Süddeutsche Zeitung

Interview mit Alicia von Rittberg:In ein anderes Zeitalter geschnürt

Deutschlands neue Hollywood-Hoffnung Alicia von Rittberg dreht eine Serie über die Berliner Charité. Ein Gespräch über Medizin, erotische Bilder und was eine Korsage mit ihr macht.

Von Lars Langenau

SZ: Haben Sie schon einmal so ein langes Projekt wie die ARD-Serie "Charité" gemacht?

Alicia von Rittberg: Es ist vielleicht nicht das längste, aber intensivste Projekt was ich bislang gemacht habe. Noch nie war ich mit einem Team so verbunden und in fast alles eingebunden.

Wie kamen Sie zu der Hauptrolle?

Sie suchten für die Rolle der Ida Lenze nach einem Mädchen in meinem Alter. Ich hatte bereits in ein paar Filmen schon mitgespielt und habe eine sehr aktive Agentin. Irgendwann kam Sönke auf mich zu und schaute sich an, wie ich die tragende Rolle interpretiere. Er hatte wohl schon eine ziemlich genaue Vorstellung davon, wie das Mädchen sein sollte und da passte ich eben ganz gut hinein. Jetzt bin ich an sehr vielen Drehtagen überall ein bisschen mit dabei.

Was sieht bei Ihnen ein ganz normaler Drehtag in Prag aus?

Das kommt immer auf die Szene an. Für eine Minute Film brauchen wir etwa eineinhalb bis zwei Stunden. An einem ganzen Produktionstag werden vier bis sechs Minuten Material gedreht. Sönke Wortmann ist ein sehr angenehmer, genügsamer Regisseur, der einen die Aufnahmen nicht ewig wiederholen lässt. Natürlich wird nicht chronologisch gedreht, sondern immer das, was zu einem Set passt. Da kann die Schlussszene schon mal ganz am Anfang gedreht werden. Natürlich gibt es Drehtage an denen ich nur in einer Sequenz spiele, dann ist es etwas lockerer. Aber an anderen Tagen geht der Tag um fünf Uhr los. Um halb sechs Uhr werde ich abgeholt und es geht direkt in die Maske.

Wie wichtig ist die Maske bei einem historischen Film?

Maske stimmt zumindest bei mir bei diesem historischen Stoff nicht ganz. Denn da passt Wimperntusche nicht rein. Normalerweise werden Augenränder und Rötungen weggeschminkt, die finden das hier aber ganz super, weil es Lebendigkeit ins Spiel bringt. Selbst Puder wird nur eingesetzt, wenn man unnatürlich glänzt. Es ist schon ein Spaß, wenn die mir hier am Set Smokey Eyes machen wollen. Eigentlich heißt das: Lidschatten, hier jedoch Augenränder schminken. Am besten wäre wohl, wenn ich bis vier Uhr nachts durchfeiere und um 5 zum Dreh gehen würde. Das wäre zwar für die Konzentration hinderlich, hätte aber vom Make Up den gleichen Effekt. Immerhin werden einem die Haare schön gemacht. Dann geht es zum Kostüm, dann Probe und dann kommt schon der Dreh.

Wie lange drehen Sie in Prag?

Normalerweise braucht man für einen 90-minütigen Film ein, eineinhalb Monate für Dreharbeiten. Hier sind es aber sechs Teile á 45 Minuten. Also dauert das auch länger. Wir haben Mitte Oktober angefangen, drehen bis Mitte Dezember und dann nochmal von Januar bis Anfang Februar.

Wie sehen die Abende aus?

Dann lerne ich. Ich studiere Wirtschaftswissenschaften an der Zeppelin Universität in Friedrichshafen. Glücklicherweise hat die eine Partneruni in Prag. Da kann ich im Dezember meine Prüfungen ablegen. Bei den Dreharbeiten zu "Fury" musste immer extra ein Notar kommen, der mich beaufsichtigte.

Das Studium wollen Sie trotz Ihres Erfolges als Schauspielerin nicht beenden?

Auf jeden Fall! Ende 2017 bin ich mit dem Studium fertig und habe dann einen Bachelor. Allerdings würde ich auch gern noch ein Auslandssemester einschieben. Sehr gern in Israel, denn da war ich noch nicht und ich empfinde es als spannendes Land. Wenn ich allerdings ein tolles Rollenangebot bekommen sollte, dann weiß ich schon jetzt, dass ich hin und her gerissen sein werde. Aber das lasse ich jetzt mal auf mich zukommen.

Wieso haben Sie nie eine Schauspielschule besucht?

Mit elf, zwölf Jahren habe ich in den Schulferien einen Schauspielkurs besucht, und wurde da von einer Casting-Agentur entdeckt. Ich wurde zu einem Kinder-Casting eingeladen, hatte Blut geleckt und suchte mir selbst eine Agentin in München. Als kleines, süßes, blondes Mädchen mit Piepsstimme bekam ich dann die ersten kleinen Rollen. Bei den 'Rosenheim Cops' etwa durfte ich ein Kaninchen durchs Bild tragen, bei 'Der Alte' bin ich an Freunde meines Filmvaters verkauft worden. Bei meine 'Wunderbare Familie' bekam ich schon eine etwas größere Rolle. Mit 14 habe ich gleichzeitig 'Romy' und das 'Geheimnis der Wale' gemacht.

Und dann?

Danach habe ich irgendwie nie Zeit für eine Schauspielschule gehabt. Außerdem habe ich extremen Respekt davor. Ich fürchte da auseinander genommen und in Einzelteilen wieder zusammengesetzt zu werden, wie man das von solchen Schule so hört. Und ich glaube, dass ich das nicht kann und will. So habe ich mich erst mal dagegen entschieden. Ich denke aber, dass ich mich nach dem Studium an Coaches wende um meine Stimme ausbilden zu lassen. Momentan verlasse ich mich beim Spielen auf mein Bauchgefühl, auf meinen inneren Instinkt. Und tatsächlich habe ich wohl auch ein wenig Angst davor, mir die Natürlichkeit im Spiel nehmen zu lassen.

Was loben die Kritiker an ihrem Spiel? Ihre Natürlichkeit?

Ich bin ein sehr selbstkritischer Mensch. Ich weiß es nicht, ob meine Natürlichkeit gelobt wird. Jedenfalls nicht direkt. Aber wenn ich mal eine Rede vor vielen Leuten halte, dabei rot anlaufe und stottere, dann kommen die Leute und loben meine Natürlichkeit. Naja, das sind schon komische Komplimente.

Wie ist das, wenn Sie das Männermagazin GQ als neue Hollywood-Hoffnung bezeichnet?

Klar schmeichelt das, aber es war doch eher Glück, dass ich einmal mit Brad Pitt drehen durfte. Es ist eine Traumvorstellung, wenn man denken würde, dass ein Dreh mit solchen Schauspielern schon bedeutet, man sei auf dem Sprung in die USA. Man sollte da eher die Kirche im Dorf lassen. Inzwischen habe ich allerdings auch eine englische Agentur und mache Castings auch im Ausland. Das hört sich jetzt so an, als wolle ich in den nächsten Monaten auswandern, aber dem ist überhaupt nicht so. Es zieht mich dahin, wo es schöne Rollen gibt und ich liebe es in Deutschland zu drehen.

Hat es einen Vorteil als Schauspielerin so klein zu sein?

Hören Sie mal! Ich bin riesig! Ich bin 1,65 Meter groß! Aber mag sein, dass es Vorteile hat. Hoffentlich ist es nicht mein einziges Erfolgsrezept.

Lieber Fernsehen oder lieber Kino?

Es kommt immer auf die Rollen an. Der Charité-Dreh hier ist das beste Beispiel dafür, wie hervorragend und spannend Fernsehen sein kann. So etwas würde ich nicht gegen einen Kinofilm eintauschen wollen. Natürlich kommt es auf die Story, das ganze Team und den Regisseur an. Ich würde mich da nie festlegen wollen.

Sie haben die junge Romy Schneider gespielt. Was halten Sie von Vergleichen?

Nichts, und ich habe es auch nicht so gern, wenn ich mit irgendjemandem verglichen werde. Ich genieße es vielmehr, wenn man mir sagt, ich bin eine ganz eigene Type.

Beruht ihr bisheriger Erfolg nur auf Glück - oder Können?

(Lacht) Wenn ich das so einfach beantworten könnte. Jedenfalls kann es das Können ja nun kaum sein, weil ich die Schauspielerei eben nicht gelernt habe. Es ist eher Glück - gepaart mit Ehrgeiz und einem guten Bauchgefühl, was man als Talent deuten könnte.

Wie steht Ihre Familie zu Ihrer Schauspielerei?

Ich bin die erste und bislang einzige Künstlerin in meiner Familie. Aber meine drei Brüder und meine Eltern unterstützen mich, wo sie können. Auch für die ist es eine ganz neue Welt und sie fiebern bei jedem neuen Projekt mit mir mit.

Wie kam es zu den erotischen Bildern in der GQ?

Im Zusammenhang mit dem Start der Verfilmung eines Buchs von John le Carré 'Verräter wie wir'. Eigentlich sollte der schon im September in die Kinos kommen, doch der Kinostart ist kurzfristig in den Februar verschoben worden. So zusammenhangslos haben die Bilder natürlich eine andere Wirkung als wären Sie gleichzeitig mit dem Kinostart gekommen. Da spiele ich die Tochter eines russischen Oligarchen, den Stellan Skarsgård spielt. Jedenfalls ist diese junge Frau nicht so harmlos, wie sie erscheint. Irgendwie zeigen das auch die Bilder. Eine besondere Herausforderung war, dass ich da Englisch mit russischem Akzent sprechen musste.

Also erleben wir jetzt nicht die Wandlung vom Kinderstar zum Vamp?

Man hat bei mir - mit meinen langen blonden Haaren und nicht so groß - schnell das Bild eines kleinen Mädchens im Kopf. Klar, dass ich das nicht ein Leben lang bedienen möchte. Ich will einen Imagewandel aber auch nicht erzwingen. Ich werde sowieso älter, dann fallen die jungen Rollen irgendwann von selbst weg. Und 25 und 30 Jahre alt werde ich eh noch.

Was interessierte Sie an der Rolle der Ida?

Bei diesem Projekt kommen viele Dinge zusammen: Medizingeschichte zu erzählen, finde ich an sich sehr spannend. Damals war eben sehr viel anders als heute. Außerdem waren in dieser Zeit drei Nobelpreisträger an der Charité. Meine Hauptfigur entwickelt sich von einem Kindermädchen und Krankenschwester zu einer Frau, die für die Medizin brennt und das auch studieren möchte. Das allerdings im damaligen Kaiserreich nicht darf. Und natürlich spiele ich lieber selbstbewusste, starke Frauen als Duck-Dich-Mäuschen. Und diese Frau war - aus heutiger Sicht - am Puls ihrer Zeit.

Wäre ein Medizinstudium auch was für Sie?

Nein. Ich habe Hochachtung vor dem Beruf, und kann verstehen, wie schön es sein kann, anderen zu helfen und Schmerzen zu lindern. Aber das Leid der Patienten würde mir viel zu Nahe gehen und mich aus der Bahn werfen. Deshalb überlasse ich diese Aufgabe gerne anderen.

Wie stark haben Sie sich mit der Rolle identifiziert?

Tatsächlich tauche ich in diese wilhelminische Zeit oft wirklich ein. Allein durch die Korsage, die ich tragen muss, habe ich eine ganz andere Haltung als sonst. Man ist in ein anderes Zeitalter geschnürt. In diesem riesigen, alten Gebäude, in dem wir hier in Prag drehen, läuft man vom Schwesternschlafsaal über den OP- und Kreissaal zu Virchows Arbeitszimmer voller Skelette. Ich komme mir dann vor wie in einer Zeitmaschine. Außerdem haben wir einen medizinischen Berater am Set, und ich lerne da gerade sehr viel. Mein Interesse an Medizin wächst von Tag zu Tag.

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