Italienische Literatur:Packt ihn, wascht ihn, steckt ihn in mein Zelt!

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Die neapolitanische Autorin Valeria Parrella zielt in ihrem Roman "Enzyklopädie der Frau. Update" auf einen selbstbewussten frivolen Feminismus. Aber leider kommt sie über die Umkehrung alter Klischees nicht hinaus.

Von Insa Wilke

Frauen an die Front! Viva la vagina! Auf dieser Welle des gut gelaunten neualten Geschlechterkampfes reitet die neapolitanische Autorin Valeria Parrella, die 1974 in Torre del Greco geboren wurde, mit ihrem jüngsten Büchlein, feuchtforsch die Flaggen der freien phallophilen Frauen schwenkend, in die Betten ihrer Leserinnen ein.

Ihre Galionsfigur: Amanda, 53 Jahre alt, Architekturdozentin, geboren kurz vor dem wind of change der sexuellen Revolution, von dem sie schon in der Fruchtblase ihrer noch ahnungslosen Mutter wusste, er würde "in den Schlafzimmern die Lichter anknipsen, in den Städten die Schamgrenzen der Paare niederreißen und an den Stränden die Bikinihosen von den Hintern wehen".

Auch Bildung kann geistlos sein, Emanzipation eine hohle Geste, frivoler Witz furztrocken

Ausgerechnet diese mit dem "Wendekreis des Krebses" aufgewachsene Amazone bekommt von ihrer Großmutter die sorgsam aufbewahrten Bände der "Enzyklopädie der Frau" vermacht. Man erinnere sich der Tradition dieser "Aufklärungsschriften": "Wäsch-, Nehe- und Hauß-Geräthe", "Speisekammer und Kinder-Putz", "Juwelen und Schmuck", "Galanterie, Seidne, Wollne und andere Zeuge, so zu ihrer Kleidung und Putz dienlich", aber auch "Bücher-Vorrath, Künste und Wissenschafften" führte beispielsweise Amaranthus alias Gottlieb Siegmund Corvinus 1715 in seinem "Frauenzimmer-Lexicon" als "nutzbare, galante und curiöse" Stichworte auf.

Auch wenn in den Sechzigerjahren "Feminismus" und "Geschlechtergegensatz" dazugekommen sein dürften, der alte Geist bleibt heiß, und man versteht, warum die kleine Amanda von ihren feministischen Eltern nicht vor, sondern auf die Enzyklopädie gesetzt wird. Gut so, gut auch, dass Parrella ihre Amanda mit einem Ergänzungsband beauftragt, Stichwort: alles um bzw. für die Möse. Denn Frau will einfach nur vögeln.

So weit, so witzig. Was dann aber folgt, ist trotz der schmissigen Übersetzung von Gudrun Jäger und Cathrine Hornung fad, abgestanden und geistlos. Ja, auch Bildung kann geistlos sein, Emanzipation eine hohle Geste und frivoler Witz furztrocken. Parrella, die für ihren Erzählungsband "Liebe wird überschätzt" viel Lob erhielt, auch in Deutschland, bedient sich all der billigen Klischees mit vertauschten Rollen: Amanda lässt die Liebhaber mit ihrem Blutstau allein, wenn die so dumm waren und ihr zuerst zum Orgasmus verholfen haben. Amanda entwickelt eine Typologie sexueller Leistungsträger vom Kellner (bedient gut) bis zum Intellektuellen (natürlich kompliziert, kitschig und alles andere als männlich).

Amanda will den Körper, nicht die Idee und nicht das romantische Gefühl und schon gar kein Vorspiel. Und Amanda lässt den "Filippino" ihre schwierigen Sofaflecken wegschrubben, da wird aus Sexismus dann auch noch Rassismus. Ist das emanzipatorischer Witz? - Nein, das ist einfach nur "Warum Männer immer nur Sex wollen, und Frauen von der Liebe träumen" unter umgekehrten Vorzeichen. Der Versuch, diese Schein-Kampfschrift durch Mainstream-Bildung aufzupimpen (die Kapitel heißen "Symposion", "Traurige Tropen", "Troja" usw.) und die satirische antiintellektuelle dialektische Drehung durch gleich zwei Stichwortregister hinzukriegen, ist zu billig.

Das Grundproblem aber dürfte wohl sein, dass Amandas Vorannahme nicht stimmt. Im Leben habe man aus zwei Gründen nichts zu befürchten: "Es hat keinerlei Bedeutung, und um uns über diese Leere hinwegzutrösten, haben wir alles, was wir brauchen." Auf diesem Grund kann weder Unterhaltung noch Literatur entstehen. Wer sich also unter Niveau amüsieren will, sollte einfach gleich zu Allan und Barbara Pease oder Angela Voß greifen, und für diejenigen, denen es um echten Witz und wirkliche Freiheit geht, gibt es "Sarahs Gesetz" von Silvia Bovenschen oder "Anne Lister" von Angela Steidele. Wir haben nämlich wirklich, was wir brauchen.

© SZ vom 13.03.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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