Interview mit Christoph Maria Herbst:"Ich bin ein Schisser aus Wuppertal"

Schauspieler Christoph Maria Herbst über Rollenwechsel, über Demut und den Wunsch, Regie zu führen.

Besser, böser, luzider kann man eine Serienfigur kaum spielen. Christoph Maria Herbst hat als Stromberg in der gleichnamigen Pro-Sieben-Serie jeden deutschen Fernsehpreis gewonnen, in diesem Herbst wird die vierte Staffel gedreht.

Interview mit Christoph Maria Herbst: Chirstoph Maria Herbst

Chirstoph Maria Herbst

(Foto: Foto: ddp)

Am kommenden Dienstag ist Herbst, 42, einmal nicht als intreganter Versicherungsangestellter mit Leitungsbefignissen zu sehen, sondern als Don Quichote.

An dem Sat-1-Film Don Quichote - Gib niemals auf habe ihn allerdings wieder einmal das Tragikkomische der Hauptfigur interessiert. In der Sat-1-Version kämpft ein heutiger Don Quichote mit den Rotoren eines spanischen Windkraftparks und hilft einem Jungen, das Schöne, das Wichtige in der Welt mit eigenen Augen zu sehen. Im SZ-Interview spricht Herbst über seinen Wunsch nach einem Rollenwechsel, über Demut im Beruf, seine Lieblinskrimiserie und seinen Wunsch, einmal Regie zu führen.

SZ: Herr Herbst, Sie haben für ein Sat-1-Movie, das kommenden Dienstag gezeigt wird, Don Quichote gespielt und trugen eine mit dem Föhn getrocknete Gummihaut. Sie sollten wie Hundert Jahre Einsamkeit aussehen. Schminken Sie sich gerne?

Christoph Maria Herbst: Wenn die Maske mich nicht erschlägt und nicht zum Mummenschanz wird: Ja. Bei dieser Maske sind wir so weit gegangen, mir eine andere Nase aufzusetzen. Das ist mir bei Nicole Kidman in The Hours aufgefallen: Wie unfassbar sich ein Mensch verändert mit einer anderen Nase. Da lagen also 40 Nasen, wir konnten jeden Morgen fragen: Welche Nase ist denn heute dran?

SZ: Hat Sie die klassische Figur gereizt?

Herbst: Eigentlich hat mich doch wieder nur der tragikomische Gestus der Figur gereizt. Ich habe den Cervantes nie ganz gelesen. Aber das Drehbuch hat mich umgeworfen. Und außerdem schloss sich für mich ein Kreis.

Ich habe in meiner Gymnasialzeit ein Referat über die Richard Straussche Tondichtung Don Quichotes gehalten: Dieses Cellokonzert mit den Berliner Philharmonikern unter Karajan - das Cello von Rostropovitsch gespielt - habe ich schon als Heranwachsender geliebt. Ich bekam die einzigen 15 Punkte, die einzige Eins plus meiner Schülerlaufbahn.

SZ: Obwohl Sie von den klassischen Rollen kommen, scheinen Sie in einer Schublade zu stecken, auf der Stromberg steht, IhrePro-Sieben-Erfolgsserie.

Herbst: Ich bin erst 42, im Moment fühlt sich das in der Schublade noch ganz kuschelig an.

SZ: Aber mit Don Quichote wollen Sie aus dieser Schublade rausfallen.

Herbst: Man fällt da angenehm raus.

SZ: Wie haben Sie sich vorbereitet?

Herbst: Leider habe ich mir Terry Gilliams Making of von Lost in la Mancha angeschaut. Ich bin also sehr gebeutelt in diese Dreharbeiten gegangen und dachte: Das hat so ein Scheiß-Karma, dieses Teil. Orson Welles und Terry Gilliam ist es um die Ohren geflogen. Aber wir haben es tatsächlich ein bisschen geschafft, das Karma aufzubrechen.

SZ: Was ist es geworden? Ein Familien-, ein Fantasy-, ein Kinderfilm?

Herbst: Ja ... alles ... so'n ... bisschen. .. vielleicht. Der Begriff des Family Entertainment, der ist so gesetzt. Also nehmen wir den einfach zur Kenntnis und hin und an.

SZ: Das wird Sat 1 freuen.

Herbst: Vielleicht sag ich's deshalb. Ich bin ja auch Nutte.

SZ: Sie sind Schauspieler. Das betonen Sie doch immer, weil Sie meistens als Comedian geführt werden.

Herbst: So ist es. Eine klare Definition des Begriffes Comedian ist mir bisher noch jeder schuldig geblieben. Comedian kommt für mich von Stand-up-Comedy, und da komme ich nicht her. Außerdem halte ich den englischen Ausdruck für überschätzt.

SZ: Würden Sie Komödiant akzeptieren?

Herbst: Sofort.

"Ich bin ein Schisser aus Wuppertal"

SZ: Warum haben Sie bisher andere Rollen, zum Beispiel Episodenrollen in einem Tatort, abgelehnt?

Herbst: Machen Sie bitte ein Casting-Büro auf und fragen Sie mich an. Bisher haben es die Casting-Büros, die es gibt, nicht getan. Ich habe mal mit einem der Tatort-Produzenten gesprochen, der sagte: "Wir können dich nicht besetzen. Ist ja eh klar, dass du dann der Mörder bist."

Es müsste eigentlich Drehbücher geben, in denen man bis zur 89. Minuten nur denkt, dass ich der Mörder sei. Vielleicht bin ich auch noch nicht so weit, vielleicht werde ich deshalb nicht angefragt.

SZ: Reine Koketterie.

Herbst: Nein, ich bin ein Schisser aus Wuppertal. Machen Sie das zur Überschrift.

SZ: Selbstverständlich.

Herbst: Mich muss man immer ein wenig schubsen.

SZ: Ist Don Quichote das Signal, dass Sie geschubst werden wollen?

Herbst: Es ist seltsam, dass ich dann aber immer in die tiefste Tiefen des Tuschkastens und der Klamottenkiste greifen muss, und mit so einer unfassbaren Maske und Mimikry arbeite, als würde ich mich vor mir verstecken wollen. Vielleicht sind das Anteile des Fluches Stromberg - noch überwiegt der Segen. Vielleicht will ich ausdrücken: Bitte, fühlt euch nicht an Stromberg erinnert.

SZ: Dabei waren es bisher nur drei Staffeln.

Herbst: 26 Folgen, eine Menge Holz, die DVD verkauft sich wie blöde.

SZ: Sie sind hoffentlich beteiligt.

Herbst: Bin ich. Klausjürgen Wussow selig wurde in der Fußgängerzone gefragt, ob er ein Gallenleiden lindern könne. Ich bin auf Haftpflichtschäden angesprochen worden. Man hat mir sogar Prügel angeboten. Das waren Leute, die glaubten, Stromberg sei real. Für mich ist das ein Kompliment. Uns scheint Naturalismus gelungen zu sein, nicht nur Realismus.

SZ: Nach dem Gesetz der Serie kann man sich auch schnell verbrauchen.

Herbst: Sagen Sie es: verbrennen. Mittelfristig werde ich mich anders orientieren. Ich möchte meine Grenzen weiten. Ich bin ein Getriebener.

SZ: Wann wäre Schluss?

Herbst: Na ja, wir drehen von September an die vierte Staffel, die im Frühjahr 2009 ausgestrahlt wird. Die Schlussfolgerung aus all dem bisher Gesagten ist doch, mit Stromberg zu einem Zeitpunkt, der aus mir herauskommt, Schluss zu machen. Ich will nicht warten, bis Bücher schlecht werden oder die Zuschauer uns nicht mehr haben wollen. Das Ende sollten wir selber formulieren.

SZ: Sind Sie ein Festhalter?

Herbst: Nein.

"Ich bin ein Schisser aus Wuppertal"

SZ: Sie könnten Stromberg gut aufgeben?

Herbst: Das könnte ich. Die Branche lässt mich auch anderes machen.

SZ: Kino-Komödien, Lesereisen, Hörbücher.

Herbst: Genau. In Prag drehen wir gerade - für Sat 1 - ein romantisches Roadmovie.

SZ: Es geht um Menschen, die sich lieben?

Herbst: Um Menschen, die sich hassen. Sonst kriegen wir es ja nicht lustig. Die sich am Ende aber lieben, also Bastian Pastewka und ich. Schwul werden wir deshalb nicht.

SZ: Gehört Pastewka zu denen, mit denen Sie sich austauschen?

Herbst: Privat schon, künstlerisch nicht so sehr. Pastewka ist eine der wenigen Serien, die ich gerne gucke. Bastian spielt aus dem Bauch, ich jage die Dinge dreimal zu häufig durch den Kopf. Bastian erinnert mich an die männliche Ausgabe von Anke Engelke, die unheimlich aus der Spielastik herauskommt. Ich komme mehr aus der Verkrampfung.

SZ: Was ist Spielastik?

Herbst: Einfach machen, einfach spielen, körperlich, aus dem Bauch.

SZ: Sie haben sich nach dem Abitur eine Banklehre zugemutet und ohne Schauspielschulen-Ausbildung sofort gespielt. Ist das der bessere Weg in Ihren Beruf?

Herbst: Mir fehlt der Vergleich.

SZ: Gerade Sie vergleichen.

Herbst: Der Weg über die Schauspielschule ist sicher der Königsweg. Das war für viele Jahre ein Problem für mich, auf der Bühne zu stehen mit Leuten, die vom Max-Reinhardt-Seminar kamen. Ich hatte mich irgendwie so reinlarviert mit Glück und Mut.

Ich habe in meine Vita gerne mal Begabung reingeschrieben, gerne aber auch das eine oder andere Mal reingelogen, ich hätte eine Ausbildung. Ich war dann immer geständig, die Intendanten haben mich nie rausgeschmissen.

SZ: Sie sind kein Schauspielschulentyp.

Herbst: Ich habe überall vorgesprochen und hätte mit Kusshand eine besucht. Wenn Sie mir die Frage stellen, ob die Ablehnungen der Schauspielschulen für irgendwas gut waren...

SZ: Ist gestellt.

Herbst: ...dann antworte ich: Ja. Ich habe mir bis heute eine ungeheure Neugier und Wachheit bewahrt. Und ich habe festgestellt, dass manche, die von der Schule kamen, mit einer ungeheuren Hybris aufgetreten sind. Die sagten: "Ich zeig euch mal, wie das geht, ich habe das gelernt" - und sind ganz furchtbar auf die Schnauze gefallen.

"Ich bin ein Schisser aus Wuppertal"

SZ: Dagegen Sie?

Herbst: Ich gehe wie viele an jede Rolle wie ein Geknechteter, denn man weiß erst mal überhaupt nichts über eine Figur. Diese Demut habe ich mir bewahrt.

SZ: Ein wieder modernes Wort.

Herbst: Ein schöner, althergebrachter Begriff, den ich nicht müde werde, zu benutzen. Also: Gott sei Dank Otto Falckenberg, Gott sei Dank Max Reinhardt, Gott sei Dank Ernst Busch, habt ihr mir damals alle gesagt, ich sollte das mit der Schauspielerei lassen. Ich wäre bestimmt ein guter Dramaturg - das ist so ein Standardsatz, den ich gehört habe.

SZ: Warum ein guter Dramaturg?

Herbst: Das beantworten die einem ja nicht. Man steht da so blöde mit Mütze und wird wie bei den heutigen Castings irgendwie weggeschmettert.

SZ: Schauen Sie fern?

Herbst: Nicht mehr viel. Ich bin auch so ein eigener Programmdirektor geworden und verweise sehr gerne auf DVDs. Ich habe gerade zitternd und bebend, den Kollegen an den Lippen hängend, dabei weinend und lachend und irgendwie verschreckt mich im Sessel wiederfindend KDD geguckt, die ganz wunderbare Krimi-Serie Kriminaldauerdienst des ZDF.

Die ist genial gebaut und geschrieben, auf einem ganz hohen schauspielerischen Niveau mit gestandenen Leuten wie Zapatka, Vester und Schubert. Also, es gibt die guten Autoren, es gibt die mutigen Produzenten, die Sender, die sich trauen, so etwas um 21.15 Uhr zu zeigen. Und teilweise waren da Plots bei, dass ich dachte: Hää, ist das jetzt Schweigen der Lämmer? So was schaue ich dann.

SZ: Welche KDD-Figur würden Sie wohl spielen?

Herbst: Ich kenne den Produzenten gut, Philip Voges. Wir haben schon zusammengearbeitet (bei der Komödie Wo ist Fred). Und nicht einmal der hat mich anfragt. Das ist kein Lamento, ich befürchte einfach, ich bin zu sehr eine Marke, was ich nie werden wollte.

SZ: Welche KDD-Figur?

Herbst: Ach das ist wieder so eine Sache, bei der ich sage: Also Leute, da bring ich Geld mit. Lasst mich einmal hinten in der Unschärfe durchs Bild laufen. Was das Tolle ist bei solchen Formaten, und da sind wir wieder bei Stromberg, rein ästhetisch: Es ist Theater.

Bitte nicht falsch verstehen. Aber die Kollegen müssen, nein: dürfen, ganze Szenen durchspielen, oft drei, vier fünf Minuten. Weil immer mindestens mit zwei Kameras gedreht wird, weißt du als Schauspieler nicht: Wann hat sie mich jetzt? Das heißt, du musst die ganze Szene über Spannung halten und die Arschbacken zusammenkneifen. Auch bei Stromberg spielen wir seitenweise ohne Schnitt durch.

SZ: Sie reden wie ein Regisseur. Planen Sie eine Regiearbeit?

Herbst: Ist ja lustig. Ich denke inzwischen daran. Es kribbelt. Aber ich würde klein anfangen. Ich würde ein Zwei-Personen-Stück nehmen und an einem schönen Hinterhoftheater versuchen, meine Visitenkarte abzugeben. Dann würde ich mich langsam hochziehen. Das spiegelt ja im Grunde meine späte Karriere.

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