Iran:Die Sanktionen machen die Diebe fetter und die Armen ärmer

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Warum die Literaten weniger unter der Zensur, aber mehr unter den hohen Papierpreisen leiden. Von Mahmud Doulatabadi

Gastbeitrag von Mahmud Doulatabadi

Jeder, den man trifft, fragt zuerst: "Was gibt es Neues?", "Hast du neue Nachrichten?" Viele Gerüchte sind im Umlauf. Am besten aber beschreiben die Worte "Ich weiß es nicht" die Stimmung im Land. Denn Nichtwissen ist besser als Halbwissen. Daher äußere ich mir nur zu dem Bereich, in dem ich als Schriftsteller arbeite, zu den Verlagen und Autoren.

Erstaunlicherweise zeichnet sich in diesen turbulenten Zeiten eine kulturelle Öffnung ab. Die hohen Besucherzahlen bei der Internationalen Buchmesse in Teheran und die Milderung der Zensur deuten eine Tendenz zum Besseren an. Ich selbst habe in diesem Frühjahr zwei Bücher ohne jede Zensur und ohne lange Wartezeit veröffentlichen können: "Über mich hinaus" und "Draußen vor der Tür". Danach ging ich auf eine Lesereise in mehreren Städten. Solche Veranstaltungen nehmen zu, und sie werden die Zivilgesellschaft stärken.

Doch während die Zensur nachlässt, stehen Autoren und Verlage vor einem neuen Problem: Das Papier wird teurer. Es herrscht ein regelrechter Mangel. Dies ist auch eine Folge der Sanktionen, die überall Mangel und Teuerung erzeugt haben. So wird der Druck, den bisher die Zensur ausübte, durch den Druck durch den Papiermangel ersetzt.

Die Zensur hat in unserem Land eine lange Tradition. Mein Leben als Autor ist mit Gift und Bitterkeiten gemischt. In den Achtzigerjahren durfte fünf Jahre lang kein einziges meiner Bücher erscheinen. Ich verlor meine Lehrtätigkeit an der Universität. Es herrschte Krieg zwischen Iran und dem Irak. Ich suchte Zuflucht in einer Ruine und versuchte, dort weiterzuschreiben. Erst mit der Amtsübernahme von Präsident Mohammed Chatami im Jahr 1997 wurden meine Bücher von der Zensur genehmigt.

Aber während der Präsidentschaft von Mahmud Ahmadinedschad wurde vier Jahre lang eine Neuauflage meines Romans, "Die vergangene Zeit betagter Menschen" verhindert, den ich vor und während des Krieges geschrieben hatte. Der Verlag durfte meine Bücher nicht neu auflegen.

Dann wurde es noch bemerkenswerter. Ich hatte den Roman "Der Colonel" in den Jahren 1983 bis 1985 geschrieben, das Manuskript aber erst fast ein Vierteljahrhundert später meinem Verlag übergeben. Das Buch ist bis heute nicht in Iran erschienen. Nachdem ich jahrelang vergeblich gewartet hatte, entschloss ich mich, den Roman für Übersetzungen im Ausland freizugeben. Die erste Übersetzung erschien beim Züricher Unionsverlag auf Deutsch, danach folgten Übersetzungen in andere Sprachen.

Immer wieder fragte ich die Zensurbehörde, wann "Der Colonel" in Iran erscheinen könnte, erhielt aber keine eindeutige Antwort. Als Präsident Rohani im Wahlkampf eine größere Öffnung ankündigte, gab auch ich ihm meine Stimme und erklärte öffentlich, dass ich mich noch einmal um die Freigabe meines Romans bemühen werde. Der neue Minister für Kultur und Islamische Führung, dem auch die Zensurbehörde untersteht, begrüßte mein Vorhaben und lud mich zu einem Gespräch ein. Er hatte sich in der Presse lobend über mich geäußert. Es wurde ein Gespräch in freundlicher Atmosphäre. Der Minister hatte den Roman gelesen, forderte mich auf, es noch einmal zu überarbeiten. Er sollte an den Feiertagen zum Jahresbeginn, also am 21. März, veröffentlicht werden. Dann würden keine Zeitungen erscheinen, er würde also kein öffentliches Aufsehen erregen. Zudem hatte ich zugestimmt, zwei Monate lang nach dem Erscheinen keine Interviews zu geben.

Nicht nur für die Kulturschaffenden, sondern vor allem auch für die Frauen bedeutet jede Liberalisierung einen Lichtblick: Iranerinnen an einem Teich in Teheran. (Foto: Regina Schmeken)

Froh und zufrieden ging ich nach Hause. Am nächsten Tag rief mich ein junger Journalist an und fragte, ob "Der Colonel" freigegeben worden sei. Ich sagte - ohne weiteren Kommentar - "Nein". Am nächsten Tag erschien auf der Titelseite einer Zeitung mit dem Namen Aseman ein ganzseitiges Foto von mir mit der Überschrift: "Der Colonel hat die Hürde der Zensur überwunden." Kurz darauf rief mich der Verleger an und sagte, es sei ein Buch mit dem Titel "Der Colonel" erschienen. Er habe bei der zuständigen Behörde dagegen protestiert, doch sei das Buch bereits auf dem Markt.

Als ich erfuhr, dass es eine Fälschung war, bekam ich einen Schock. Jemand hatte die deutsche Übersetzung ins Persische übersetzt und dabei beliebige Änderungen vorgenommen. Der junge Journalist, der mich angerufen hatte, sagte zu mir, er sei ausgerechnet vom Cheflektor meines iranischen Verlags angewiesen worden, das Titelblatt zu produzieren, obwohl er ihm gesagt habe, dass der Autor, also ich, das Gegenteil behaupte. "Kümmere dich nicht darum, tu, was ich dir sage", habe er geantwortet.

Aseman war seit Langem verboten. Das Verbot wurde nur für diese Ausgabe vom Ministerium für Kultur und islamische Führung aufgehoben. Bei dem Verleger der Fälschung hatte man Raubdrucke entdeckt, er war vor Jahren verhaftet und gegen eine hohe Kaution wieder freigelassen worden. Ich habe gegen ihn geklagt, zum Prozess erschien er nicht. Er wurde zu einem Jahr Gefängnis verurteilt. Ich ließ ihm ausrichten, dass ich meine Klage zurückziehen würde, wenn er mir sagt, wer den Roman übersetzt hatte. Er lehnte ab.

Versuchen Sie, sich in meine Lage zu versetzen. "Der Colonel" wurde zweimal geopfert. Einmal durch die Umstände und zum zweiten Mal durch eine Verschwörung, an der das Ministerium für Kultur und islamische Führung und das Lektorat jenes Verlags beteiligt waren, der mit der Veröffentlichung meiner Werke gegründet worden war. Die Geschichte zeigt, wie viel Beharrlichkeit und Selbstbewusstsein ein Schriftsteller braucht, um in dieser Gesellschaft und dieser Staatsordnung zu existieren. Dazu die zermürbenden Niederträchtigkeiten, die Denunziationen. Sobald dir etwas angehängt wird, tauchen die schmutzigen Hände der Geister auf. Wegen solcher Denunziationen lag mein Roman "Die Art, gelyncht zu werden" zehn Jahre lang bei der Zensurbehörde und wurde erst im vergangenen Jahr wortgetreu veröffentlicht.

Die kulturelle Öffnung ist nicht auf das Wohlwollen staatlicher kultureller Institutionen oder des Kulturministeriums zurückzuführen. Es sind der Widerstand, die Geduld, die unermüdliche Arbeit und der Glaube an Veränderungen, die die Instanzen zu Zugeständnissen gezwungen haben und zwingen werden.

Doch jetzt, wo die Zensurbehörde und die Verantwortlichen die Verbote gemildert haben und der Druck von oben allmählich erträglicher wird, taucht ein neues Problem auf und es wird täglich spürbarer. Die Inflation, der drastische Fall der Landeswährung und die enorme Preissteigerung, vor allem für Papier. Wenn es so weitergeht, wird kaum noch jemand Bücher kaufen und die Wirtschaft übernimmt die Funktion der Zensurbehörde.

Überschwemmungen haben viele Familien in den nördlichen Provinzen ruiniert. Manche sagen, sie seien die Folge illegaler Rodungen der Wälder, die als Rohstoff für die Papierherstellung verwendet werden. Aber wären neue Bäume angepflanzt worden wie in anderen Ländern, hätte es weder Papiermangel noch Überschwemmung gegeben.

Verantwortlich für diese Misere ist die Rentenökonomie, die Korruption, die zu einer Normalität geworden ist. Sie hat eine "neue Klasse" hervorgebracht, die meint, alles sei erlaubt, mit Ausnahme dessen, was nicht machbar ist. Für diese "Klasse" sind die Sanktionen ein Geschenk, nach dem Motto: "Diebe suchen chaotische Märkte." Ja, diese Diebe, die Profiteure der Rentenökonomie, sind in allen Bereichen der Gesellschaft aktiv. Ein paar sitzen im Gefängnis. Doch der heimliche und der offensichtliche Raub setzt sich im ganzen Land fort. Je verworrener die Lage wird, desto günstiger sind die Chancen für den großen Raub.

Vielleicht könnte dies ein Signal sein an jene Mächte, die die Sanktionen anordnen. Sie sollten wissen, dass sie mit ihren Strafmaßnahmen die Diebe feister machen und die normale Bevölkerung tiefer in Not und Armut treiben.

Was mir seit Jahren bedenklich erscheint, ist die Feindbildung in unserem Land, die mir sehr suspekt vorkommt. Ich frage mich, mit welchem Ziel und zu welchem Zweck die Feindschaft zu anderen Staaten geschürt wird. Seit dem Ende des Iran-Irak-Kriegs habe ich in mehreren Artikeln und Interviews die Notwendigkeit freundschaftlicher Beziehungen zu anderen Staaten betont. Aber es scheint, als werde das Schicksal der Schwellenländer von der "großen Politik" bestimmt, von der Menschen wie ich keine Ahnung haben.

Also halte ich mich an den großen persischen Dichter Hafis, der sagt: "Verstecke deine Zunge, denn es ist nicht die Zeit zum Reden." Wird es einen Weg zum Frieden geben? Ich weiß es nicht.

Deutsch von Bahman Nirumand.

© SZ vom 21.05.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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