Süddeutsche Zeitung

Massakriert im Interview:Schlachtung der Diven

Zu den erstaunlichsten Interviewformaten der gefühlt letzten 120 Jahre gehört: "Between two Ferns" auf der amerikanischen Internet-Comedy-Plattform "Funny or Die". Dort grillt der Komiker Zach Galifianakis Hollywoodstars, die das erstaunlicherweise mit sich machen lassen.

Von Bernd Graff

Zu den erstaunlichsten Interviewformaten der gefühlt letzten 120 Jahre gehört: "Between two Ferns" mit dem Komiker Zach Galifianakis. Ihn kennt man aus der US-Filmkomödie "Hangover". Zach Galifianakis sieht ein wenig so aus, wie man sich im Kintopp der Fünfziger Jahre einen nordischen Wilden, einen Neandertaler, einen Wikinger oder einen Kinder fressenden Teutonen vorgestellt hätte: Ein mehr als vollbärtiges Urviech von Mann, der beim Teetrinken bestimmt nicht den kleinen Finger abspreizen würde. Schon deshalb nicht, weil er keinen Tee trinkt, sondern das Blut seiner Feinde aus den Schädeln der Erschlagenen. Und so, genau so, agiert dieses Mannmonster als Moderator seines eigenen Internetvideoformats: Between two Ferns - zwischen zwei Farnen. Es hätten unbedingt Eichen sein müssen.

Ihre Heimat haben die Farne - zwischen denen sich eben dieser ungeschlachte Moderator, ein meist sehr berühmter Hollywoodschauspieler und ein Buzzer auf einem Rundtischchen befinden - auf der Internet-Comedy-Plattform "Funny or Die". Das Arrangement mutet an wie bei einer äußerst kostenbewussten Amateur-Produktion - und ist es auch. Aber Zachs Gäste sind immer allererste Hollywood-Sahne.

So gab es vor dem Oscar-Abend eine Doppelshow, die Oscar Buzz Edition, von Zach Galifianakis mit Jennifer Lawrence, Anne Hathaway, Christoph Waltz, Naomi Watts und Amy Adams, in Teil zwei mit Bradley Cooper, Jessica Chastain und Sally Field.

Sie werden einzeln auf den Gaststuhl gebeten und dann von Zach ... man möchte nicht sagen: gegrillt, dazu dauern die impertinenten Interviews nicht lange genug, manche sind nach 40 Sekunden beendet, sondern Zachs Gäste werden von ihm instant geschlachtet.

Sally Field, die in Spielbergs "Lincoln" die Ehefrau des Präsidenten spielt, wird gefragt, ob sie nun anders auf 1-Cent-Münzen schaue, in die Abraham Lincolns Profil geprägt ist. Sie antwortet: "Ich hasse Pennys - schon immer." Zach: "So, sind Sie also nicht Jüdin?" "Nein, davon weiß ich nichts. Ich bin Katholikin." Zach: "Nett, dass Sie da waren."

Und dann kommt, wie immer, eine krankenschwesterhafte Assistentin, die den Gast aus dem Studio befördert. Das ganze "Interview" hat nicht einmal eine Minute gedauert. Christoph Waltz wird als "Christ of Waltz" vorgestellt und sogleich gefragt, ob er mal daran gedacht habe, sich in Christoph Breakdance umzubenennen. "Ja, habe ich. Doch: Nein", antwortet dieser, "das ergäbe keinen Sinn."

Dann wird Waltz gefragt, wie er sich auf eine Rolle vorbereite. Waltz antwortet: "Das geht Sie nichts an." Zach: "Das geht mich sehr wohl etwas an. Und Sie werden in meiner Show niemals - weder auf Deutsch, Englisch, Französisch oder Spanisch - zu mir sagen, dass mich hier etwas nicht angeht." Waltz hat derweil die ganze Zeit weitergeredet und ihn nicht beachtet. Der Buzzer ertönt, und Waltz wird abgeführt.

Bradley Cooper, nominiert als Bester Hauptdarsteller, wird gebeten, seine Oscar-Ansprache vorzulesen. Man habe da etwas für ihn vorbereitet. Cooper bedankt sich und liest: "Danke. Ich möchte der Academy danken, dass sie Daniel Day-Lewis ausgezeichnet hat. Er ist der bessere. It just sucks, I'm a loser." Danach schmeißt Cooper mit den beiden Farnen.

Die faszinierende Natalie Portman wird vorgestellt als Harvard-Absolventin, großartige Schauspielerin mit hohem Charity-Engagement und dann gefragt: "Wie lautet deine Telefonnummer?"

Sean Penn übersteht sein Interview nahezu stumm, ausgestattet mit einem einzigen, ebenso sprach- wie fassungslosen Blick, den man an Penn im Kino selten gesehen hat. Bei Bruce Willis brennen die Farne ab. Überhaupt geht manches zu Bruch in diesen Interviews, nur nicht der immer inkorrekte, abstruse Humor.

Es sind, ganz klar, inszenierte Unverschämtheiten, die Galifianakis sich da leistet. Doch ist es absolut erstaunlich, dass die bekanntesten der bekannten Hollywoodstars dabei mitmachen und offensichtlich großen Spaß daran haben, sich von einem Vollpfosten vorführen zu lassen, peinlich berührt zu schauen und auch einfach nur frech zu kontern. Es scheint undenkbar, dass dieses Format in Deutschland aufkommen kann, das Mimen-Interviews ja immer noch nur mit "Wetten, dass ...?" (und seinen weichspülenden Moderatoren) in Verbindung bringt. Unvorstellbar auch, dass sich klagefreudige Promis dafür hergäben. Aber hier ist ja auch nicht Hollywood.

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