Interview: Michael Mittermeier:"Die haben nicht die Eier, das zu bringen"

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Treffen sich zwei Comedians: Michael Mittermeier hat einen Film über seinen inhaftierten birmanischen Kollegen Zarganar gedreht. Ein Gespräch über die Macht des Humors in der Politik.

Katharina Riehl

Im November 2009 wurde der birmanische Komiker Zarganar zu 59 Jahren Gefängnis verurteilt, weil er öffentlich die Militärregierung von Birma kritisiert hatte. Zarganar erzählt Witze wie diesen: "George Bush, Hu Jintao, der Präsident der Volksrepublik China, und der birmanische Militärdiktator gehen gemeinsam zu Gott. George Bush fragt Gott: 'Wann wird die USA die mächtigste Nation der Welt werden?' Gott antwortet: 'Während deines Lebens nicht mehr!' George Bush bricht in Tränen aus. Dann will Mr. Hu wissen, wann China das reichste Land der Welt wird. Gott gibt ihm die gleiche Antwort, ebenso wie Bush fängt Hu Jintao an zu weinen. Zum Schluss will Than Shwe, selbsternannter 'Vater der birmanischen Nation' von Gott wissen, wann Birma endlich wieder genügend Wasser und Elektrizität für sein Volk haben würde. Diesmal ist es Gott, der in Tränen ausbricht: 'In meinem Leben nicht mehr.' "

"Ich bin stolz darauf, dass ein Mann wie Zarganar Comedian genannt wird": Michael Mittermeier hat einen Film über seinen birmanischen Kollegen gedreht. (Foto: ddp)

Michael Mittermeier, bekanntermaßen selbst ein Comedian, hat mit dem Filmemacher Rex Bloomstein einen Film über Zarganar gedreht. Sie flogen gemeinsam nach Birma, suchten das Gefängnis, gingen in Zarganars Wohnung - und versuchten einem Künstler näher zu kommen, der für die Äußerung seiner Meinung seine Freiheit aufs Spiel setzte. Michael Mittermeier spricht im Interview und im Film von "Burma", aufgrund einer einheitlichen Schreibung und der Gepflogenheiten von sueddeutsche.de wird hier der Begriff "Birma" verwendet. Am 22. Oktober kommt This Prison where I live in die Kinos.

sueddeutsche.de: Die Dokumentation This Prision where I live handelt von dem birmanischen Comedian Zarganar, der wegen seiner politischen Äußerungen ins Gefängnis gesperrt wurde. Sehen Sie sich selbst auch als politischen Komiker?

Michael Mittermeier: Mein Humor ist in großen Teilen immer politisch gewesen, auch wenn das viele anders sehen wollen. Ich spiele ja auch in allen Kabarettsendungen des Landes mit, da sind die Grenzen fließend. Ich muss aber nicht jeden Abend die Tageszeitung rezitieren, das langweilt mich.

sueddeutsche.de: Sie gelten als Comedian, ebenso wie Zarganar. In Deutschland ist Comedy automatisch das Gegenstück zum politischen Kabarett.

Mittermeier: Ich bin stolz darauf, dass ein Mann wie Zarganar Comedian genannt wird. Diese dämliche Unterscheidung zwischen Comedians und Kabarettisten gibt es nur in Deutschland, die führt ja sonst keiner. Wenn ich zum Beispiel im Ausland auf Englisch spiele, geht es nur darum: Bist du gut oder nicht?

sueddeutsche.de: Ein politischer Komiker muss also nicht nur Witze über Politik machen?

Mittermeier: Zarganar ist ein Komiker, der vielen Menschen in Birma Freude bereitet, auch ohne seine politischen Kommentare und Pointen. Zarganar hat auch einfach lustige Filme gemacht, Blödelfilme. Es gibt beides in einem und das ist das, was ich seit vielen Jahren auch versuche.

sueddeutsche.de: Wie sind Sie an das Projekt geraten?

Mittermeier: Eine Menschenrechtsorganisation hat alle möglichen Komiker angefragt, ob das Schicksal von Zarganar nicht ein Thema wäre, das einen deutschen Comedian interessieren könnte. Ich bin sofort darauf angesprungen, weil ich seit vielen Jahren Birma-Aktivist bin. Die Verquickung von Comedy und Birma - ich hatte das Gefühl, das kann kein Zufall sein.

sueddeutsche.de: Und woher stammt Ihr Engagement für Birma?

Mittermeier: Meine Frau und ich waren vor fünf Jahren dort: In dieses Land kann man nicht einfach nur reisen und sagen "Uih, wie schön". Wer dorthin reist, sieht auch, in welcher Armut die Menschen dort leben, und unter welchem Druck der Militärregierung. Ich habe dann immer wieder Geld für Birma gesammelt, im Fernsehen, bei Konzerten. Das hat sich so entwickelt.

sueddeutsche.de: In dem Film sprechen Sie immer wieder davon, wie sehr Sie den Mut Zarganars bewundern. War der Ausflug nach Birma, die Recherche, auch eine Art Mutprobe?

Mittermeier: Das ist zu einfach, ich brauche keine Mutprobe mehr in meinem Leben. Klar, ich brauche Herausforderungen, neue Grenzen. Aber diese Geschichte war mehr. Der Mann ist für mich ein Held, der Film ist eine Parabel auf Humor in der Unterdrückung.

sueddeutsche.de: Weil Humor ein Mittel zum Umsturz ist? Zarganars politische Äußerungen waren für das Regime ja vor allem gefährlich, weil er vorher schon so beliebt war.

Mittermeier: Hätte er nicht schon vorher eine Riesenmasse im Herzen und im Bauch bewegt, hätte er nie so ein Forum gehabt. Zarganar war einer der Auslöser des ersten großen Aufstandes der birmanischen Bevölkerung gegen das Regime 1989, und hat auch bei der Safran-Revolution 2007 die Mönche unterstützt.

sueddeutsche.de: Und genau dieser Ruhm ist ihm zum Verhängnis geworden.

Mittermeier: Ich glaube, wenn Zarganar nicht berühmt wäre, wäre er längst tot. Das Regime hat Angst, einen sympathischen, lustigen Menschen zu töten, das würde einen immensen Gesichtsverlust bedeuten.

sueddeutsche.de: Also ist seine Beliebtheit Gefahr und Rettung gleichzeitig.

Mittermeier: Er wäre in den Knast gegangen und nie wieder rausgekommen, die hätten ihn irgendwo verscharrt. Das ist einfach mit jemandem, den niemand kennt. Es verschwinden ständig irgendwelche Menschen in Birma.

sueddeutsche.de: Für wie viel Aufsehen haben Sie und Ihr Team in Birma gesorgt?

Mittermeier: Wir waren nur in Zarganars Wohnung, und der Geheimdienst war sofort im Einsatz. Allein die Tatsache, dass Europäer in einer Wohnung gesehen wurden, bewegt dort einen ganzen Apparat. Mit unseren Informanten vor Ort mussten wir uns immer im Geheimen treffen. Wenn herausgekommen wäre, dass die uns helfen, wäre das für die richtig gefährlich geworden.

sueddeutsche.de: Haben Sie sich nicht gefragt, ob es richtig ist, diese Menschen in Gefahr zu bringen?

Mittermeier: Natürlich hat uns das beschäftigt, mehr als wir wollten. Unser Fahrer ist mittlerweile im Exil. Sie haben ihn über das Auto ausfindig gemacht, er musste seine Familie mit drei Kindern zurücklassen. Aber dieser Mann wusste, was er tat. Das ist deren Form des Widerstands: Sie gehen das Risiko ein, etwas anderes können sie nicht tun.

sueddeutsche.de: Könnten Sie denn noch einmal in Birma einreisen?

Mittermeier: Ich denke, man würde mich entweder am Flughafen verhaften oder heimschicken. Wahrscheinlich heimschicken. Die sind ja nicht blöd, die haben uns nur nicht schnell genug gefasst, als die beschlossen haben, uns zu verhaften. Aber unsere Nummern der Pässe stehen natürlich auf der Liste. Das war mir aber auch vorher klar: Wenn ich diesen Film mache, komme ich nicht mehr zurück.

sueddeutsche.de: Wie ist die Resonanz auf dieses Projekt, das viele so ungewöhnlich für Sie finden?

Mittermeier: Ich mache alles für diesen Film, ich setze mich überall hin, mache Werbung, benutze meinen Namen. Aber es ist nicht einfach, gerade mit den Qualitätsmedien, die immer so auf Comedy herabschauen. Wenn man dann mal etwas Ernsthaftes hat, dann haben sie manchmal nicht die Eier, das zu bringen. Dann schauen sie doch nur auf die Quoten. Da tun die Öffentlich-Rechtlichen immer so, als seien sie besser als die Privaten. Aber das sind sie nicht.

sueddeutsche.de: Fehlt es Ihnen an Aufmerksamkeit für das Projekt?

Mittermeier: Nein, mich ärgert, wenn die Leute sagen: "Oh, das ist ein ganz toller Film!", aber ihn dann doch hin und her schieben.

sueddeutsche.de: Sie sprechen also von einer TV-Ausstrahlung?

Mittermeier: Natürlich. Es geht um die größtmögliche Aufmerksamkeit für diesen Mann, für das Land Birma. Das kannst du nur mit Kino und Fernsehen erreichen. Ich bin ja froh, dass wir so einen tollen Verleih gefunden haben - auch der weiß, dass er mit diesem Film nicht reich wird.

sueddeutsche.de: Wie schätzen Sie Zarganars Chance ein, jemals wieder freigelassen zu werden?

Mittermeier: Die Chancen stehen natürlich schlecht. Aber wenn es die Hoffnung nicht mehr gibt, dann muss ich nicht so einen Film machen.

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