Süddeutsche Zeitung

Istanbul vor dem Freitagsgebet:Ausnahmezustand

Sicherheitsvorkehrungen für eine Million Besucher und ein 2000 Quadratmeter großer Teppich für den Steinboden: Die Stadt und ihre neue Moschee wappnen sich für das Großereignis.

Von Tomas Avenarius

Mit dem Gebet an diesem Freitag wird die 1500 Jahre alte Hagia Sophia wieder als Moschee genutzt. Die Zeremonie ist als eine Art Staatsakt organisiert. Präsident Recep Tayyip Erdoğan wird das Gebet zwar nicht leiten, das macht der Chef der türkischen Religionsbehörde Diyanet, Ali Erbaş. Dennoch werden alle Kameras auf den Staatschef gerichtet sein. Der ist nicht nur strenggläubiger Muslim, er betreibt auch eine nationalislamistische Agenda: Die Hagia Sophia ist neben der Kaaba in Mekka und der Al-Aksa-Moschee in Jerusalem der bekannteste religiöse Ort für viele Muslime. Die ehemalige Kirche von einem Museum wieder in eine Moschee umzuwandeln unterstreicht Erdoğans politischen Führungsanspruch für die islamische Welt.

Das Gebet mit der Freitagspredigt beginnt um 13.16 Uhr. Die Sicherheitsvorkehrungen sind hoch: Donnerstagabend wird die Altstadt für Autos gesperrt, sie ist das touristische Herz der 16-Millionen-Stadt. 2019 hatten 3,7 Millionen Gäste die Hagia Sophia besucht.

Die Hagia Sophia ist seit Tagen geschlossen. Im Inneren legten 75 Arbeiter einen 2350 Quadratmeter großen türkisfarbenen Teppich auf dem Stein- und Marmorboden aus. Der Teppich, von Erdoğan persönlich ausgesucht, wurde in Rekordzeit angefertigt, das Muster ist osmanisch, die Fasern werden mit einem Spezialgebläse so ausgerichtet, dass sie nach Mekka deuten. Die christlichen Fresken und Mosaiken werden wegen des islamischen Bilderverbots provisorisch abgedeckt. Geladen sind 500 Gäste. Um die Hagia Sophia werden bis zu einer Million Gläubige und Schaulustige erwartet.

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Quelle:
SZ vom 24.07.2020
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