25 Jahre "Die Sterne":Die Interessanten

Zum Geburtstag haben die Diskurs-Rocker aus Hamburg ihre Songs von Wegbegleitern neu interpretieren lassen: "Mach's besser" heißt das Album - und das Motto ihres Konzerts in München

Von Martin Pfnür

Die Sterne

"Die Sterne" funkeln noch: Frank Spilker, Thomas Wenzel und Christoph Leich (von links nach rechts).

(Foto: Robin Hinsch)

Wie groß und integer zugleich diese Band auch heute noch ist, merkt man unter anderem auch daran, dass sie zu ihrem 25-jährigen Bestehen so etwas Selbstbeweihräucherndes wie ein Tribute-Doppelalbum anleiern kann - und dabei doch über jeden Selbstbeweihräucherungs-Verdacht erhaben bleibt. Die Sterne, die dürfen das. Sie haben es sich qua Underground-Legendenstatus, zahlreichen unzerstörbaren Indie-Hits à la "Was hat dich bloß so ruiniert", "Abstrakt" oder "Universal Tellerwäscher" sowie zehn Studio-Alben, darunter kein einziges belangloses, ganz einfach verdient.

Nicht zuletzt jedoch auch mit einem Werdegang, der ebenso von Beharrlichkeit wie von Innovations- und Schaffenslust zeugt. 1992 in Hamburg gegründet und mit famosen Platten auf Funk- und Orgel-Basis wie "Posen" oder "Von allen Gedanken schätze ich doch am meisten die Interessanten" zur Marke gereift, schwangen sich die Sterne in den späten Neunzigerjahren zu einer Instanz in der deutschen Musiklandschaft auf. L'age d'or hieß ihr Label, "Hamburger Schule" ihre musikalische Strömung, die sich begrifflich - in ironischer Anlehnung an Adornos "Frankfurter Schule" - irgendwann verselbstständigte, als mit Tocotronic, Blumfeld und den Sternen drei ebenso hochbegabte wie stilistisch unterschiedliche Diskurs-Rock-Bands aus Hamburg mit deutschen Texten aus einer dicht vernetzten Szene herausragten.

L'age d'or, goldenes Zeitalter, die Zeit von MTV und VIVA 2 also, die Zeit, in der der Musikmarkt noch seiner Vernichtung durch mp3, Download und Streaming harrte, und ein Clip auf einem der Musikkanäle noch einen "Rieseneffekt" auf die Verkaufszahlen haben konnte, wie der Sterne-Sänger und Gitarrist Frank Spilker berichtet. "Der Musikmarkt war ungleich größer, es war mehr Geld im Spiel, und es gab vor allem noch einen musikalischen Mittelstand wie uns. Leute, die sich nicht nach den Spitzenplätzen der Charts gereckt haben, sondern versucht haben, ihre künstlerische Vision zu verwirklichen. Wir hatten einen Spielplatz, auf dem man sich ausprobieren konnte. Heute geht es gleich in die Charts, oder man ist weg vom Fenster."

Dass die Sterne, die seit jeher primär Club-Konzerte spielen, ihre Mittelstands-Position heute weiterhin inne haben, ja dass sie überhaupt weiterhin existierten, lässt sich neben ihrer Beliebtheit als Live-Band auch auf ein Maß an Flexibilität und Risikobereitschaft zurückführen. Als nach "Räuber und Gedärm" ihr letzter Vertrag bei einem Major-Label ausläuft, gründen sie kurzerhand ihr eigenes Label "Materie Records". "Wir hatten einfach noch zu viel Bock, die Sache noch mal selbst in die Hand zu nehmen", sagt Spilker, der sich heute in seiner Existenz als Musiker, freiberuflicher Essay-Texter und Romancier ("Es interessiert mich nicht, aber das kann ich nicht beweisen") finanziell stärker unter Druck sieht als früher.

So erscheint 2010 mit "24/7", entstanden in Zusammenarbeit mit dem Münchner Musiker und Gomma-Labelchef Mathias Modica, via Eigenlabel ein Album, das den Sound der Band erstmals Richtung Disco und ins Elektronische transferiert. Kein kommerzieller Erfolg, aber eine Band, die auch in reiferen Jahren spürbar Lust darauf hat, sich neu auszuprobieren und dabei nichts von ihrem unangepassten Gestus verloren hat.

Nach dem Ausstieg des zweiten Keyboarders Richard von der Schulenburg vom Quartett zum Trio geschrumpft und labelunabhängig, lassen sie es nun jedoch ruhiger angehen, veröffentlichen alle vier Jahre mal ein Album wie zuletzt 2014 das krautrockige "Flucht in die Flucht", vertiefen sich in Neben- und Schreibprojekte, Labelarbeit, Theatermusik und Zweitbands, und lassen auf "Mach's besser: 25 Jahre Die Sterne" nun 24 Stücke ihres gewaltigen Katalogs neu interpretieren. Von Freunden und Wegbegleitern versteht sich. "Universal Tellerwäscher" etwa, im Original ein schmissiges Lehrstück in Sachen Funk-Groove, wird da von Peter Licht in eine entschleunigt schwebende Pianoballade verwandelt.

"Aber andererseits" in der Version von Kreisky um den österreichischen Wahlmünchner Franz Adrian Wenzl kommt ebenso schief gehechelt und trunken daher wie Isolation Berlins Interpretation von "Irrlicht", während Tocotronic-Gitarrist Rick McPhail und seine Teilzeit-Band Mint Mint "Stell die Verbindung her" mit englischem Akzent in die Garage entführen, Stereo Total die Katerstimmung von "Wenn dir St. Pauli auf den Geist fällt" nach Velvet Underground klingen lassen, oder die ebenfalls unzerstörbaren Fehlfarben den Disco-Sound von "Nach Fest kommt Lose" mit viel Energie in den Rock holen.

Besser, wie der Titel des Tribute-Albums auffordert, machen sie und die zahlreichen anderen Interpreten die Songs dabei nicht unbedingt jedes Mal - das wäre angesichts des hohen Qualitätsstandards der Original-Stücke jedoch eh nur schwer möglich. Ein absolut hörenswertes Geburtstagsgeschenk ist diese Coversong-Sammlung aber allemal. In diesem Sinne: alles Gute, liebe Sterne!

Die Sterne, Dienstag, 21. Februar, 21 Uhr, Strom, Lindwurmstraße 88

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