Interview zu den Folgen von Abu Ghraib:Die Bush-Regierung verteidigt Folter bis heute

Sicherheitsexpertin Karen J. Greenberg spricht über die Folgen der Bilder von Abu Ghraib. Seit deren Veröffentlichung habe sich nichts geändert, im Gegenteil, sagt die Juristin: Inzwischen verteidige die Bush-Regierung Folter sogar.

Andrian Kreye

Karen J,. Greenberg leitet das "Center on Law and Security" der New York University, eines der weltweit führenden Institute, die den Krieg gegen den Terror und seine Folgen untersuchen. Sie ist Ko-Autorin der Studie "The Torture Papers", welche im Februar 2005 die Legalisierung der Folter durch die US-Politik nachwies. Derzeit arbeitet sie an einem Buch über das Gefangenenlager in Guantanamo Bay.

SZ: Wissen wir inzwischen, was in Abu Ghraib geschah und nicht auf den Fotos zu sehen ist?

Karen J. Greenberg: Damals wurden ja mehrere hundert Fotos gemacht. Und die, die man uns damals zeigte waren zwar furchtbar, aber man sah nicht diesen unfassbaren Schmerz wie auf vielen anderen. Deswegen gab es von Anfang an den Verdacht, dass es sich hier nur um die Spitze des Eisberges handelte. Was Errol Morris in seinem Film andeutet ist ja, dass es sich eben nicht nur um ein paar 'faule Äpfel' in den unteren Rängen handelte. Die Wahrheit ist, dass es sowohl ein paar solcher faulen Äpfel und eine systematische Politik der Folter des Pentagons waren.

SZ: Ist das nicht ein Widerspruch?

Greenberg: Nein. Das Pentagon wusste, dass Chaos ein Umfeld schafft, in dem solche verschärften Verhöre stattfinden können. Und was einem beim Thema Folter immer wieder begegnet, nicht nur in diesen aktuellen Fällen - sobald Menschen nackt sind, gelten keine Regeln mehr. Nacktheit funktioniert wie ein Auslöser für den Zusammenbruch der zivilisierten Ordnung. Und das war in Abu Ghraib der Fall, das war kein Befehl von oben, sondern reines Chaos.

SZ: Aber ist das sogenannte verschärfte Verhör im Krieg und auch bei der Polizei nicht Alltag? Teil unserer Kultur? Jeder Filmheld muss erst mal das Gesetz brechen, um das Gesetz zu schützen.

Greenberg: Aber wir haben die Regeln nicht gebrochen. Wir haben neue Regeln aufgestellt. Wenn Clint Eastwood als Dirty Harry sagt, ich kümmere mich nicht um Regeln und Vorschriften, mich interessiert nur, den Bösewicht zu kriegen, ist das immer noch illegal. Deswegen stimmt das Bild von der Spitze des Eisbergs auch nicht. Der ganze Eisberg ist ein anderer.

SZ: Was hat sich denn verändert, seit die Bilder aus Abu Ghraib ans Licht kamen und Ihre Studie "The Torture Papers" vor zweieinhalb Jahren den Weg zur Legalisierung der Folter enthüllte?

Greenberg: Nichts. Im Gegenteil. Erst haben sie alles abgestritten. Dann haben sie Folter einfach neu definiert. Und dann haben sie die Folter sogar verteidigt. Das fing im September 2006 an, als George Bush verkündete, dass sie Abu Zabaida gefangen hatten, dass seine Vernehmung so wichtig sei, dass sie die 14 ,Gefangenen von besonderem Wert' nach Guantanamo bringen würden. Da hat er das Vorgehen der CIA verteidigt.

SZ: Das ist schon fast zwei Jahre her.

Greenberg: Bush und Condoleezza Rice haben Folter erst diese Woche wieder verteidigt. Vor zwei Wochen wollten sie ein Gesetz durchbringen, das Verhörspezialisten der CIA von den Regeln ausnehmen sollte, die für Militärs bei Verhören gelten. Alles, was wir erreicht haben, ist, dass Guantanamo Bay in ein Vorzeigelager verwandelt wurde, wo sie zeigen können, wie vorbildlich die Gefangenen versorgt werden. Nein, diese Regierung verteidigt nach wie vor die Folter.

SZ: Wie weit ist die Legalisierung der Folter denn fortgeschritten? Kann ein nächster Präsident das wieder rückgängig machen?

Greenberg: Oh ja. Das ist ganz einfach. Der nächste Präsident muss einfach Führungsqualitäten beweisen. In den letzten Jahren gab es überhaupt keine Führung. Da gab es nur hier einen Vorstoß und da einen und vor allem viel Hinterzimmerpolitik. Um Folter zu beenden, muss der nächste Präsident gar nichts tun, er muss auch kein Gesetz erlassen. Er muss es nur aussprechen: Folter ist illegal. Gemäß der amerikanischen Verfassung, gemäß des Militärrechts, gemäß des Völkerrechts. Wir sind Mitglied der Vereinten Nationen, und wir sind stark genug, um Folter nicht nötig zu haben.

SZ: Dann war die Legalisierung der Folter bisher lediglich eine Auslegung existierenden Rechts?

Greenberg: Ja. Folter ist ein Rechtsbruch. War es schon immer. Außerdem ist Folter eine schnelle Pseudolösung. Deswegen ist es auch Blödsinn, die CIA von den Regeln auszunehmen. Die einzig relevanten Informationen bekommt man von Informanten. Und um die aufzubauen, dauert es Jahre. Strategisch macht Folter keinen Sinn.

SZ: Wie stehen denn die aktuellen Anwärter auf die Präsidentschaftskandidatur zum Thema Folter?

Greenberg: McCain hat die Ausnahmeregelung für die CIA unterstützt. Was ich nicht verstehe. Sowohl Clinton als auch Obama haben sich öffentlich gegen die Folter ausgesprochen. Das reicht aber nicht, auch wenn es vielleicht andere Probleme in der Welt gibt als Folter. Denn bei der Abstimmung über das Ausnahmegesetz für die CIA waren sie nicht im Senat. Sie waren irgendwo im Wahlkampf unterwegs. Sicher, sie wollen Guantanamo schließen. Aber da geht es weniger um Folter als um ein Imageproblem der amerikanischen Armee.

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