Italienische Literatur:Köhler & Klischee

Kein Klischee fehlt: In Matteo Righettos Bestseller "Die Seele des Monte Pavione" ist die schöne Heldin blond, kann aber nicht lesen.

Von Maike Albath

Ein knorriger Bergbauer muss her, der in bester Italo-Anarcho-Manier gegen die Obrigkeit aufbegehrt, Tabak über die Grenze nach Österreich schmuggelt und durch irgendein Ungemach nicht zu seiner darbenden Familie zurückkehren kann, und zack, schon steht die Handlung eines internationalen Bestsellers. So hat es sich Matteo Righetto, Literatur-Dozent in Padua, ausgerechnet und damit Glück gehabt. Lizenzverkäufe in die halbe Welt, hymnische Besprechungen in Italien.

"Die Seele des Monte Pavione" heißt Righettos Roman, angesiedelt im Veneto um 1900, und genauso kitschig wie der Titel ist das gesamte Buch. Von der gottesfürchtigen Mutter über den verschwiegenen, unbeugsamen Vater bis zum triebgesteuerten Köhler fehlt kein Klischee. Nach dem Verschwinden des Patriarchen tritt die älteste Tochter Jole den gefährlichen Weg über die Berge an, so viel Gendergerechtigkeit muss sein: "Sie sah schön aus, wie sie auf ihrem Haflinger ohne Sattel saß, schön und stark, als könnte nichts und niemand auf der Welt sie aufhalten."

Na dann! Verführerische Posen beim Baden im Gebirgsbach, wobei sie ihr langes Blondhaar wie Petrarcas Laura über ihre Schultern fallen lässt, werden durch ihre Treffsicherheit beim Schießen kontrastiert. Hinter jeder Tanne verbergen sich Bösewichter, am Ende gibt es Tote, und die Heldin kann zwar weder lesen noch schreiben, hat aber beim Betrachten des Monte Pavione gelehrte Vergleiche parat: "Seine Form hatte etwas Totemistisches, fast Sakrales." Zum Glück lugt dann auch eine gute Hirtin - die Gendergerechtigkeit - hinter den Felsen hervor, bis sogar der Papa wieder auftaucht. "So wenig ihr das Leben bisher auch geschenkt hatte, dieses Wenige verdankte sie einzig und allein der Kraft und dem Zusammenhalt der Familie." Dann ist ja alles paletti.

Matteo Righetto: Die Seele des Monte Pavione. Aus dem Italienischen von Bruno Genzler. Blessing Verlag, München 2019. 240 S., 20 Euro.

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