Iran: Moralpolizei überwacht Dresscode:Runter mit den westlichen Klamotten

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Nach den Frauen sind nun die Männer dran, die sich nicht an den Dresscode des Regimes halten: Irans Moralpolizei sucht nach Männern mit Ketten, mondänen Frisuren oder kurzärmeligen Hemden. Wer sich falsch anzieht, muss eine Geldstrafe fürchten - und sogar eine Verhaftung.

Camilo Jiménez

Die Moraltrupps des Iran sind wieder im Einsatz, 70 000 Mann patrouillieren seit Beginn dieser Woche durch die Straßen iranischer Städte und vollstrecken Razzien. Gesucht werden Männer, die Halsketten tragen - und werden sie gefunden, droht ihnen eine Geldstrafe oder sogar die Verhaftung. Denn Ketten, so ein neuer Nachtrag in Teherans "Plan zur Sicherung der Moral", der am Dienstag bekannt wurde, seien "nicht islamisch". Sie stellten ein "kulturelles Problem" dar, das zur "blinden Imitation der vulgären westlichen Kultur" führe.

Iranische Polizisten verwarnen Frauen wegen ihrer Kleidung nach dem "Plan zur Sicherung der Moral", der am Dienstag bekannt wurde. Und auch Männer geraten nun in den Fokus der Moralpolizei. (Foto: dpa)

Intoleranz gegen den Westen ist im Iran nicht neu, auch nicht in scheinbar nachrangigen Dingen wie dem Dresscode. Bereits im Jahr 2001 gab es Berichte über die sogenannte Moralpolizei des Geistlichen Führers Ajatollah Ali Khamenei, die eine Übernahme westlicher Moden verhindern sollte. Wer "Zeichen und Symbole der Depravation" öffentlich präsentierte, wurde bestraft. Schon damals wollte das Parlament den Besitz von Hunden kriminalisieren. Ladenbesitzer warnte die Polizei davor, Damenunterwäsche und nackte Mannequins in die Vitrinen zu stellten oder Produkte zu verkaufen, die westliche Prominente zeigten. In Cafés durften Frauen nicht bedient werden, die sich nicht an den Dresscode des Regimes hielten.

Insbesondere Frauen stehen unter Druck. Das Frauenbild der Revolution sieht das hijab vor, das Kopftuch als Emblem der antiwestlichen Emanzipation. Die Hüter der iranischen Moral unterdrücken den immer populäreren bad hijab: das lose Kopftuch, das viel Haar freilässt, oft mit engen Mänteln und kurzen Hosen getragen wird und als Symbol einer souveränen Gesellschaft gilt. Frauen, die sich nicht von Kopf bis Fuß bedecken, müssen mit Strafen rechnen.

Doch jetzt sind es die Männer, die in den Blick der Moralpolizei geraten. Nicht nur Ketten tauchen im Katalog des Verbotenen auf, sondern auch mondäne Haarschnitte und kurzärmelige Hemden. Betroffen sind vor allem junge Männer, die sich nach einer offenen Gesellschaft sehnen und westliche Werte nicht als Sünde, sondern als Fortschritt ansehen. Es waren just junge Männer und Frauen, wohl auch mit Kettchen und Pferdeschwanz, die den arabischen Frühling in Gang setzten.

Ob die neuen Aktionen der iranischen Moralpolizei eine präventive Maßnahme gegen einen Aufstand bilden, bleibt offen. Das Ketten-Verbot erinnert jedenfalls an den Ruf "a bas les costumes!" (Nieder mit den westlichen Klamotten!) des ehemaligen kongolesischen Präsidenten Mobutu Sese Seko. Jeder Bürger hatte von 1971 an eine Weste mit Mao-Kragen zu tragen. Jahre später wurde die Vorschrift abgeschafft, und Mobutu ging in die Weltgeschichte des Grotesken ein. Bessere Aussichten hat das iranische Kettenverbot nicht.

© SZ vom 18./19.06.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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