Süddeutsche Zeitung

80. Geburtstag von James L. Brooks:Der Beobachter

James L. Brooks setzte bei Fox "Die Simpsons" durch und verhalf Jack Nicholson zu Oscars. Für einen Hollywood-Regisseur blieb er dabei immer fast schon pathologisch unauffällig.

Von David Steinitz

Die Studiobosse in Hollywood, sagt Regisseur James L. Brooks, haben ein Talent dafür, dir das Gefühl zu vermitteln, sie würden dich an der langen Leine lassen. "Aber in Wahrheit ist die Leine natürlich eine Schlinge um deinen Hals."

Deshalb müsse man sich jedes Mal ganz genau überlegen, ob ein Projekt den Stress wirklich wert sei... Nur sechs Filme hat Brooks in seiner fast sechzigjährigen Karriere im Showgeschäft inszeniert, verglichen mit diesem Tempo wirkt selbst der stets abwägende Stanley Kubrick wie ein flinkes Wiesel. Dafür aber hat er wie kaum ein anderer definiert, was man unter dem Begriff Tragikomödie zu verstehen hat, schon in seinem Regiedebüt "Zeit der Zärtlichkeit", 1983. Brooks, Jahrgang 1940, kam vom Fernsehen, war Lohnschreiber gewesen und hatte eigene Comedy-Serien entwickelt wie die "Mary Tyler Moore Show". Larry Mcmurtrys Roman "Terms of Endearment", wie "Zeit der Zärtlichkeit" etwas weniger softpornös im Original heißt, sollte er ursprünglich nur als Drehbuch adaptieren. Brooks aber hatte das Gefühl, ganz genau zu wissen wie man dieses Melodram zwischen Komik und Drama anpacken muss, die Geschichte einer Mutter und ihrer Tochter. Und er fand, als man ihm die Regie anvertraute, ein Ensemble wie es perfekter nur selten harmonierte in der Filmgeschichte. Shirley MacLaine, Debra Winger, Jack Nicholson, Danny DeVito, der Film war bis in die kleinste Nebenrolle perfekt geschrieben und besetzt. Brooks gewann dafür gleich drei Oscars, für den besten Film, die beste Regie, das beste Drehbuch. Ein Hollywood-Triple, mit nur einem Werk, das hat in der Geschichte der Oscars nur eine kleine Handvoll Filmemacher geschafft. Brooks aber blieb der freundliche Mann im Hintergrund. Im Vergleich zu den Glamour-süchtigen Regisseuren seiner Generation - Coppola, Scorsese, Spielberg -, die von den Blitzlichtern und roten Teppichen magisch angezogen wurden, verhielt er sich fast schon pathologisch unauffällig.

Er wusste seine neue Star-Power aber trotzdem zu nutzen, setzte zum Beispiel beim Sender Fox gemeinsam mit Matt Groening "Die Simpsons" durch. Damals eine riskante Wette, heute eine der erfolgreichsten Serien aller Zeiten.

Er ist bis jetzt, in über 30 Staffeln, ihr Produzent. In dieser Funktion entdeckte er auch andere Filmemacher. Wes Anderson zum Beispiel, dessen ersten Spielfilm "Bottle Rocket" er produzierte, oder Cameron Crowe, dem er mit "Jerry Maguire" zum Durchbruch verhalf.

"Besser geht's nicht" war die letzte große New-York-Komödie vor 9/11

Brooks machte ausgedehnte Spaziergänge durch Hollywood, wo sich Adam Sandler wunderte, dass er ihn über die Straße hinweg immer so komisch angesehen habe. Es war ein Casting auf Distanz, Jahre später besetzte er ihn in "Spanglish", 2004.

Am liebsten hielt Brooks aber Jack Nicholson die Treue, dem er zu zwei Oscars verhalf: als bester Nebendarsteller in "Zeit der Zärtlichkeit" und als bester Hauptdarsteller in "Besser geht's nicht", 1998. Das war die letzte große New-York-Komödie vor dem großen Crash von 9/11, als bei aller Schwere der Neurosen noch eine freche Leichtigkeit über der Stadt lag.

Auch inszenierte Brooks Nicholsons bislang letzten Auftritt, der auch sein bislang letzter Film ist, die zärtliche Liebeskomödie "How Do You Know", 2010.

Inmitten des Sturms, sagt Brooks, der am Samstag 80 Jahre alt wird, müsse man sich die Rolle des Beobachters bewahren, wenn man gute Filme machen wolle. "Natürlich stehen am Set Hunderte Leute, aber im Kern empfinde ich das Filmemachen als eine einsame Angelegenheit."

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Quelle:
SZ vom 09.05.2020
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