Interview: Ridley Scott:Operation am offenen Herzen

Der Regisseur Ridley Scott über Kommandos, Katastrophen und zerfetzte Körper

Mit "Alien" und "Blade Runner" hat Ridley Scott Science- Fiction-Kult gemacht, nun zeigt er den Krieg als Horror-Fantasy, im Herzen der Finsternis.

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SZ: Bislang haben Sie sich erfolgreich der Fiktion gewidmet - in "Black Hawk Down" zeigt die Wirklichkeit des Krieges ihr hässliches Gesicht.

Ridley Scott: Ich bin gewissermaßen im Transport-Geschäft, mit jedem Film versuche ich, mich und die Zuschauer dorthin zu befördern, wo wir noch nicht waren. Dabei ist mir die Glaubwürdigkeit in der Science-Fiction genauso wichtig wie in einem Kriegsfilm. Auch in "Blade Runner" sind wir an alle Aspekte logisch und realistisch herangegangen. 1980 haben wir von Replikationen gesprochen, heute ist es möglich zu klonen.

SZ: Sie haben als Werbespot-Regisseur angefangen - haben Sie nun einen Werbefilm für den amerikanischen Krieg gemacht?

Scott: Eher einen Antikriegsfilm, denn dieser Film wird kaum bewirken, dass man sich freiwillig zur Armee meldet. Ich habe versucht, einen Film zu machen, in dem ich mich wie ein guter Journalist der Meinung enthalte. Ich wollte einfach berichten wie es war, und allein dadurch wird es zum Statement gegen den Krieg.

SZ: Das ist das erste Mal, dass Sie sich so konkret der Realität stellen ...

Scott: In diesem Fall war es wichtig, historisch so genau wie möglich zu sein, denn das Buch basiert auf Interviews mit den Überlebenden vom kommandierenden Offizier bis zu den jüngsten Rangern. Es geht darum, was sie empfanden, als sie reingingen, und auch wie sie ihre Anwesenheit vor sich selbst rechtfertigen.

SZ: Was wollten Sie selbst bei dieser Anatomie eines Krieges herausfinden?

Scott: Ich wollte verstehen und verständlich machen, was diese Jungs da leisten, und was passiert, wenn man in den Krieg zieht. Ich habe einen der Ärzte, die dort waren, befragt, die ziehen da etwa eine Operation am offenen Herzen durch auf einem schmutzigen Küchentisch, in einem ausgebombten Gebäude. Der Körper, den es völlig zerrissen hatte, das war ein 41-jähriger Soldat, der aufhören wollte, um einen Buchladen zu eröffnen, und Kinderbücher zu illustrieren. Es sollte sein letztes Jahr sein ... Er wurde in zwei Hälften zerrissen und hat noch zweieinhalb Stunden gelebt. Der Junge, der die Hand vom Boden aufgelesen hat, dachte, man könnte sie möglicherweise wieder annähen. All diese Szenen sind nicht fürs Kino erfunden, sondern von Zeugen berichtet. Eine derart gegenwärtige Geschichte war eine große Herausforderung für mich. Obwohl diese Ereignisse neun Jahre zurückliegen, sind sie ausgesprochen aktuell. Das Zeitgeschehen sollte eine viel stärkere Rolle im Mainstreamkino spielen - aber das Publikum wird dabei eher abgeschreckt.

SZ: Erstaunlicherweise war der Film in Amerika ein großer Kassenerfolg.

Scott: Der 11. September hat beim Publikum ein starkes Bewusstsein erzeugt für alles, was wirklich ist. Das war erstaunlicherweise genau das Gegenteil von Eskapismus - diesmal ging es darum, den Tatsachen ins Auge zu sehen und herauszufinden, was sie bewirken. Am Ende des Films steht die Frage im Raum, ob Intervention sinnvoll ist. Mit einem wachen Bewusstsein könnte man sicher manche Konsequenzen vorhersehen und Katastrophen verhindern.

SZ: Gibt es irgendetwas, was Sie anders gemacht hätten, wenn Sie nach dem 11.September gedreht hätten?

Scott: Wahrscheinlich hätten wir den Film dann gar nicht gemacht, da niemand zu diesem Zeitpunkt interessiert war, Amerika als Verlierer zu zeigen, in einem weit entfernten Land, in dem sich unsere Soldaten in fremde Angelegenheiten einmischen. Das ist eine Situation, in der es keine Gewinner gibt.

SZ: Sie haben diesen Film mit Schauspielern aus aller Welt besetzt - heißt das, dies ist eine universelle Geschichte?

Scott: Ich wollte immer schon mal mit Ewan Mc Gregor arbeiten, liebe Ed Bana seit "Chopper"... Heute sind Akzente nicht mehr so problematisch wie vor zwanzig Jahren, es gibt Sprachtrainer und jeder ist bereit zu lernen. Außerdem war es sehr wichtig, dass man die Jungs noch voneinander unterscheiden kann, wenn ihre Haare geschnitten sind und sie Helme tragen. Schon deshalb habe ich prägnante Gesichter gesucht.

SZ: Sie waren früher Maler. Da ist man versucht, diesen Film als Ihr "Guernica" zu sehen.

Scott: Das habe ich selbst nie so gesehen ... aber das ist schon ein unglaubliches Bild. Ich wurde Grafiker, weil ich als Maler leider nicht gut genug war, und in diesem Beruf hat man es mit einer ungeheuren Fülle künstlerischer Aspekte zu tun. Manche Maler bleiben im Gedächtnis hängen, ohne dass man es bewusst wahrnimmt. Dazu gehören für mich auch die Kriegsbilder von Goya.

SZ: All Ihre Filme handeln von Niederlagen und Verlusten, während Ihr Produzent Jerry Bruckheimer für seine Heldenstücke berühmt wurde ...

Scott: Gerade das war eine gute Mischung. Wir kennen uns seit 25 Jahren, sind gute Freunde und wollten immer schon etwas zusammen machen. Dieses Projekt erschien mir als guter Mittelweg, da es ausschließlich auf Interviews mit Zeitzeugen basierte, über einen Vorfall, der eine halbe Stunde hätte dauern sollen und sich über 18 Höllenstunden hinzog. Im Gegensatz zu den Nachrichten, in denen Explosionen in zwei Meilen Entfernung stattfinden, erfährt man hier, was wirklich vorgeht. Interview: Anke Sterneborg

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