Islamische Kunst:Retten, was zu retten ist

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In Kairo wurde das Museum für Islamische Kunst wiedereröffnet, nachdem es vor drei Jahren von Terroristen mit einer Autobombe größtenteils zerstört worden war.

Von Paul-Anton Krüger

Rote Punkte in den Glasvitrinen erinnern an den Tag vor fast genau drei Jahren, an dem Terroristen mit einer massiven Autobombe nicht nur das Sicherheitsdirektorat in der Innenstadt von Kairo attackierten, sondern auch das gegenüberliegende Museum für Islamische Kunst verwüsteten. Die mit Ornamenten verzierte Fassade des 1880 errichteten Gebäudes wurde schwer beschädigt an diesem Freitagmorgen, dem 24. Januar 2014, aber die Druckwelle wütete auch tief im Inneren. Sie riss die Fenster aus ihren Rahmen und schleuderte wertvolle, teils einmalige Ausstellungstücke aus 15 Jahrhunderten auf den Boden. Dort lagen sie zwischen zersplitterten Glasvitrinen, Elementen der abgehängten Decke, Scheinwerfern, Lüftungsrohren. Sechs Menschen starben bei diesem Anschlag und zwei weiteren am selben Tag.

Die roten Punkte zeigen nun die 169 Exponate an, die wieder restauriert werden konnten: Holzsimse mit filigranem Schnitzereien, Gebetsnischen aus Moscheen, Einlegarbeiten aus Elfenbein und Ebenholz, kunstvoll bemalte Glaslampen und Teller. Nur zehn Stücke gingen unwiederbringlich verloren, darunter laut Direktor Ahmed el-Schoki aber auch einige sehr wertvolle, so ein Porzellan-Teller aus der Zeit des Umayyaden-Kalifats (661 bis 750 nach Christus) und ein dekorierter Porzellan-Krug aus der Ära der Ayyubiden, die Ägypten von 1171 bis 1252 beherrschten. Mit Pinseln hatten seine Mitarbeiter versucht, Keramikscherben von Glassplittern zu trennen und zu retten, was zu retten war.

Seit Freitag ist die leicht modifizierte Ausstellung wieder für die Öffentlichkeit zugänglich. Am Mittwoch hatte Staatspräsident Abdelfattah al-Sisi das Museum eröffnet - das Polizeihauptquartier auf der anderen Straßenseite war freilich schon früher wieder in Betrieb genommen worden, wenn auch dort keine Scheibe ganz geblieben war. Verbunkert hinter einer Betonwand versehen die Beamten dort nun ihren Dienst, und wer es wagt die nun wieder sandfarben strahlende Fassade des Museums mit dem Mobiltelefon zu fotografieren, der findet sich schnell in einem der Korridore der Festung wieder, um sich von einem Offizier belehren zu lassen, dass dies ohne Genehmigung nicht erlaubt sei.

Die Episode zeugt, auch wenn der Offizier ausgesucht freundlich ist, von der Paranoia, die auf Kairo und dem ganzen Land lastet und auch der Kultur und Kulturschaffenden immer mehr die Luft abschnürt. Es war bei weitem nicht der letzte Anschlag von Ansar Beit el-Maqdis, wie damals die Gruppe noch hieß, die sich später der Terrormiliz Islamischer Staat anschloss. Im Dezember schickte sie einen Selbstmordattentäter in eine koptische Kirche, im Jahr zuvor bombte sie einen mit mehr als 200 russischen Urlaubern besetzten Flieger aus dem Himmel und Ägyptens Wirtschaft nahe an den Abgrund.

Es war großzügige Hilfe aus dem Ausland, die es möglich gemacht hat, das Museum wieder herzurichten und mit einem modernen Beleuchtungssystem und Vitrinen auszustatten, die internationale Vergleiche nicht zu scheuen brauchen. Die vereinigten Arabischen Emirate stellten im Jahr 2015 50 Millionen ägyptische Pfund zur Verfügung; nach damaligem Kurs knapp sechs Millionen Euro, Italien spendete 800 000 Euro, die Unesco 100 000 Dollar, das American Research Center in Kairo und die Schweizer Botschaft eine ähnliche Summe für die Restaurierung der Fassade. Experten aus verschiedenen Museen in den USA, in Deutschland und Österreich halfen mit Fachwissen und schulten Kuratoren und Museumsmitarbeiter.

Die Exponate zeugen von einer offenen, toleranten Kultur

Ägyptens Antikenminister Khalid el-Enany sagte, die Eröffnung des Museums verkörpere "Ägyptens Sieg gegen den Terrorismus, seine Fähigkeit und seinen Willen, wiederaufzubauen, was der Terrorismus zerstört habe und sich jedem Versuch von Terroristen entgegenzustellen, sein historisches Erbe zu zerstören." Tatsächlich hatten es die Dschihadisten nicht in erster Linie auf die Kulturgüter abgesehen, aber in der kruden Ideologie des sogenannten Islamischen Staates gelten historische Zeugnisse früherer Epochen als Götzenwerk, auch wenn es Zeugnisse einer islamischen Kultur sind.

Die Ausstellung des Museums, gezeigt werden jetzt 4400 von mehr als 100 000 Stücken, zeugt davon, dass dies auch eine offene, tolerante Kultur war, die Völker und Religionen miteinander verband. Wer das Haus durch den Haupteingang betritt steht vor der silberbeschlagenen Tür einer Moschee, deren Muster ein Künstler in die Bleche ziseliert hat, der selber kein Muslim war. Bei einem Rundgang, chronologisch und teilweise thematisch angelegt, gibt die Sammlung, eine der wichtigsten der Welt, einen Überblick über Kunsthandwerk und Kulturtechniken, die aus der islamischen Kultur hervorgegangen sind. Das ist das beste Gegengift zu den puritanischen Vorstellungen der Fundamentalisten.

Dem Besucher erschließt sich die Sammlung, weil sie mit mehrsprachigen Schildern ausgestattet ist und anders als im bei Touristen weit beliebteren Ägyptischen Museum die Ausstellung nicht überfrachtet ist wie eine Rumpelkammer. Man kann sich bewegen, staunen, fühlt sich nicht erschlagen, kann Räume erfahren, Arrangements aus alten Holzdecken und Brunnen, die für die islamische Architektur stilprägend sind, dazu Teppiche, Schmuck, Kalligrafien. Man kann Muster erkennen und die sich wiederholenden Elemente. Und es findet sich Leben: Darstellungen von Tieren und auch Menschen. Das Erbe eines Islam, den die Dschihadisten vergessen machen wollen.

© SZ vom 23.01.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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