Jake Gyllenhaal im Porträt:"Ich bitte Sie, am Filmemachen ist nichts hart"

Still und leise wurde er zu einem der besten Schauspieler Hollywoods: Eine Begegnung mit Jake Gyllenhaal, der gerade im Science-Fiction-Film "Life" zu sehen ist.

Von Martin Wittmann

Ein grauer Märztag in Berlin. Der Schauspieler Jake Gyllenhaal sitzt vollbärtig und im schicken Anzug in einem Sessel im Hotel Adlon und tröpfelt Medizin in ein Glas. Er hat Angst um seine Stimme, die braucht er nämlich. Derzeit spielt und singt der 36-Jährige am Broadway in New York. Das ist nicht ungewöhnlich für Hollywood-Schauspieler, die oft vom Minderwertigkeitskomplex verfolgt werden, in der Öffentlichkeit nur als Entertainment-Fuzzis wahrgenommen zu werden. Die Lösung: das Theater. Gyllenhaal tritt dort regelmäßig auf, und er würde viel lieber darüber sprechen, als über seinen Science-Fiction-Film "Life", der seit Donnerstag in den Kinos läuft.

"Am liebsten stehe ich auf der Bühne, da kommt es auf das eigene Spiel an. Beim Film weiß ich als Schauspieler nicht, wie der Winkel der Kamera ist, wie das Licht ist, wie die Szene am Ende überhaupt aussehen wird. Die Verantwortung liegt beim Regisseur, ich kann nur meinen Teil bestmöglich dazu beitragen", sagt er.

Da spricht jemand, weil er muss

Man kennt diesen unverbindlichen und verlässlich bescheidenen Ton, so reden Fußballspieler wie Philipp Lahm über den FC Bayern und den Trainer und die Welt. Die Disziplinen mögen unterschiedlich sein, aber das Prinzip ist das Gleiche: Da spricht jemand, weil er muss. Der eigentliche Job ist zwar ein anderer, das Reden darüber aber eine vertraglich geregelte Zusatzleistung. Wer clever ist und wenig preisgeben möchte, redet viel und sagt trotzdem wenig.

Wenn es um die Vermarktung eines Hollywoodfilms wie "Life" geht, haben Menschen wie Gyllenhaal ein Problem, weil sie mehr an ihrer Star-Tauglichkeit gemessen werden als an ihrer Darsteller-Tauglichkeit. Ein Schauspieler, der auf Promotion-Tour geht und nichts von sich verrät, gilt als Verräter seiner Sache. Dabei ist Gyllenhaal ein originäres Hollywoodgewächs, und zwar von Geburt an. Aufgewachsen ist er als Sohn einer Drehbuchautorin und eines Regisseurs, seine große Schwester ist die Schauspielerin Maggie Gyllenhaal.

Seine Familie lebte in Los Angeles. Die Eltern mögen dort nicht zur obersten Star-Kaste gehört haben, waren aber fest in der Filmbranche verankert, weshalb er sehr prominente Paten bekam: Paul Newman und Jamie Lee Curtis. "Von außen betrachtet mag das außergewöhnlich erscheinen, aber ich wusste damals gar nicht, dass die beiden Stars waren. Ich lernte sie als ganz normale Freunde meiner Familie kennen", sagt Gyllenhaal, in zurückhaltender Philipp-Lahm-Manier natürlich.

Als Kind wurde er wegen seiner dicken Brille Vierauge genannt, sein Selbstbewusstsein holte er sich auf der Bühne. "Meine Eltern bestärkten mich immer darin, sie glaubten an die Kraft der künstlerischen Selbstverwirklichung und nahmen das immer sehr ernst. Sie unterstützten mich auch, als ich das College zwei Jahre zu früh verlassen habe, um meinen Lebensunterhalt selbst zu verdienen."

Wie Gyllenhaal in dem Berliner Hotelzimmer sitzt, sieht er trotz seiner Erwachsenenverkleidung immer noch sehr jung aus (Lahm!), fast wie in seinem ersten großen Film. 2004 hat er mit Roland Emmerich den Katastrophenfilm "The Day After Tomorrow" gedreht, in dem er einen Streber und Musterschüler spielte. Wobei das Verb spielen ein sehr dehnbarer Begriff sein kann. Schaut man sich seine ersten Gehversuche im Kino an, fühlt man sich an Robert Mitchums berühmte Notiz "n.a.r." erinnert. Die schrieb er im Drehbuch neben jede Szene, die seiner Meinung nach ohne jede Schauspielkunst umsetzbar war: no acting required, kein Spielen erforderlich.

Die Liaison mit Taylor Swift hat ihm mehr Aufmerksamkeit gebracht als seine Filme

Aber nach seiner n.a.r.-Phase ergatterte Gyllenhaal bald bessere Rollen. Er war neben Heath Ledger in "Brokeback Mountain" als schwuler Cowboy zu sehen; beide wurden für den Oscar nominiert, Ledger in der Kategorie Hauptrolle, Gyllenhaal, damals noch der größere Unbekannte im Ensemble, als Nebendarsteller. Es folgten Rollen im Irakkriegsdrama "Jarhead" und im Thriller "Zodiac".

Das Problem im Hollywood von heute ist nur, dass die nächste Karrierestufe nach tollen Charakterrollen mittlerweile immer Superhelden-Blockbuster sein müssen. Robert Downey Jr. ist diesen Weg gegangen, Sir Anthony Hopkins und Benedict Cumberbatch auch. Das spezielle Problem im Fall Gyllenhaal wurde aber, dass er mit dieser Berufsplanung ziemlich peinlich auf die Nase flog. Zuerst, weil er sich zwar immer wieder als Batman und Superman bewarb, aber die Rollen immer an andere gingen. Und als dann 2010 mit der Videospiel-Verfilmung "Prince of Persia" doch noch ein Großauftrag reinkam, wurde ausgerechnet dieses 200-Millionen-Dollar-Spektakel zum Superflop.

Er wandelte sich zu einem der manischsten Method-Acting-Vertreter seiner Generation

Und trotzdem war Gyllenhaal in jenem Jahr so gefragt wie niemals zuvor, weil die Unterhaltungsindustrie eben nicht nur von den Ereignissen im Kinosaal gesteuert wird. Das kann man sogar messen. Google hat eine nette Funktion namens "Trends". Sie zeigt an, wann welcher Begriff wie häufig gegoogelt wurde. Die Auswertung der Suche "Jake Gyllenhaal" zeigt in den vergangenen zehn Jahren eine zackige Linie mit einem einzigen großen Ausreißer nach oben, im Winter 2010. Warum? Gyllenhaal war damals kurz mit der Sängerin Taylor Swift zusammen. Die Liaison hat ihm mehr Aufmerksamkeit gebracht als seine Filme zuvor (kein Wunder, dass seinem Kollegen Tom Hiddleston später unterstellt wurde, dessen Schmuserei mit Swift sei nur eine PR-Aktion gewesen).

Aber der Jungstar Gyllenhaal überstand sowohl den Blockbuster-Flop als auch Taylor Swift. Oder, wie er es im Philipp-Lahm-Sprech ausdrückt, ohne den Flop und das Mädchen namentlich zu erwähnen: "Der ganze Prozess war auch etwas, das ich damals in meinem Leben brauchte."

Es folgte Phase zwei in seiner Karriere, genauer gesagt: der Polizei-Film "End of Watch". Kein Film, der die Welt verändert hat, aber sein Selbstverständnis als Schauspieler durchaus. "Der Regisseur, David Ayer, bestand darauf, dass wir die Welt verstehen, in der wir uns aufhalten, damit wir uns darin ganz unbewusst bewegen." Also ging er ein halbes Jahr mit echten Cops auf Streife und wandelte sich zu einem der manischsten Method-Acting-Vertreter seiner Generation. Für seine Reporter-Rolle in "Nightcrawler" nahm er 15 Kilo ab, für das Boxer-Drama "Southpaw" pumpte er seine Muskeln dermaßen auf, dass man ihn kaum wiedererkannte. Ein harter Job? Natürlich nicht in der Gyllenhaal-Rhetorik. "Ich mag das Wort hart nicht. Am Filmemachen ist nichts hart. Manchmal ist es stressig oder schwierig. Aber es ist nicht zu vergleichen mit anderen Dingen, die in der Welt passieren".

Aber die ganze physische Schinderei, muss die wirklich sein? "Ich glaube, dass das Spielen ein Handwerk ist. Dieses Handwerk muss man erlernen. Das kann ein Vergnügen, es kann aber auch schmerzvoll sein", sagt der ehemalige Philosophie-Student und beklagt sich noch ein wenig über die Bequemlichkeit der westlichen Welt. Für ihn hat sich die Plackerei gelohnt, denn seine Filme werden von Jahr zu Jahr besser. Er drehte mit Denis Villeneuve den Doppelgänger-Thriller "Enemy" und das Entführungsdrama "Prisoners". Mit Tom Ford machte er die David-Lynch-Hommage "Nocturnal Animals", mit Jean-Marc Vallée die Ausrastergeschichte"Demolition". In allen vier Filmen spielt er beängstigend undurchsichtige Männer. Vielleicht steckt ein Plan dahinter, vielleicht ist seine private Zurückhaltung eine Art Kontrastmittel, das ihn auf der Leinwand erst richtig zum Leuchten bringt. Denn so bieder er in Interviews als Heimlichtuer ist, so überzeugend ist er in seinen Filmen als Unheimlichtuer. In "Nightcrawler" etwa, wo er einen zynischen Videojournalisten spielt, der nachts lustvoll Verbrechen und Unfälle filmt.

Und warum mit "Life" nun doch wieder ein großer Popcorn-Film im Weltall ? Gyllenhaal verweist auf die Rolle, die er davor gespielt hat, einen Marathonläufer, der beim Bombenanschlag von Boston beide Beine verliert. "Nach diesem schweren Dreh habe ich mit meinem Vater gesprochen, und der sagte: Es ist okay, ab und zu auch mal Spaß zu haben". Gyllenhaals Figur in "Life" ist, verglichen mit seinen vorangegangenen Rollen, bemerkenswert ausgeglichen. Der Schauspieler entschuldigt sich fast dafür, so einen Film gemacht zu haben. "Ich war anfangs unsicher: Ist das wirklich okay? Stehe ich wirklich voll dahinter? Bis ich merkte: Yeah, das gehört auch dazu." Nichts anderes würde Philipp Lahm zum obligatorischen Fototermin einfallen, bei dem die Bayern einmal im Jahr in Lederhosen gesteckt werden.

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