Süddeutsche Zeitung

Jack White in Berlin:Ein Smartphone-Verbot macht noch kein gutes Konzert

Jack White will seinen Konzertbesuchern ein "100 Prozent menschliches Erlebnis" bieten und lässt Handys vor Beginn eintüten. Macht nix - erinnerungswürdig ist diese Show nicht.

Konzertkritik von Volker Bernhard, Berlin

Es gibt viele Möglichkeiten, einen Freitagabend in Berlin zu verbringen. Eine der gewagteren Optionen ist sicherlich der Besuch einer ehemaligen Brache an der Warschauer Straße, zwischen Spree und S-Bahn, direkt neben der East Side Gallery. Dort wird dieser Tage ein weiteres Stück neues Berlin fertiggestellt: Neben architektonisch fragwürdigen Bürogebäuden, der Mercedes-Benz-Arena und einer Shoppingmall soll der Mercedes Platz wohl die Gegend "vitalisieren", wie es so schön heißt. Rooftopbars, Bowlingbahn, Luxuskino und aalglatte Restaurants inklusive.

Inmitten dieser leblosen Stadtrequisite steht die Verti Music Hall. Die neue Eventlocation, in der an diesem Freitagabend das Konzert des amerikanischen Musikers Jack White stattfindet, erinnert passenderweise an eine imposante Donutfabrik. Kurz vor dem offiziellem Beginn ringelt sich eine Menschenschlange vor der Halle auf dem Mercedes Platz, auf Leinwänden wird unter anderem für die Strippertruppe Chippendales geworben. Brav tüten die Besucher ihre Smartphones in Beuteln ein, die magnetisch verschlossen werden, um das Konzert zu einem "100 Prozent menschlichen Erlebnis" zu machen, wie Jack White vor der Tour verkündet hatte.

Im Innern sollen schwarze Industrielampen und unverputzter Beton zeitgeistige Zufälligkeit bezeugen, dabei sind sie so ausgeklügelt wie das Kombi-Spezial, mit dem man seine Snacks (Popcorn, Brezn oder Nachos) aufwerten kann. Mit einem Getränk oder was auch immer, vielleicht einem Plektrum oder einem Einwegfeuerzeug vom Merchandise-Stand. Wahrscheinlich nicht, aber das wäre mal eine Innovation. Diese gibt es dann auf der Bühne tatsächlich - wäre Jack White mal lieber bei dem geblieben, was er gut kann. Statt sich etwas von der reduziert-rauen und kindlichen Kraft der White Stripes zu bewahren, verfällt der Sänger in den Gestus eines Großmeisters, der mithilfe zweier Synthesizerspieler jede Idee so lange mit Versatzstücken anderer Stile zukleistert, bis ein Maximum an Beliebigkeit erreicht ist.

"Hotel Yorba" verkommt zur schmierigen Countrynummer

Diverse Samples und E-Drums sollen wohl Horizonte öffnen, aber sie werden so richtungslos eingesetzt, dass es bestenfalls anbiedernd wirkt. Auch einige alte Schätze, von denen heute weniger als bei anderen Konzerten gespielt werden, finden ihren Weg durch den Wolf: "Hotel Yorba" beispielsweise wird derart von einem Barpiano zugeklimpert, dass es zu einer schmierigen Countrynummer verkommt.

Die Euphorie der Konzertbesucher, die wohl mehrheitlich wegen dieser alten Nummern und weniger wegen des neuen Albums von White gekommen sind, ist eher gedämpft. Trotz großer Freizeit vom Smartphone. So richtig Spaß scheinen jedenfalls nur eingefleischte Fans und solche, die es unbedingt werden wollen, zu haben. Für "The Hardest Button to Button" setzt sich Jack White an ein zweites Drumset. Das unnachgiebige Poltern und Stottern der Trommeln erinnert für einen Moment an die Dringlichkeit der White Stripes. Doch kaum setzen die beiden Synthesizer ein, kehren die Fragezeichen zurück.

Kaum verlässt man den Konzertsaal für ein kurzes Durchatmen, präsentieren einige Bildschirme passende Hashtags zur Veranstaltung. Um die zu nutzen, bräuchte es natürlich das eingetütete Smartphone - und tatsächlich bieten mit großen Magneten ausgestattete Hallenmitarbeiter an, das eigene Handy zu entsichern. Überraschenderweise bleiben die Magneten bis zum Ende der Veranstaltung ungenutzt. Sollte es wirklich so einfach sein, mit einigen Beuteln und etwas medialem Bohei dem digitalen Freund und Helfer Einhalt zu gebieten?

Mit dem letzten Song "Seven Nation Army" hat die Synthesizer-Qual dann ein Ende. Doch kaum wähnt man sich in Freiheit, üben Wasserfontänen und Lichtshow vor der Halle schon mal für ihren großen Auftritt auf dem Nachbarschaftsfest. Auf der Website des Mercedes Platzes strahlt eine Frau im Konfettiregen dem User entgegen, der Claim verspricht: "It's Always Friday". Bitte nicht.

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