James Blunt mit neuem Album "Moon Landing":"Ich bin mutiger als meine Kritiker"

Lesezeit: 4 Min.

"Ich wollte nicht mehr auf großartige Musiker angewiesen sein, ich wollte es selbst spüren": James Blunt in Madrid. (Foto: dpa)

Seit dem Erfolg von "You are beautiful" hält sich James Blunt in den Hitlisten. Mit seinem neuen Album, "Moon Landing", das am Freitag erscheint, wird der Brite tiefgründiger. Ein Gespräch über die Kehrseite des Erfolgs, seine soldatische Vergangenheit und den Vorwurf, schmalzig zu sein.

Von Paul Katzenberger

Fast auf den Tag genau vor neun Jahren brachte James Blunt sein Album "Back to Bedlam" auf den Markt, das den Briten nahezu über Nacht weltbekannt machte. Sein Hit "You are beautiful" katapultierte den heute 39-Jährigen 2004 als ersten Engländer nach Elton John auf Platz eins der britischen Single-Charts. Auch seine Folgeplatten "All the Lost Souls" und "Some Kind of Trouble" lagen in den Hitlisten ganz oben. Am kommenden Freitag erscheint sein neues Album "Moon Landing". Bei Süddeutsche.de ist es schon jetzt in voller Länge zu hören.

SZ.de: Sie haben Ihr neues Album "Moon Landing" genannt, weil eine Mondlandung etwas Gewaltiges für Sie ist. Ist das nicht sehr weit hergeholt? Das letzte Raumschiff landete 1976 auf dem Mond, und es war auch noch unbemannt.

James Blunt: Eine Mondlandung ist für mich wie die erste Liebe. Also etwas, das wir gar nicht fassen können, wenn wir es erlebt haben. Gleichzeitig merken wir aber auch, dass wir es traurigerweise nie wieder erleben werden.

Gehören Traurigkeit und Einzigartigkeit für Sie zusammen?

Nicht zwangsläufig. Aber ich fühle mich oft nostalgisch und kenne die Reflexion der Gedanken, die damit einhergeht. Das hört man ohne Zweifel in einigen meiner Lieder. Bei diesem Album wollte ich aber ganz bewusst nostalgisch in die Vergangenheit blicken und zelebrieren, wohin sie mich geführt hat.

Sie hat Ihnen vor allem große Erfolge gebracht.

Einerseits ja. Ich trete inzwischen in riesigen Stadien auf, was genau das ist, was ich mir immer gewünscht habe: Ich wollte immer der Frontman einer Band sein, der elektrische Gitarre spielt, der Lieder für Großarenen schreibt und dann rausgeht. Meine dritte Platte "Some Kind of Trouble" habe ich daher ausschließlich für's Publikum geschrieben. Sie war zuversichtlicher, peppiger und elektrischer als meine Alben bis dahin. In erster Linie ging es mir darum, Spaß zu haben

Und andererseits?

Statt einfach Spaß zu haben, wollte ich, dass "Moon Landing" persönlicher und emotionaler ausfällt. Statt für's Publikum wollte ich Lieder für mich selbst schreiben. Es gab spezielle Momente im Laufe der vergangenen Jahre, die mir diesen Wunsch vermittelt haben.

Können Sie diese Situationen schildern?

Ich begann mit Martin Terefe, Jason Mraz und KT Tunstall zu arbeiten und es ergab sich, dass wir alle auf einmal im Aufnahmestudio waren, zusammen mit dem Produzenten. So entstand das Lied "Blue on Blue", das letzte Lied des neuen Albums. Es ist eine durchgehende Live-Aufnahme, an der nachher nichts mehr optimiert wurde. Richtig old school: Da gibt es keine Manipulationen an meiner Stimme, keine Überarbeitung, kein Make-up, gar nichts. Natürlich hat nicht gleich die erste Aufnahme gepasst, wir haben ein paar Anläufe genommen.

Was war der spezielle Reiz daran?

Ich merkte, dass ich nicht mehr von einem übertriebenen Einsatz der Technik abhängig sein wollte. Das brachte mich darauf, mich auch von anderen Dingen zu verabschieden. Ich wollte nicht mehr auf großartige Musiker angewiesen sein, die für mich spielen. Ich wollte es selber spüren. Im Ergebnis ist das Album so aufgenommen worden, wie ich zuletzt vor zehn Jahren gearbeitet habe: 'Moon Landing' wäre das Album gewesen, das ich schon vor Jahren aufgenommen hätte, wenn 'Back to Bedlam' keine Mainstream-Platte geworden wäre.

In "Bonfire Heart", der ersten Single-Auskopplung von "Moon Landing", singen Sie: "Deine Liebe ist wie ein Soldat, loyal bis du stirbst." Sie selbst waren Soldat, aber möglicherweise nicht immer loyal: Als Ihnen 1999 im Kosovo als Hauptmann der Befehl gegeben wurde, die Landebahnen des von den Russen gehaltenen Flugplatzes von Pristina zu besetzen, verweigerten Sie den Gehorsam.

Meinen eigenen Vorgesetzten gegenüber war ich gehorsam, im Endeffekt also gegenüber General Mike Jackson, der dieser Konfrontation Einhalt gebot.

Der ursprüngliche Befehl kam aber von US-General Wesley Clark, dem damaligen Oberkommandierenden der Nato-Truppen im Kosovo.

Das stimmt. Ich war der Letzte in der Befehlskette, der diese Anweisung bekam. Und in der Tat stellte ich sie in Frage. Denn nach meinem gesunden Menschenverstand ergab sie überhaupt keinen Sinn. In modernen Armeen werden Soldaten heute nicht einfach nur Befehle erteilt, sondern es wird ihnen gesagt, was am Ende herauskommen soll. Für alle Schritte dazwischen sollen sie mitdenken. Glücklicherweise erhielt ich nach fünf Minuten Unterstützung durch einen vernünftigeren Kommandanten. Als er hörte, was mir befohlen worden war, sagte er, das sei absurd.

Jackson soll zu seinem Vorgesetzten Clark gesagt haben: 'Ich werde für Sie nicht den Dritten Weltkrieg anfangen!' Hätte es damals eine ernsthafte Situation zur Folge gehabt, wenn Sie den Befehl ausgeführt hätten?

Absolut. Es wäre irrwitzig gewesen. Die Lehre für mich war, dass die hohe Politik manchmal den gesunden Menschenverstand vor Ort zur Seite drängt. Wir sollten allen Ernstes darum kämpfen, einen Flugplatz unter unsere Kontrolle zu bringen. Stattdessen haben wir uns einfach zurückgezogen und den Flugplatz zwei Tage lang eingekreist. Nach zwei Tagen kamen die Russen zu uns und sagten: "Wir haben kein Essen und kein Wasser. Könnt ihr uns aushelfen?" Wir sagten: "Natürlich können wir das, wenn ihr uns einen Anteil am Flugplatz gebt." Damit hatte sich die Sache erledigt.

Klugheit behielt in diesem Fall die Oberhand über pure Gewalt. Das ist in Kriegen nicht immer der Fall. Wie stehen Sie heute zu Ihrer Zeit als Soldat?

In meinen Liedern erweise ich dieser Zeit immer wieder Referenz, auf 'Moon Landing' ist das auch bei 'Blue on Blue' der Fall: Da geht es an einer Stelle um friendly fire, also wenn die Angehörigen derselben Armee aus Versehen aufeinander schießen. Das Lied enthält somit eine militärische Konnotation, tatsächlich ziele ich aber auf Beziehungen ab, in denen wir manchmal auf die Person "schießen", die wir am meisten lieben.

Ihre Lieder werden oft als schmalzig bezeichnet, vielen gelten Sie als gefühlsduseliger Schmusesänger. Wie stehen Sie zu dieser Aussage?

In der Musik- und Medienszene werden die Dinge manchmal kaum merklich verdreht, und manche Leute suchen immer nur nach dem Negativen, wenn es da eigentlich nur etwas Positives zu sagen gibt. Wenn von mir gesagt wird, dass ich ein empfindsamer Singer/Songwriter sei, dann hört sich das an, als ob das irgendwie ehrenrührig sei.

Vielleicht nicht "tough" genug?

Ein interessanter Vorwurf an einen Ex-Soldaten. Hätte ich damals nicht die Sensibilität dafür gehabt, wo der Feind steht, was seine Absichten sind, wo er seinen Sprengstoff versteckt, dann wären Leute gestorben. Welche andere Aufgabe habe ich als Musiker, als zu fühlen und meine Emotionen zum Ausdruck zu bringen? Natürlich können wir uns mit der Oberfläche der Dinge begnügen, dann singe ich Lieder, in denen es um schnelle Autos und Uhren geht. Aber darum geht es in der Musik nicht: Die Zuhörer sollen etwas fühlen. Und vor 40.000 Leuten seine innersten Ängste freizulegen, erfordert mehr Rückgrat als die meisten Menschen haben. Ich bin schwach, aber in mancher Hinsicht gilt: Ich bin mutiger als meine Kritiker.

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