn nebenbei?

Verzeihung? Gar nichts.

Ja eben. Ich auch nicht. Sie sind Journalisten, ich bin Musiker, das reicht doch.

Na ja, für viele Musiker ist es schwierig mit dem Geld, die müssen nebenher kellnern.

Es sind eben auch nicht alle gut.

Wer gut ist, kann von der Musik leben?

Auf jeden Fall. Manche sogar extrem gut.

Müssen Sie sich sehr anstrengen, um den Geschmack der Massen zu treffen?

Überhaupt nicht, das ist ja das Eigenartige an meinem Erfolg. Ich kann meine Gefühle in Musik ausdrücken - und das gefällt vielen Menschen. So einfach ist das.

Sind unter den Hunderten Platten, die Sie gemacht haben, auch ein paar schlechte?

Nein, dann hätte ich sie ja nicht gemacht. Ich habe so viel in den Müll gehauen!

Wie viele waren es denn eigentlich?

Keine Ahnung (lacht). Ein Fan hat mir mal geschrieben, es seien 380. Das hat auch nicht jeder. Aber da müssen welche dabei sein, die nur in Asien verkauft wurden.

Sie haben mal in fünf Jahren 80 Alben gemacht. Wie geht das denn?

Och, wenn man genug im Kopf hat, ist das kein Problem. Musik ist doch so vielfältig.

Wie viel arbeiten Sie am Tag?

Ich arbeite ja nicht. Ich mache Musik, 24 Stunden am Tag. Sie sind jung, Sie wissen doch, wie viel Spaß Musik macht.

Wie lange wissen Sie es denn schon?

Schon immer. Wir hatten nicht viel Geld, mein Vater war Gas-Ableser bei den Stadtwerken. Also machte er nachts Musik, für fünf Mark. Früh morgens kam er nach Hause, schlief ein bisschen am Küchentisch und ging zur Arbeit. Wir hatten nicht viel, aber Musik war Teil unseres Lebens.

Wie arm waren Sie damals?

Nach heutigen Verhältnissen sehr arm. Ich erinnere mich, dass wir freitags nichts mehr zu essen hatten. Als kleines Kind holte ich mit meiner Mutter samstags die Lohntüte meines Vaters ab. Und dann gingen wir einkaufen: Wurstzipfel, Randstücke vom Kuchen und andere billige Reste. Zu Hause gab es ein Festessen. Wir hatten nicht viel, aber alles, was wir brauchten. Wir waren eine glückliche Familie. Wie heute noch. Es ist ein Wunder, wie harmonisch meine Familie ist! Mit meiner ersten Frau war ich 42 Jahre verheiratet, mit der jetzigen auch schon wieder 14 Jahre.

Sie sind für die Ehe gemacht.

Na ja, heute vielleicht. Ich bin ja ein alter Mann. (Grinst.)

Wollten Ihre Eltern, dass Sie was Anständiges lernen?

Mein Vater wollte, dass ich mit 28 Jahren ein Symphonieorchester leite. Also bekam ich eine klassische Ausbildung. Der Krieg brachte dann alles durcheinander. Der einzige Weg zu einer musikalischen Ausbildung war über die Heeresmusikschule.

Fühlten Sie sich dort wohl?

Darum ging es nicht. Es ging darum zu lernen, und zwar richtig. Jeden Tag übten wir, mehrere Instrumente, Musiktheorie - eine stramme Ausbildung. Die Ideologie und die Politik interessierten mich nicht.

Und Sie mussten nicht zur Wehrmacht.

Dafür war ich 17 Tage zu jung. Unglaublich, oder? So ein Glück hat nicht jeder!

Waren Sie dafür dankbar?

Das bin ich erst seit Kurzem. Früher machte ich immer nur Musik, da fiel mir mein ganzes Glück gar nicht auf. Ich schrieb bis zwei Uhr nachts und stand um sechs wieder im Studio.

Sie hätten doch ausschlafen können.

Nein! Ich wollte doch so schnell wie möglich hören, wie das klingt, was ich da in der Nacht aufgeschrieben hatte!

"Die Welt wäre besser, wenn die Menschen mehr Musik hörten."

Wie ging es weiter nach dem Krieg?

Ich kam nach Hause ins zerbombte Bremen und ein paar Tage später stand ein US-Soldat vor der Tür. Ich stand stramm und zitterte. Er sagte nur: "Du machst Musik? Mitkommen!" Er brachte mich in den Soldatenklub und setzte mich ans Klavier. Von da an spielte ich für die Soldaten. Hat Spaß gemacht, ich bekam Zigaretten, die meine Mutter auf dem Schwarzmarkt eintauschen konnte, alles war gut. Von da an nahm mein Leben eine andere Wendung, weil mir bewusst wurde, wie viele Emotionen ich mit Musik ausdrücken kann.

Vor den GIs spielten Sie wohl andere Musik als auf der Heeresmusikschule?

Ja, Swing und Jazz natürlich. Aber das kannte ich schon. Auf der Musikschule hörten wir nachts heimlich ausländische Radiosender. Und die Musik spielten wir dann nach. War natürlich streng verboten. Schon mein Vater hatte viel BBC gehört. Benny Goodman war mein Vorbild. Die Nazis nannten ihn Benni Gutmann und verteufelten ihn, aber das war mir egal. Mir ging es um die Musik, nicht um Politik.

Interessieren Sie sich heute für Politik?

Ach, es ist zum Verzweifeln. Alle reden von Frieden und es herrscht doch nur Krieg. Die Welt wäre besser, wenn die Menschen mehr Musik hörten.

Sie sind ja jetzt in einem Alter, in dem man dauernd geehrt und gelobt wird . . .

. . . ja, aber das war früher viel schlimmer. Ich konnte kaum auf die Straße gehen wegen der vielen Autogrammwünsche. Dauernd schrie einer "Hansi! Komm mal her!"

Haben Sie Angst vor dem Tod?

Nö. Tod gehört zum Leben dazu. Wenn's zu Ende ist, ist Ende.

Vielleicht geht es ja weiter nach dem Tod und Sie können weiter Musik machen.

Das glaube ich nicht. Aber falls es doch so ist, sage ich: Ich will mit Mozart und Kurt Cobain in einer Band spielen.

Allein lief es ja auch ganz gut. Was gönnten Sie sich, als Sie in jungen Jahren bald viel Geld verdienten?

Schokolade. Ich habe Schokolade gekauft.

Wir dachten an Frauen, Drogen, Alkohol.

Also mit Drogen hatte ich nie was am Hut.

Mit Alkohol vielleicht schon eher.

Und mit den Frauen?

He, he! (Grinst.) Erwischt!

Gibt es Musik, die Ihnen gar nicht gefällt?

Kaum, als Arrangeur finde ich überall was Interessantes. Beyoncé finde ich großartig. Insgesamt ist das Niveau doch gestiegen, die Sänger sind heute besser als früher, die Musik ist interessanter.

Früher war nicht alles besser?

Das ist doch Quatsch. So was kann nur sagen, wer in der Zeit stehen bleibt. Wenn ich an mein Bass-Spiel von früher denke und daran, was heute mit dem E-Bass möglich ist - keine Frage, was besser ist!

Würden Sie Ihre Karriere heute gerne noch einmal neu beginnen?

Oh ja, das wäre klasse. Vielleicht wäre ich Rap-Produzent. Ich habe ja mal mit P. Diddy gearbeitet und auch mit Quentin Tarantino. Und viel früher mit Elvis Presley. Damals gefiel mir nicht, wie der sang. Heute kann ich das besser respektieren.

Wie viel Geld haben P. Diddy und Tarantino Ihnen gezahlt?

Gar nichts! Die fragten, ob sie meine Musik nutzen können. Ich sagte: Nehmt es! Lasst mich und meine Arbeit teilhaben an dieser Welt! Geld bedeutet mir nichts.

Aber jeder braucht es doch, um zu leben.

Klar. Aber ich lebe doch. Und zwar gut. Da muss ich doch nicht jeder Mark nachrennen. Zum Glück ist es wieder so, in den 80er-Jahren ging es mir mal schlechter, da hatte ich mein ganzes Geld verloren.

Sein Leben, eine einzige Party

Wie das?

Ich wurde betrogen. Ein Steuerberater riet mir, Getreidefelder in Kalifornien zu kaufen und Ölbrunnen in Sonstwo. Ich reiste sogar hin, um mir alles anzusehen. Doch als ich später beim Finanzamt meine Investitionen geltend machen wollte, stellten die fest, dass mir gar nichts gehörte. Ich wurde reingelegt.

Wie viel verloren Sie?

15 Millionen Mark.

Puh!

Ja, das war ein Schock. So viel hätte ich heute gerne wieder.

Um was zu tun?

Um auf Tournee zu gehen, natürlich! Ich will Musik machen!

Wie ging es damals weiter?

Ich hatte nur noch Schulden. Ich ging zur Bank, um mir eine Million zu besorgen für die nächste Tournee. Doch die fanden mich mit 60 Jahren zu alt. Gott sei Dank bekam ich das Geld von Freunden.

Wie lange dauerte es, bis Sie die Schulden los waren?

Keine Ahnung. Das ging so schnell, dass ich es gar nicht merkte. Ich machte einfach meine Musik und eines Tages hieß es: Das war die letzte Rate, die Schulden sind weg.

Sie haben 15 Millionen verloren und dann wieder verdient, ohne es zu merken?

Sieht so aus.

Wer kümmert sich um Ihre Finanzen?

Meine Frau natürlich, was denken Sie denn?

Deutschland war in den Sechzigern sehr spießig, oder?

Kommt drauf an, wie man das sieht. Warum?

Sie mischten damals Hintergrundgeräusche auf Ihre Platten - klirrende Gläser, Lachen, Partystimmung.

Weil man auf Partys so lange warten musste, bis es richtig losging. Die Aufwärmphase war so lang: "Guten Tag der Herr, wie ist das Befinden? Und die werte Gattin?" Ich wollte Platten machen, mit denen es sofort richtig abgeht. Eben so, wie mein Leben damals war und heute noch ist.

Ihr Leben ist eine einzige Party?

Könnte man sagen, ja. Es wäre gut, wenn alle so wären.

Wie?

Fröhlich. Leicht.

Kann man Leichtigkeit lernen?

Klar. Aber es geht vor allem darum, sie zu behalten.

Gehen Sie denn heute noch auf Partys?

Natürlich, wenn sich irgendwo etwas tut. Wir gehen aber auch gerne zu Konzerten, meine Frau und ich.

Was denn für Konzerte?

Unterschiedlich. Neulich waren wir bei den Black Eyed Peas.

Und? Hat es Ihnen gefallen?

Das ist super, was die machen! Es gibt viele tolle Leute heute. Aber keine ist so gut wie Beyoncé.

Und die deutschen Stars?

Helene Fischer ist auch toll. Die ist doch der einzige echte Star, den wir haben. Die singt mit so viel Gefühl! Ist doch klar, dass das den Leuten gefällt.

Einige Leute finden Helene Fischers Musik, nun ja, banal.

Banal, was heißt das schon? Sie singt die Texte, die zu ihr passen. Das ist schon richtig so.

Es gab eine Zeit, da stammte ein Drittel des Gesamtumsatzes von Polydor von Ihnen. Denkt man da nicht manchmal: Warum zur Hölle bin ich nicht stinkreich?

Komische Frage. Ich bin doch reich. Nicht finanziell natürlich. Aber ich bin jetzt 85 und in meinem Leben ist immer alles gut gewesen. Ganz im Ernst: Das ist doch nicht normal. Mir ist schon klar, dass da jemand auf mich aufpasst, der es gut mit mir meint (hebt den Finger zum Himmel). Danke! Vielen, vielen Dank!

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